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Krankenquartier - Druckversion

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Krankenquartier - Decimus Balventius Varro - 11-29-2022

In der Nähe der Barracken, in einem ehemaligen Lagerschuppen wurde eine Krankenstation errichtet, welche die Forschung an der Bleikrankheit und die Versorgung der Erkrankten sicherstellen soll.
Und mit "errichtet" ist gemeint, dass notdürftig die Löcher und Ritzen gestopft wurden, um ein ordentliches Lager für den Medicus sowie ein paar saubere Betten und ein Arbeitsplatz hineingestellt wurden. Es ist zumindest ein Provisorium, bis man die Gelegenheit hatte, eine bessere Station zu errichten. Zwei Wachmänner sind abgestellt, um die Wünsche des Medicus zu erfüllen.


RE: Krankenquartier - Flavianus Pytheas - 11-30-2022

Das Krankenquartier war besser, als man unter diesen Umständen erwarten konnte. Es war leidlich sauber.
Pytheas führte seinen Esel mit seinem medizinischen Gepäck vor den Schuppen, lud ab und grüßte die beiden Wachmänner. Er nannte dabei seinen Namen.

Dann notierte er auf einer Wachstafel, welche Patienten er suchte. Es waren nicht die Schwerkranken. Es waren die noch Arbeitsfähigen mit leichten oder mittelschweren Symptomen. Er las den Text den zwei Wachmännern vor:

- Fallhand, die Hand kann plötzlich nicht mehr angehoben werden
- Bleikolorit, blass-grau-gelbe Verfärbung der Haut,
- Darmkoliken,
- Bleisaum, ein blauschwarzer dünner Streifen um die Zahnhälse
- diffuse Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit

Dann drückte der Grieche beiden die Tabula in die Hand:
"Bringt mir bitte etwa dreißig erkrankte Arbeiter her", befahl er und mit einem feinen Lächeln: "Und bevor sie herkommen, erlaubt ihnen bitte, sich gründlich zu baden. Wir wollen doch keine Läuse hier haben"
Er dachte jedoch daran, dass Balventius Varro den Gestank ungewaschener, kranker Leiber schlecht ertrug, weniger an Parsiten.  Ansonsten waren die erwarteten Sklaven nicht wie die Moribunden bettlägerig. Sie konnten durchaus selbstständig zu den Latrinen oder sich waschen gehen.

Pytheas brauchte so eine große Gruppe,  um mit verschiedene Versuchsreihen gleichzeitig anzufangen. Er selbst würde nicht die ganze Zeit anwesend sein. Jede Woche zwei Tage hatte er sich vorgenommen, dann war der Fortschritt bei den Kranken hoffentlich schon zu sehen. Sobald ein Mittel anschlug, würde er es Ritter Balventius bringen, und damit konnten sie hoffentlich den Ausbruch der Bleikrankheit eindämmen.

Als die Wachmänner fort waren, schaute Flavianus Pytheas sich um und probierte kurz das Lager aus, in dem er sich lang hinlegte. Er hatte schon schlechter geschlafen. Ob es hier ein Bad gab? Er badete täglich, manchmal sogar gerne zweimal.

Der Medicus ging zur Tür, und etwas gedankenverloren probierte er aus, ob sie zuging. Er besaß keinen Schlüssel dazu. Das fand er schade; er schloss so gerne Türen hinter sich ab.


RE: Krankenquartier - Decimus Balventius Varro - 11-30-2022

Varro war wirklich nicht zimperlich. Er war niemand, der sich vor Arbeit scheute und hasste es, mit verwöhnten Weicheiern herumzuhängen. Doch der Anblick und Geruch in der Barracke hatte ihn insgeheim erschüttert. Die gravierende Situation war ihm bewusst geworden. Er saß ziemlich dick in der Tinte, denn natürlich erwartete der Kaiser ein Auskommen. Gleichzeitig waren die politischen Verstrickungen kompliziert und die letzten Reste seines eigentlich sorgfältig abgetöteten Gewissens meldeten sich. Verflixt!
Jetzt jedoch ging es nicht darum, nein. Stattdessen wollte er sich bei dem Medicus darüber erkundigen, was er denn von der Krankenstation hielt und ob er etwas benötigte. Er war bei weitem nicht jemand, den sowas normalerweise interessierte, aber den kleinen Medicus wollte er ein wenig beeindrucken. Nicht nur, um nach dessen gut getarnter Drohung nochmal klarzustellen, wer hier der Chef war, sondern auch... nun, einfach so, sagte er sich. Obwohl er schon ein recht hübsches Gesicht hatte...

"Ich hoffe, es ist alles in Ordnung?"; fragte er, ohne sich anzukündigen und trat einfach ein. Privatsphäre respektierte er, vorausgesetzt, es handelte sich nicht um seine eigenen Räumlichkeiten. "Ich habe mich bemüht, deine Bedürfnisse zu stillen, aber wenn du noch mehr benötigst, solltest du es Flavian im Haupthaus wissen lassen, sofern er anwesend ist. Ansonsten wird jeder andere deine Nachricht entgegennehmen. Reicht dir die Station für deine Zwecke?"


RE: Krankenquartier - Flavianus Pytheas - 12-12-2022

Pytheas zuckte leicht zusammen, als Balventius eintrat. Er hätte damit rechen können, denn der Ritter war der Herr über alle Räumlichkeiten auf dem Gelände und konnte hingehen, wohin es ihm beliebte; dennoch hatte sich der Medicus einen Moment davon aus dem Gleichgewicht bringen  lassen. Einen Moment lang fühlte er wie die Vergangenheit in ihm aufstieg, aber dann wusste er wieder, dass die Vergangenheit eben das war, was ihr Name schon sagte: vergangen. Dennoch verwirrte ihn etwas an dem Römer, ein leichter Anflug nur. Nicht Gefahr, es war etwas anderes:

"Es ist alles in bester Ordnung, danke der Nachfrage, edler Ritter Balventius. Jetzt warte ich Morgen früh nur noch auf die Probanden, da habe ich den Wachen bereits Anweisungen gegeben", sagte er und sah auf:

"Schau, ich habe mehrere Substanzen auf meinem Esel mitgebracht, die das Potential haben, das verderbliche Blei im Körper zu binden. Ich will mit Tonerde, den Pflanzen Medicago Sativa, Schachtelhalm, Brennessel und Goldrute als Aufguss und mit Pflanzenkohle experimentieren. Und da der große Gelehrte Varro meint, dass alle contagia auch durch Körperöffnungen eindringen können, wollte ich sehen, ob man diese nicht verschließen könnte"
erklärte er eifrig, obwohl er nicht wusste, ob das den Minenpächter interessierte. Die Medizin war wie ein großes Schutzschild, hinter dem sich der Freigelassene verbergen konnte. Hier sprach er mit Autorität, und er senkte auch nicht den Blick.


RE: Krankenquartier - Decimus Balventius Varro - 12-12-2022

"Ich schätze deine Bewunderung, ein Gelehrter bin ich jedoch nicht", antwortete Varro so trocken, dass man es glatt für Ernst hätte halten können. "Das klingt ja alles wunderbar. Aber sind Körperöffnungen nicht für etwas gut? Ich meine... Zum Riechen. Zum Essen. Oder willst du ihnen die Augen zunähen?"
Das klang blutrünstiger, als er Pytheas zugetraut hatte.
"Schön, ich lasse dir freie Hand. Nur, falls es... blutiger zugehen sollte als gedacht, halte deine Forschung diskret. Ich kann keinen Aufstand brauchen.
So oder so erwarte ich Ende der Woche einen Bericht. Ich werde einige Tage nach Iscalis zurückkehren. Dort wirst du mich vorfinden. Und jetzt überlasse ich dich deinen Forschungen, Medicus."


RE: Krankenquartier - Flavianus Pytheas - 12-17-2022

Flavianus Pytheas fragte sich einen Augenblick lang, ob Eques Balventius seinen Vorschlag mit dem Augenzunähen ernst meinte. Man wusste, dass die Pferde in den Minen erblindeten; die Sklaven taten es, sofern sie so lange Zeit überlebten, auch und brauchten ihre Sehfähigkeit in der ewigen Dunkelheit wirklich nicht:

"Die Augen, nein, das wird nicht nötig sein", antwortete er freundlich, bevor er darauf kam, dass Balventius das vielleicht ironisch gemeint haben könnte. Pytheas verstand grundsätzlich keine Ironie:
"Das Contagion dringt eher durch Mund und Nase ein. Ich dachte daher an in gewisse Flüssigkeiten getränkte Masken, die die Arbeiter in der Mine tragen könnten. Um sie zu testen, müsste ich die Männer feingemahlenen Bleiglanz aussetzen, doch blutig wird es nicht werden - zumindest anfangs nicht. Falls einer daran stirbt, müsste ich ihn später obduzieren",
die weiteren Worte ließen ihn aufhorchen, und er nickte:
"Ich soll in dein Haus in Iscalis kommen? Gut bis Ende der Woche dann...", 

Später kehrten die Wächter mit dreißig Sklaven zurück, die in Ketten aneinander gebunden waren. Einige wirkten scheu, andere wirkten wie Kerle, denen keiner im Dunkeln begegnen wollte. Das waren die verurteilten Räuber und Halsabschneider, Mörder und rebellischen Haussklaven. Das waren keine Vestalischen Jungfrauen:

"Setzt euch alle bitte auf den Boden", sagte Pytheas und musterte sie kühl:
"Ich habe euch etwas mitzuteilen. Damit ihr wisst, mit wem ihr es zu tun habt: Ich bin Medicus Flavianus. Der Kaiser in seiner Großmut und euer Herr, Eques Balventius Varro haben beschlossen, euch medizinisch behandeln zu lassen. Ihr seid alle krank, denn sonst wärt ihr nicht hier. Macht euch klar, dass es ein Privileg ist, hier zu sein"

Er senkte seine Stimme und sprach leise, doch sehr klar und akzentuiert:
"Wer dieses Privileg nicht zu schätzen weiß, wird bestraft werden. Wie, das wollt ihr gar nicht wissen. 
Doch glaubt mir, dass der Tod des Betreffenden genauso effizient wie abschreckend sein wird. Ich hoffe, ihr habt mich verstanden"


RE: Krankenquartier - Flavianus Pytheas - 01-31-2023

>>>   Die meisten Männer schliefen, angekettet an ihre Lager, schon. Nur im Vorraum des Krankenquartiers brannten noch Öllampen. Ein Tisch war gerichtet worden: Zwei Becher, ein Krug Wein, ein Krug Wasser und ein Krug lauwarmes Bier; Puls, Weizenbrei mit allerlei gekochtem Gemüse, Brot und Käse. Nichts Außerordentliches oder sehr Fettes; Pytheas wusste, dass Maddoc nach der Gewöhnung an karge Kost kein reichhaltiges Mahl vertragen würde.
Der Medicus wartete darauf, dass die Wachen den Sklaven anliefern würden, damit er sich mit ihm unterhalten konnte.


RE: Krankenquartier - Madoc - 01-31-2023

Frisch gewaschen und in eine neue Tunika gehüllt, brachten mich die Wachen zum Krankenquartier. Lediglich mein Haar war noch etwas feucht. Vom Schmutz der Mine befreit fühlte ich mich gleich besser! Sogar die Müdigkeit war nun wieder etwas zurückgedrängt worden. wenigstens für eine Weile. Was immer der Medicus auch mit mir vorhatte, ich würde noch eine Zeit lang aushalten, ohne dass mir die Augen zufielen.
Ich war zuvor noch nicht im Krankenquartier gewesen. Dafür war ich wohl auch noch nicht lange genug hier. Ich gehörte nicht zu denen, die bei jedem Wehwehchen herumjammerten. Daher war mir Pytheas bis jetzt auch nie aufgefallen. Beim Eintreten sah ich mich sofort um. Es brannten einige Öllampen in deren Schein ich schließlich einen gedeckten Tisch ausmachen konnte. Zwei Becher standen da und mehrere Krüge mit Getränken. Irrte ich mich oder roch ich da den Duft von Bier? Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, seit ich zum letzten Mal Bier getrunken hatte. Dann entdeckte ich auch einige Speisen. Puls, Brot und Käse. Besonders der Duft von Brot und Käse ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Doch dann besann ich mich wieder und dachte an den Honig, den der Medicus mir ums Maul zu schmieren versucht hatte. All diese Leckereien, die da vor mir aufgetischt waren, hatten gewiss ihren Preis! Der Kerl würde sicher nicht aus reiner Menschenliebe einen solchen Aufwand betreiben. Fragend sah ich ihn an.


RE: Krankenquartier - Flavianus Pytheas - 02-01-2023

Nachdem der Mann vom Dreck befreit war, konnte man erst so richtig die kühnen Züge erkennen, und die wache Intelligenz in den Augen. Pytheas wies auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tischs:
"Die Fesseln könnt ihr abnehmen. Wohin sollte er schon fliehen?", sagte er zu den Wachen. Er wusste, dass die Männer keine Vestalinnen waren, einige waren gewiss gefährlich. Doch Tag und Nacht in Ketten war ihrer Gesundheit nicht zuträglich:
"Du darfst dich setzen, Madoc. Trinke und iss erst einmal richtig. Bier gefällig?", er nahm den Krug und schickte sich ganz wie ein Mundschenk an, den Kelten zu bedienen, ohne zu überlegen, wie seltsam das dem Sklaven vorkommen musste.
Er selbst goss sich Wasser ein und nahm ein Stück Käse:
"Warum bist du zu den Minen verurteilt worden?", fragte er geradeheraus.


RE: Krankenquartier - Madoc - 02-01-2023

Der Medicus schien wohl ziemlich furchtlos zu sein, denn er forderte die Wachen dazu auf, mir die Ketten abzunehmen. Einen Moment lang sahen sie ganz schon verdutzt aus. Damit hatten sie am wenigsten gerechnet. Dennoch folgten sie seinem Befehl.

Das Eisen hatte bereits seine Spuren an meinen Handgelenken hinterlassen. Das ständige Reiben verursachte wunde Stellen, die wenn sie fast schon wieder verheilt waren aufs Neue aufbrachen. Mit meinen Händen rieb ich meine Handgelenke. Auch wenn ich es mir nicht anmerken lassen wollte, war ich doch dankbar für diese Geste.
Was mich dann noch mehr verwirrte, war seine Erlaubnis mich setzen zu dürfen und zuzugreifen. Ebenso die Frage nach dem Bier! Das alles so ganz ohne eine Gegenleistung? Oder folgte die erst, wenn ich ordentlich zugelangt hatte und mir dann schließlich der Bissen im Hals stecken blieb? Ich zögerte erst einen Moment. Jedoch war ich viel zu hungrig, um sein Angebot abzulehnen. Also nahm ich Platz und bediente mich beim Brot und beim Käse. "Ja, bitte! Bier!" Daraufhin schenkte er mir ein, als wäre es das Normalste auf der Welt. Ich wurde aus Pytheas nicht schlau. Doch vielleicht würden im Laufe unseres Gesprächs noch einige Antworten folgen.
Ich dankte für das Bier und nahm einen großen Schluck. "Ahhh, das ist gut!" Dann biss ich ein Stück vom Brot und danach vom Käse ab. Der Medicus hielt sich eher an das Wasser. Er wusste eben nicht, was gut war!
"Nach meiner Gefangennahme hatten sie mich zuerst in einen Ludus geschickt, weil sie aus mir einen Zirkusclown machen wollten. Aber nachdem ich dem Lanista den Schädel eingeschlagen hatte, schickte man mich zu den Minen, "  antwortete ich ebenso geradeaus biss danach noch einmal herzhaft ins Brot. Den Bissen spülte ich mir einem weiteren Schluck Bier hinunter. Aus meiner Abneigung gegen die Römer machte ich keinen Hehl. "Was hast du mit mir vor? All deine Gaben und deine Freundlichkeit dienen doch sicher einem gewissen Zweck. Oder?" Ich hielt nichts davon, lange um den heißen Brei herum zu reden, sondern zog es vor, ihn direkt nach seinen Absichten zu fragen.