Die Ankunft der Straßenkünstler. - Druckversion +- Forum (https://adlerchronik.de) +-- Forum: Die Chroniken (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Provinz Britannia (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=8) +---- Forum: Londinium (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=78) +----- Forum: Warenlager und Hafen (https://adlerchronik.de/forumdisplay.php?fid=83) +----- Thema: Die Ankunft der Straßenkünstler. (/showthread.php?tid=561) Seiten:
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Die Ankunft der Straßenkünstler. - Cassia - 10-24-2023 ~ Im Labyrinth von Tag und Traum hat jeder Zauber seinen Raum ~
Was war Cassia froh, als das schlingern und stampfen des Schiffes ein Ende gefunden hatte und das Schiff nun ruhig im Hafen Londiniums lag. Die Überfahrt war die reinste Katastrophe gewesen. Zumindest wenn man Cassia danach befragen würde. Denn dem Mädchen wurde beim ersten Wellengang übel, so dass sie sich über die Rehling beugen musste, um ihren Mageninhalt in das Meer hinaus zu katapultieren. Mit einem äußerst bleichen Gesicht und grün um die Nase ließ sich das Mädchen von einem der Matrosen auf eine Kiste drücken, während der bärtige Kerl grinsend seinen Blick über Cassia gleiten ließ. Die Fünfzehnjährige streckte dem Kerl lediglich ihre Zunge heraus, drehte sich abrupt herum und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Mit einer steilen Falte zwischen ihren Augenbrauen ließ Cassia ihren Blick über das Deck gleiten, als sie ihren noch immer wackeligen Beinen so weit vertraute, dass sie nicht gleich stürzen würde. Wobei sie immer ein besonders wachsames Auge auf ihre nähere Umgebung hatte. Schließlich wusste sie, wie unberechenbar die römischen Soldaten sein konnten. Bei dem Gedanken an ihre Begegnung mit dem römischen Soldaten spürte Cassia wie sich eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete. Denn nur diesem Soldat war es zu verdanken, dass Nicander und sie ihre Heimat in Antiochia verlassen mussten. Nachdem Cassia tief durchgeatmet hatte, ließ sie ihren Blick über das Oberdeck gleiten, um nach Nicander Ausschau zu halten. Unter keinen Umständen wollte sie, dass der Ältere ohne sie von Bord ging. Schließlich entdeckte die Braunhaarige ihren Herrn und beeilte sich, um an seine Seite zu gelangen. Am liebsten hätte Cassia nach Nicanders Hand gegriffen. Diese Reaktion verbiss sie sich jedoch und ließ ihren Blick stattdessen über die Rehling gleiten. Hinaus auf das offene Meer. Dieser Landstrich unterschied sich doch sehr stark von ihrer Heimat in Antiochia. So viel grüner und wenn Cassia in den Himmel blickte, dann hatte sie den Eindruck, als könnte es jeden Augenblick zu regnen beginnen. Denn die Wolken hingen äußerst tief. “Geht es dir gut Herr?“ Wollte Cassia mit ihrer angenehm weichen Stimme von dem Älteren wissen und blickte zu Nicander empor. Das Bündel ihres Herrn, sowie ihr eigenes hielt das Mädchen eng an ihren Körper gepresst. RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Nicander - 10-25-2023 Ich vertrug die Seefahrt nicht. Ich erkältete mich und kam nicht an Honig, von dem ich jeden Tag einen Löffel essen sollte, um meine Stimme zu schonen. Mir war schlecht, und die Kälte und Dunkelheit trugen nichts dazu bei, mich aufzumuntern. Es war ein unglückseliger Tag gewesen, als Cassia ihre Fackeln entzündete , um sich auf ihren Auftritt vorzubereiten, und ein Militärtribun auf Ausgang, der vermutlich nicht zu wenig vom süßen Wein getrunken hatte, sich hinter sie schlich und sie mit beiden Händen an die Brust fasste. Schauspielerinnen und alle vom Theater hatten einen schlechten Ruf. Wir waren infam und nicht besser als Prostituierte. Cassia zappelte und in ihrem Gesichtchen malte sich Empörung ab. Dabei verbrannte eine ihrer Fackeln dem Mann an der Hand. Ich weiß nicht, ob es Absicht gewesen war oder nicht, doch schon umringten uns seine Kumpane und wenn ich etwas sicher wusste, so dass keine weltliche Macht Cassia Recht geben würde: "ERGREIFT SIE!", röhrte der Tribun. Ohne nachzudenken fasste ich Cassias Hand, und wir stürmten durch die Gassen davon. Al- Lat sei Dank kannten wir die verwinkelten Sträßchen und engen Passagen besser als die Römer, und wir wussten auch, wo sich die Dächer der Häuschen so zu Boden neigten, dass wir hinaufspringen und von Flachdach zu Flachdach davon laufen konnten. Aber: Wir konnten in Antiochia ad Orontem nicht bleiben. Wir lebten schließlich davon, dass Cassia jonglierte, und dass ich tanzte und sang und auf Märkten und Plätzen die Stücke aufführte, die gerade im Theater populär waren. Würden wir uns vor dem Unmut des Militärtribunen verstecken müssen, würden wir keinerlei Einnahmen haben. Wir flohen. Wir gelangten nicht gleich nach Britannien, sondern allmählich, so wie die Sonne im Westen verschwindet, so folgten wir ihr innerhalb von zwei Jahren. Wir fuhren den großen Fluss Támesa hinab, und Londinium lag wie eine Erscheinung aus den Nebeln der Zeit vor uns. Ich hoffte, dass wir diesmal Glück haben würden. Nur dieses eine Mal. Hier am anderen Ende der Welt. Geht es dir gut, Herr?, fragte mich meine kleine Cassia. Ich lächelte sie an und verkniff mir ein Husten. Dann zitierte ich ihr etwas von Aristophanes, aus dem Stück "Der Ritter", indem ich die Rolle der beiden Sklaven aus der ersten Szene übernahm: "Sprich du getrost, dann will ich schon dir sagen – Willst du mir sagen, was ich sagen soll? Lass hören, Weißt du kein Lied zum Abschiedstanz von hier? Nun, sag einmal: wir laufen, laufen, laufen! Wir laufen, laufen. Und setze hinter das Laufen noch das Wort Davon Erst langsam laufen, schneller dann und auf und davon.... .... jetzt sind wir hier, Cassia" Wir gingen von Bord. Wir reihten uns ein in die Mengen der Bettler, der Glückssucher, der Streuner in dieser Stadt. Unsere Kleidung war für das hiesige Klima nicht ausgerichtet. Wir froren erbärmlich. Wieder sah es nicht so aus, als würde sich unser Schicksal wenden. Wenn ich nur nicht meine Stimme verlor! RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Cassia - 10-25-2023 Immer wieder warf Cassia vorsichtige Blicke in den von Wolken verhangenen Himmel. Die Wolken wirkten düster und der Wind frischte auch auf. Zumindest peitschte der Wind die Wellen gen das Schiff, so dass Cassia abermals den Eindruck hatte, sie würden sich noch immer auf der windumtosten See befinden. Ein Schauer rieselte bei diesem Gedanken über Cassias Arme. Nein, sie würde hier doch nicht frieren. Auch wenn das Wetter in diesem Landstrich alles andere als anheimelnd auf die kleine Syrerin wirkte. Wie mochte es da wohl ihrem Herrn ergehen? Denn der bellende Husten Nicanders war Cassia nicht verborgen geblieben, während ihr sofort der Löffel voll Honig durch den Kopf geisterte. Einen Löffel davon und ihrem Herrn würde es schon gar nicht mehr so schlecht ergehen. Nur woher sollte sie den Honig nehmen, wenn nicht stehlen? Ein tonloses seufzen entfloh bei diesem Gedanken den Lippen des Mädchens, als sie an Nicanders Seite trat und mit großen Augen zu dem Dunkelhaarigen empor blickte. Auf ihre fragenden Worte erhielt Cassia eine Antwort in Form eines Stückes, so dass sich die Ohren des Mädchens automatisch spitzten. Schließlich lernte sie mit jedem Vers etwas neues hinzu. “Wir werden das Beste aus unserer Situation machen Herr. So wie wir es immer getan haben.“ Voller Zuversicht sprach Cassia diese Worte an den Dunkelhaarigen gewandt und ließ ihren nachdenklichen Blick über Nicanders Statur gleiten. “Du frierst Herr. Wir sollten sehen, dass wir uns eine warme Bleibe suchen und.. und etwas warmes zu essen finden.“ Jene Worte sprach Cassia schon nicht mehr ganz so zuversichtlich. Schließlich wusste sie, wie die Menschen auf ihre Art hernieder blickten. Manche beachteten sie überhaupt nicht. Andere warfen ihnen Dinge nach und beschimpften sie. Schließlich folgte Cassia ihrem Herrn von Bord, während ihr neugieriger Blick nach links und rechts glitt. Hier am Hafen befanden sich größere Gruppen von Menschen, wie die kleine Sklavin bemerkte. “Möchtest du noch meinen Umhang haben Herr?“ Sprach's und zog im selben Moment ihren Umhang aus, um diesen in Nicanders Richtung zu halten. Die Tatsache, dass nun der Wind durch ihr äußerst dünnes Gewand hindurch wehte und sich die Gänsehaut auf ihrem Körper intensivierte, versuchte Cassia zu ignorieren. Auch wenn sie alsbald mit den Zähnen klapperte. RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Nicander - 10-27-2023 Cassias Fürsorge rührte mich, aber ich gab ihr ihren reichlich verschlissenen Umhang zurück: "Nein, Cassia, das bisschen Stoff macht mir auch nicht wärmer", meine Blicke folgten den Männern, die in Tabernae gingen. Dort gab es Gewürzwein oder eine warme Suppe und auch ein trockenes Nachtlager, selbst wenn man es sich mit anderen Reisenden teilen musste. Wir brauchten dringend Geld: "Wir sollten gleich auftreten. Beim Tanzen wird mir schon warm", sagte ich. Unter meinem eigenen Umhang trug ich eine Tunika, die zwar mit bunten Fäden bestickt war, jedoch auch schon bessere Tage gesehen hatte. Unter dem Tunikasaum kamen meine knochigen Beine zum Vorschein. Ein Pantomime, der alle Rollen tanzen (und in meinem Fall auch rezitieren musste) war normalerweise gezwungen, Diät zu halten, damit sein Körper weder zu männlich noch zu rundlich wurde. Die Diät hatte ich gerade nicht nötig. Cassia auch nicht. Während der Schiffspassage war sie dünn wie ein Strich geworden. Während ich einige Übungen machte, um meine Glieder zu dehnen, wandte ich mich an Cassia: "Locke du die Zuschauer her!" Hoffentlich war ihr Zeug nicht so nass geworden. RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Cassia - 10-27-2023 Dabei hatte sie ihrem Herrn doch nur etwas gutes tun wollen, in dem sie ihren eigenen, wenngleich reichlich verschlissenen Umhang, an den Dunkelhaarigen weiter gereicht hatte. Schließlich zupfte das Mädchen ihren zerschlissenen Umhang erneut selbst um ihre schmalen Schultern, während ihr Blick dem ihres Herrn folgte. Gar sehnsuchtsvoll mutete der Glanz in den Augen der Fünfzehnjährigen an, als sie den Männern nachblickte, welche in die nahe gelegene Tabernae gingen. In dieser Tabernae gäbe es wohl etwas warmes zu trinken und vielleicht auch eine warme Mahlzeit. Wobei Cassia, bei dem Gedanken an etwas essbares ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengrube fühlte und diesen Gedanken sogleich verdrängte. Aber einen Becher Würzwein, auch wenn sie nicht wusste ob ihr Nicander dieses Getränk überhaupt erlauben würde. Hauptsache etwas warmes. Und ihrem Herrn würde dies ebenfalls gut tun. “Wo sollen wir auftreten? Vor dieser Tabernae dort drüben?“ Wollte Cassia von dem Älteren wissen und blickte abermals in Richtung des Gebäudes, in dem immer wieder Männer hinein gingen und weniger durch die Türe ins freie traten. Ihre Finger rieb Cassia unter ihrem Umhang aneinander. Ebenso wie ihr Herr trug das Mädchen ebenfalls eine Tunika aus bunten Stofffetzen. Während sich an ihren Hand- und Fußgelenken Kettchen befanden, an denen leise klingende Glöckchen befestigt waren. Eine dieser Kettchen hatte ihr Nicander geschenkt und jenes Kettchen würde Cassia auf ewig in Ehren halten. Peinlichst achtete sie darauf, dass ihr dieser wertvolle Schmuck nicht verloren ging. Wenn man sich Cassia jedoch genauer betrachtete, dann wird einem auffallen, dass das Mädchen viel zu dünn war und ihr Gesicht spitz anmutete. Ein deutliches Zeichen von Unterernährung. Ebenso wirkten die Beine ihres Herrn äußerst mager. “Ja, Herr.“ Ließ Cassia ihr Stimmlein erklingen und begann sogleich in ihrem Beutel zu kramen. Hoffentlich waren ihre Feuersteine nicht allzu nass geworden, so dass diese unbrauchbar wurden. Erleichtert atmete Cassia aus, als sie die trockenen Feuersteine unter ihren Fingerspitzen erfühlen konnte. Zeitgleich zog sie eine lange Schnur hervor. An eben jener Schnur befanden sich in unterschiedlichem Abstand Spinningelemente, welche Cassia sogleich in Brand steckte. Peinlichst genau achtete das Mädchen darauf, dass sie dabei niemanden gefährdete. Schon wirbelte sie das Seil durch die Luft, während die brennenden Elemente um sie herum tanzten und es wirkte, als würde Cassia selbst in Flammen stehen. RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Nicander - 10-30-2023 Ich zog Cassia zu der Taberna, von wo die köstlichsten Gerüche an unsere Nasen drangen. Waren das Bohnen, Zwiebel und Speck? Mein Magen zog sich zusammen. Cassia hatte mit ihrem Auftritt begonnen. Die Feuerfackeln wirbelten um sie herum und tauchten sie in hellen Schein, wobei ihr zimtfarbenes Haar, was ihr ihren Künstlernamen verliehen hatte, aufleuchtete. Cassia hatte auch noch ihren Bauernmädchennamen: Malakeh bint Nasim, doch auf den Bühnen des Imperiums würde sie als Cassia bekannt werden. Oh, ich träumte schon wieder. Dabei war ich dabei, eilig die Münzen, die uns Leute zuwarfen, aus dem festgetretenen Schlamm und zwischen den Ritzen heraus zu puhlen, um sie in meinem Beutel verschwinden zu lassen. Es waren vorwiegend Asse. Da sich nun genügend Publikum eingefunden hatte, beschloss ich, ein szenisches Stück zu tanzen und zu spielen. Etwas Einfaches natürlich. Das Publikum bestand aus Hafenarbeitern, Matrosen, Sklaven und Huren, die auch eher einfach gestrickt waren. " Paris, Prinz von Troja, hütete die Schafe seines Vaters. Da erschienen ihm der Götterbote Mercur mit drei Göttinnen.....", ich nahm meinen Schäferstab und band ein rotes Halstuch um. " Warum hütet der Schafe, wenn er ein Prinz ist?" "Genau, ein Prinz würde doch keine Schafe hüten!" "Doch! Das war früher so. Die Schafe waren ein wertvoller Besitz" Ich hätte weiter ausholen müssen. Paris war ein Verbannter. Die Leute schienen die Vorgeschichte nicht zu kennen: " Dann kann sein Vater kein bedeutender König gewesen sein!" Ich überhörte es: " Paris sang: Des Nachts zähle ich die Sternschnuppen, und tagsüber des Vaters Vieh an Fleisch, Kuchen und leckeren Suppen überlade ich mir den Magen nie" Cassia und ich genauso wenig, dachte ich. Und weiter ging es: "Die eine Göttin war hohen Wuchses und trug eine Krone und Pfauenfedern - Cassia bitte!" Cassias Aufgabe war es nun, mir meine Requisiten zu reichen bzw abzunehmen. " Die "Krone" aus bemaltem Papyrus war reichlich ramponiert, doch ich setzte sie auf den Kopf: "Das war die göttliche Juno, die Himmelskönigin, die Gemahlin des Iuppiters. Die nächste Göttin war ein Bld von einer Frau und trug einen Harnisch und einen Helm", der Harnisch war auf eine Tunika aufgemalt, aber der Helm war echt: "Das war die unsterbliche Minerva, die Göttin der Weisheit" , ich fasste meine Tunika mit zierlicher Geste: "Die Dritte der Göttinnen war in duftige Seide gehüllt und trug auf dem Haupt einen Blumenkranz. Ihre schmale Taille war gegürtet. Das war Venus, die Göttin der Liebe und der Schönheit Wir sind gekommen auf der Sterblichen Welt Nur eine kann siegen, die Paris gefällt ......." Und so weiter. Paris entschied sich für Venus, das Verhängnis nahm seinen Lauf, und weitere Münzen flogen uns zu. Ich zählte, wir hatten zwanzig Asse, das würde reichen für Wein und Suppe und zwei trockene Plätzchen und noch für die hiesigen Thermen. Wir fanden die Thermen nicht, aber es gab ein kleines und billiges privates Balneum in der Nähe. Wir badeten und sehr manierlich traten wir dann in die Taberna, vor der wir aufgetreten waren. Wenig später hockten wir auf einer Bank uns gegenüber und tauchten unsere Löffel in eine große Schale Hühnersuppe, in der sogar Hälse und Krallen schwammen. Sie war so heiß, dass ich meine Hände daüber hielt, um sie zu wärmen. "Greif zu, Cassia, greif zu", sagte ich zu dem Mädchen: "Heute haben wir gut zu essen" Ja heute. Aber Morgen nicht mehr. Cassia war dünn wie ein Strich. Als ihr Herr hatte ich für sie zu sorgen, und mehr und mehr wurde mir bewusst, dass ich das kaum konnte. Ich seufzte und dann entfuhr mir: "Bei einem anderen Dominus würde es dir besser gehen. Du hättest jeden Tag reichlich Nahrung und zweimal im Jahr eine neue Tunika" RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Cassia - 10-30-2023 Den sanften Zug ihres Herrn spürte Cassia und so folgte sie dem Dunkelhaarigen in Richtung der Taberna. Als auch schon köstlichste Wohlgerüche dem Mädchen entgegen schlugen, so dass Cassia abermals den Eindruck hatte, ihr Magen würde seinen Inhalt nach oben katapultieren. Augenblicklich wandte sich die Fünfzehnjährige ab und atmete tief durch, in dem sie ihren Arm vor ihren Mund hielt. Zwar duftete ihre zerschlissene Tunika nun nicht unbedingt nach Rosen, aber dadurch gelang es Cassia ihren revoltierenden Magen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Doch jetzt galt es erst einmal, den hier Anwesenden eine Show der Superlative zu bieten. Die Spinningelemente hatte Cassia geschickt entzündet, wobei sie peinlichst darauf achtete, dass sie mit den Flammen niemanden verletzte. Schon wirbelten die Feuerfackeln um das Mädchen herum und hüllten Cassia regelrecht ein. So dass man den Eindruck gewinnen könnte, die Braunhaarige wäre eine Feuergöttin. Selbstvergessen ließ Cassia die Feuerfackeln um sich herum wirbeln, während ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen erschien. Die Wärme der Fackeln ließ Cassia nun nicht mehr ganz so arg zittern. Zugleich hatte sich eine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen gebildet, was ihr einen äußerst konzentrierten Gesichtsausdruck verlieh. Ein deutliches Zeichen, dass ihre artistischen Kunststücke wohl nicht ganz so einfach waren, wie es dem geneigten Zuschauer eventuell vorkommen musste. Und da begannen auch schon die ersten Münzen in ihre Richtung zu fliegen. Münzen die geschickt von ihrem Herrn eingesammelt wurden. Später müssten sie zählen, wieviele Münzen ihr Auftritt eingebracht hatte. Auch wenn die Zuschauer am Hafen wohl kein allzu zahlungskräftiges Publikum sein konnte, so waren es doch immerhin Münzen, die vor ihnen im Schlamm lagen. Das sich mittlerweile ein Kreis um die beiden Schauspieler gebildet hatte, ließ Cassia vergnügt vor sich hin lächeln. Während sie ihre Feuerfackeln weiterhin um ihren Körper wirbeln ließ. Immer wieder baute sie andere Kunststücke in ihre Vorstellung ein. Während es nun Nicander war, der die Aufmerksamkeit der Menschenmenge auf sich zog und Cassia ihre Feuerfackeln langsam sinken ließ. Geschickt löschte das Mädchen das Feuer und verstaute ihre Fackeln in ihrem Beutel. Anschließend trat sie etwas in den Hintergrund, als Nicander mit einem szenischen Stück begann. Jenes Stück kannte Cassia bereits in- und auswendig. Und dennoch war sie noch immer fasziniert davon, wie Nicander mit dieser schlafwandlerischen Sicherheit das Stück vortrug. Seine Bewegungen waren anmutig und seine Stimme wunderschön anzuhören. Dabei vergaß Cassia beinahe, die Münzen aufzusammeln, welche immer wieder in Richtung der beiden Künstler geworfen wurden. Schließlich war es an Cassia, ihrem Herrn die Requisiten zu reichen, die er während seinem Stück benötigte. Einige Zuschauer, besonders die Frauen, meistens Dirnen, brachen in regelrechtes Verzücken aus. Sogleich schoss Cassia giftigte Pfeile in Richtung eben jener Frauen, was natürlich nur metaphorisch zu bezeichnen war. Schließlich fand das Stück ihr Ende und Cassia reichte Nicander die Münzen, die sie selbst gesammelt hatte. Nicander entdeckte schließlich en billiges, privates Balneum in der Nähe. Und Cassia war froh, dass sie sich den Schmutz und Staub der Überfahrt vom Körper waschen konnte. Auch ihre Haare wusch das Mädchen, welche sich sogleich um ihren Kopf kringelten. Sauber gewaschen betrat Cassia, nach ihrem Herrn die Taberna und ließ sich Nicander gegenüber auf einer der Bänke nieder. Hungrig tauchte Cassia den Löffel immer wieder in die Hühnersuppe, während ihr die Suppe über das Kinn lief, um sogleich von ihrer geschickten Zunge eingefangen zu werden. Die Wärme der Suppe begann sich augenblicklich in Cassia auszubreiten und ihre Wangen begann sich leicht zu röten. Als ihr Herr dann jedoch diesen tiefen Seufzer tat, ließ Cassia den Löffel augenblicklich sinken und blickte fragend in Nicanders Richtung. Und dann ließ der Ältere die Bombe platzen, welche Cassia bis in ihre Grundfesten erschütterte. Hatte sie gerade richtig gehört? Nicander wollte das sie ihn verließ? “Nein!“ Stieß es sich abrupt über Cassias Lippen hervor, während es in ihren Augen flackerte und sie an Nicanders Seite trat. Augenblicklich fiel das Mädchen vor dem Älteren auf die Knie. “Ich werde dich nicht verlassen Gebieter. Ich gehöre an deine Seite.“ Versicherte Cassia mit ihrer ruhigen Stimme, während sie zu dem Dunkelhaarigen empor blickte. Ihre Finger verschränkte sie unwillkürlich miteinander, da sie bemerkte wie diese leicht zu zittern begonnen hatten. Wie konnte Nicander auch nur so etwas schreckliches aussprechen? RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Nicander - 11-07-2023 "Du gibst mir Widerworte, Cassia? Dafür sollte ich dich auspeitschen", sagte ich und lächelte dabei traurig. Ihre Anhänglichkeit rührte mich. Ich hätte ihr nie etwas getan. Im Gegenteil, ich verteidigte sie so gut wie ich es vermochte gegen die Männer, die ihr etwas antun wollten. Jetzt aber waren wir an einem Punkt angelangt, an dem wir fast verhungerten: "Mit deiner Feuerkunst könntest du in einem patrizischen Haus leben und bräuchtest keine härtere Arbeit tun, als bei den Gastmählern die Gäste zu unterhalten", ich ließ den Kopf hängen: "Vielleicht würdest du ab und an einen freundlichen Gedanken haben an deinen Gebieter Nicander, der obwohl er Thalia stets treu diente, so elendig zugrunde ging" Thalia war die Muse des Theaterspiels. Ich war auch gerade ganz schön theatralisch. fehlte nur noch, dass ich seufzte und mit einer großen Geste über meine Stirn wischte....: "Vergiss meine letzten Worte, liebe Cassia", sagte ich, denn nein, das war forciertes und damit schlechtes Spiel: " Wenn du mich partout nicht verlassen möchtest, wie erscheint es dir denn, wenn wir uns gemeinsam in die Sklaverei verkaufen würden? " Dieser Einfall tauchte plötzlich auf und schien mir genial. Scheinsklaven gab es nicht wenige, und das kam daher, weil man in manchen Häusern besser als Sklave lebte als als freier Mensch auf der Straße. Es gab auch römische Gesetze gegen Scheinsklavenschaft, die ich aber nicht kannte. Ich kratzte mit dem Löffel den letzten Rest Suppe heraus. Ich hatte immer noch Hunger. Draußen prasselte Novemberregen und der Himmel lastete trübe über Londinium. Drinnen tummelten sich wenig vertrauenserweckende Gestalten. Jeder hatte gesehen, dass die Zuschauer uns Münzen zugeworfen hatten, wir mussten also vorsichtig sein. Eben brachte das Schankmädchen jemandem einen großen Teller Dinkelbrei mit Frühlingszwiebeln. Er roch würzig und schwamm in Butter: "Sollen wir davon auch bestellen?", fragte ich Cassia, und winkte auch schon dem Schankmädchen. Es war das typische Mädchen von hier, sommersprossig und mit Kupferhaar. Für ihre milchige Haut hätte manch feine Dame in Antiochia oder Rom getötet: "Bitte eine Schale von dem Puls", bat ich sie. Während wir bedient wurden, wandte ich mich wieder meiner Sklavin zu: " Wir überwintern gemeinsam bei einem Dominus, und wenn der Frühling kommt, hauen wir einfach ab" RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Cassia - 11-07-2023 Jene Widerworte waren durchaus angebracht in anbetracht der Szenerie, die sich vor Cassias Augen auftat. “Du bist mein Gebieter Nicander und darfst über mich verfügen.“ Erwiederte Cassia mit ihrer ruhigen Stimme, wobei sie zu ihrem Herrn empor blickte und ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen Einzug hielt. Denn auch wenn ihr Gesicht eingefallen war und man ihre Rippen deutlich unter ihrer Tunika zählen konnte, so wusste Cassia, dass sie niemals von Nicanders Seite weichen würde. Auch wenn dies bedeutete, dass sie Hunger leiden mussten. So war Cassia doch niemals selbstsüchtig. Im Gegenteil. Ihren Anteil würde sie immer an ihren Herrn weiterreichen. “Ich möchte aber nicht in einem patrizischen Haushalt leben. Nicht ohne dich Dominus. Du hast mich von der Straße geholt und meinem Leben einen Sinn gegeben. Ich werde dich nie verlassen.“ Protestierte Cassia mit glänzenden Augen, während sie zu Nicander empor blickte und sich im nächsten Moment auf die Unterlippe biss, als ihr Herr seinen Kopf hängen ließ. Sachte reckte sich Cassia etwas näher und ließ ihre Fingerspitzen über Nicanders Wange tanzen. Und schließlich kam Nicander wieder zu sich, so interpretierte das Mädchen zumindest die merkwürdig gesprochenen Worte des Älteren, welche dieser vor wenigen Augenblicken über seine Lippen hatte dringen lassen. Augenblicklich begannen Cassias Augen zu strahlen und ihre Arme schlangen sich um den ausgemergelten Körper ihres Herrn. “Wenn dies bedeutet, dass wir nicht voneinander getrennt werden. Möchtest du denn gerne ein Scheinsklave sein Herr?“ Wollte Cassia dann doch von dem Älteren wissen und blickte Nicander mit einem fragenden Ausdruck auf ihrem spitzen Gesichtchen an. Schweigend beobachtete Cassia wie Nicander den letzten Rest der Suppe aus der Schale kratzte und bemerkte dennoch die dunklen Schatten unter seinen Augen. “Du darfst gerne bestellen Herr. Ich bin schon satt. Du aber wirkst noch hungrig.“ Stellte Cassia mit ihrer altklugen Stimme fest und ließ ihren musternden Blick über Nicanders Gesicht gleiten. Als sich im nächsten Moment eines der hiesigen Schankmädchen näherte und einen großen Teller des Dinkelbreis mit Frühlingszwiebeln vor Nicander auf den Tisch stellte. “Du scheinst einen Narren an diesem Gedanken gefressen zu haben. Wie hast du dir das vorgestellt? Welcher Dominus sollte uns aufnehmen und ist das überhaupt erlaubt?“ RE: Die Ankunft der Straßenkünstler. - Nicander - 11-17-2023 "Ich möchte nicht gerne ein Scheinsklave sein, Cassia. Aber ich möchte auch ungern verhungern", seufzte ich und schob die Schüssel mit dem Puls wieder zu der Sklavin zurück: "Du kannst ruhig weiter essen, ich mag diesen Römerpamps eh nicht leiden. Wir sind keine römischen Bürger. Wen sollte es jucken, was wir tun? Wir müssen nur einen Sklavenhändler finden, der uns beide zusammen in sein Sortiment aufnimmt" Die jetzt hereinströmenden Leute sahen leidlich trocken aus. Es hatte vielleicht aufgeklart, und wir konnten noch ein wenig arbeiten. Wenn es dunkel wurde, sahen Cassias Fackeln immer sehr eindrucksvoll aus. Und man würde weder spitze Ellenbogen noch fadenscheinige Umhänge sehen, sondern das, was wir der Welt zeigen wollten: Schönheit und Kunst. |