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Normale Version: Tablinum | Der erste Tag in Iscalis
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Nachdem Menecrates gewaschen und angekleidet war, schlenderte er guter Dinge zum Tablinum. Hinter ihm lag eine erholsame Nacht in Überlänge samt wundervollem Traum, und da der alte Mann jede der erste zwölf Träume im neuen Heim auf einen der kommenden Monate umlegte, musste zumindest dieser erste Monat wundervoll verlaufen.
Im Tablinum angekommen, wunderte er sich, dass ihn kein Gast erwartete, denn dessen Ankunft wurde ihm mitgeteilt, als er noch die Nachtkleidung trug. Vielleicht ging der weibliche Gast einem dringenden Geschäft nach, um anschließend wieder zurückzukehren. In der Zwischenzeit bezog Menecrates eine der Clinen und wartete darauf, dass aufgetragen wurde.
Bei meiner Wuselei durch die Villa kam ich am Tablinum vorbei und sah ich einen Sklaven, der Frühstück für den Consul auftragen wollte. Bei geneauerem hinsehen entdeckte ich auch ihn wie er so da saß und auf sein Frühstück wartete. Wieso wollte der jetzt alleine frühstücken und kümmerte sich nicht um den Gast. War sie also doch keine Verwandte? Wieder einmal juckte meine Kopfhaut. Nach einem kräftigen Reiben trat ich ein. „Salve Claudius Menecrates, hattest du eine gute Nacht?“ Blickte mich noch einmal um, ob nicht doch für eine weitere Person gedeckt wurde. Nein, natürlich war das nicht der Fall. „Das war also doch keine Verwandte? Soll ich jemanden benachrichtigen, weil sie sich unter einem falschen Namen hier eingeschlichen hat?“
Prima das fing ja richtig gut an. Dieses verdammtes Britannien. Warum nur hatte man mich mit hierhin verschleppt. Schlimmer noch. Ich hatte mich gefreut. War ganz gespannt darauf etwas Neues kennen zulernen.
Linos kürzte die Wartezeit ab, indem er Menecrates in ein Gespräch verwickelte, was dem Claudier nicht ungelegen kam.
"Salve Linos, wenn jede Nacht wie diese verläuft, werde ich einhundert Jahre alt durch gesunden und erholsamen Schlaf samt schöner Träume." Er lächelte zufrieden und verkniff sich das Eingeständnis, dass der Nacht ein verschlafener Vormittag folgte. Das Lächeln verschwand, weil er den suchenden Blick seines Verwalters zwar bemerkte, aber nicht deuten konnte, doch glücklicherweise folgte die Aufklärung, die er allerdings nicht auf Anhieb verstand. Seine Brauen hoben sich, während er nachdachte.
"Verwandte?" Bisher wusste er nicht, welcher Art der Gast war, doch im selben Moment, wo er es erfuhr, kam die Richtigstellung. "Doch keine Verwandte? Was ist sie denn? Will sie Obdach?" Blitzschnell ging er weitere Szenarien durch, worin der Gast eine Spionin, eine Diebin, eine Händlerin oder einheimische Priesterin verkörperte.

"Ist sie gegangen oder wurde weggeschickt?" Wahrscheinlich fehlte deswegen das zweite Gedeck, weil der Gast nicht mehr in der Villa weilte, so dachte Menecrates. Erst nachdem er sich vollständig orientierte, würde er auf die Frage nach der Strafverfolgung antworten können, wobei sich der Hausherr keinen schlechteren Start in den Tag und das Provinzleben vorstellen konnte. "Wie sah sie denn aus?" Eventuell ließ sich vom Aussehen das gescheiterte Vorhaben ableiten.
Ich verstand gerade gar nichts mehr. Warum saß Lucretia Serena denn nicht bei Claudius und frühstückte mit ihm? „Nein Lucretia Serena sitzt im Artrium und frühstückt. Hat man das dir denn nicht mitgeteilt? Für sie war es selbstverständlich, dass du eine Nachricht bekommen hättest. Die Sklavin meldete sie mit den Worten, die ehrenwerte Lucretia Serena, Tochter der Claudia Maximina begehrt Einlass, an. Mir ist der Name unbekannt. Sie aber behauptete du wärest benachrichtigt worden, so schickte ich nach dir und ließ sie sich erfrischen, bot ihr Essen und Trinken an und hieß sie im Atrium zu warten, bis du Zeit hättest.“ Während ich es aussprach, wurde mir klar, wir brauchten in der Villa unbedingt eine ordnende Hand. Schließlich konnte ich nicht überall gleichzeitig sein.
Bei der Frage von Claudius , wie sie denn aussah, zog sich ein schwärmerisches Lächeln über mein Gesicht. Ehe ich mich versah, entschlüpfte mir ein: „Wunderschön“. Erschrocken über mich selber, räusperte ich mich verlegen und schaute gegen Himmel.
Erneut hoben sich seine Brauen, aber dieses Mal aus Irritation. Endlich wurde ihm der volle Name des Gastes genannt und die Erkenntnis brach über ihn herein, dass jener tatsächlich verwandt und demnach wohl auch angemeldet sein musste. Menecrates setzte sich auf.
"Wieso sitzt sie im Atrium? Ich habe angewiesen, für mich und den zunächst unbekannten Gast im Tablinum zu servieren." Er schüttelte den Kopf, während er sich über den Verlauf unterrichten ließ. "Wir müssen dringend an der Kommunikation und den Abläufen in der Villa arbeiten", stellte er fest, während seine Brauen sich flüchtig zusammenzogen und er sich wünschte, dass das Leben in der neuen Provinz zukünftig in ruhigeren Bahnen verlief.
Anschließend überlegte er, wie die Situation bereinigt werden konnte. Möglich wäre, aufzustehen und selbst ins Atrium zu gehen, was ein Ausdruck von Höflichkeit wäre. Gleichzeitig gab es dieses Altersgefälle, weswegen ein Greis nicht unbedingt dem Gast entgegenlaufen musste, sondern ihn erwarten konnte - selbst in dieser verunglückten Situation.
"Linos, würdest du bitte die Dinge für mich richten. Geh ins Atrium und führe Serena zu mir. Die Sklaven sollen ihr Gedeck herbringen."

Als Linos zu schwärmen begann, hoben sich Menecrates' Augenbrauen ein drittes Mal, während seine Neugier auf Lucretia wuchs.
Natürlich würde ich diese Dinge richten, wer auch sonst. Wer war also für dieses heillose Chaos verantwortlich? Ich selber? Christina? Menecrates selber? Eigentlich keiner von uns und dennoch jeder. Mir kam ein Gedanke und gleich versuchte ich ihn in Worte zu fassen und mitzuteilen. „Natürlich versuche ich es zu richten, doch vorher kurz ein Wort zur Sklavenfrage. Wie du schon ahntest ist das Angebot hier mehr als gering. Einen einzigen Sklaven konnte ich erstehen. Er scheint ein guter, sehr williger Bursche zu sein. Bei entsprechender Anleitung könnte er mehr als in der Feuerkammer, das Hypocaustum (Unterfeuer) mit Brennmaterial versorgen. Auch wenn er nicht lesen kann, spricht er Latein. Bran ist sein Name und er könnte sich um dein persönliches Wohlergehen sorgen, dein Leibsklave sorgen und Christina hätte freie hand für andere Angelegenheiten.“ Ich fand da war eine gute Idee, Christina kannte sich im Ablauf des Tagesgeschehen in der Villa aus und war damit für diese freigestellt. Ich wollte Claudius Zeit lassen über diese Frage nachzudenken und fügte hinzu: „Doch nun kümmere ich mich zuerst um unseren Gast.“ Damit eilte ich hinaus.
Nach dem kleinen Unfall im Atrium, der durch die flinken Hände von Cristina beseitigt worden war, kam ich mit Linos und Cristina ins Tablinum. Die Nervosität und Unsicherheit standen mir ins Gesicht geschrieben und ich zupfte erneut an meiner Tunika herum, um den Wasserfleck auf Höhe meines Knies in meiner Tunika zu verbergen. 

Nach der langen Reise war meine Kleidung ein wenig faltig und mein Haar hätte auch einen Kamm vertragen können, obwohl es noch halbwegs in Ordnung aussah. Ich hatte mir immerhin Gesicht und Hände waschen können und mir wurde duftendes Blumenöl gebracht, von dem ich zwei, drei Tropfen aufgetragen hatte. 

Einmal kurz Durchatmen und nun war es an mir den Anfang zu machen. "Salve, Claudius Menecrates. Ich bin Lucretia Serena, Tochter der Claudia Maximina. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen." So stand ich da und wartete, bis er mir einen Platz zuwies an seinem Tisch.
Menecrates hörte sich Linos' Ausführungen und nachfolgenden Vorschlag an, bevor er den Mund verzog und antwortet. "Nur einen Sklaven", wiederholte er. "Dann wird dir nichts Anderes übrigbleiben, als täglich bei Marktöffnung anwesend zu sein, damit uns keine Möglichkeit entgeht. Ein Dutzend Sklaven benötigen wir mindestens." Es gab nicht nur den Haushalt, sondern auch den Garten, Gemüsefelder und Tiere zu versorgen. Zur Erntezeit im kommenden Jahr mussten sie sogar das Dreifache an Personal besitzen, denn angeheuerte Landarbeiter kosteten Geld.

Dass er bei sich selbst Abstriche machen musste, plante Menecrates bereits ein, und wie erwartet, kam es auch: Sein neuer Leibsklave musste erst angelernt und zusätzlich unterrichtet werden, damit der Claudier nicht mehrere Sklaven für die verschiedensten Anforderungen benötigte. Den Luxus, einen Sklaven einzig für seine Grundbedürfnisse zu haben, gönnte er sich nicht.
"Er muss schreiben lernen, Linos. Mein Leibsklave muss immer um mich herum sein, aber Handreichungen alleine genügen nicht.  Sobald mir etwas einfällt, muss er es auch festhalten können. Hast du einen Vorschlag, wer ihn unterrichten könnte?" Linos besaß die Fähigkeit zu unterrichten, aber dessen Aufträge stapelten sich, sodass kaum Zeit dafür abfallen würde. Zumindest schätzte das Menecrates so ein.

"Ja, unser Gast Lucretia", pflichtete der Claudier bei. "Kümmere dich, wobei", er überlegte, bevor er anfügte: "schick diesen Bran gleich mit her." Während der Wartezeit strich sic h Menecrates über den Bart. Es blieb abzuwarten, ob Lucretia Erwartungen mitbrachte oder eine Hilfe darstellte.


Kurz darauf betrat Serena den Raum. Der Eintretende grüßte stets zuerst, was Menecrates in die Lage versetzte, sie zu betrachten. "Salve Serena", erwiderte er lächelnd - von einem Kopfnicken begleitet. "Sieh es einem alten Mann nach, wenn er sich nicht erhebt, und komm stattdessen an meine Seite." Er wies auf die Cline neben sich und verblieb in sitzender Haltung, bis Serena saß, dann legte er sich. "Ich hoffe, die Unwegsamkeiten seit deinem Eintreffen hielten sich in Grenzen. Andernfalls bitte ich das Drunter und Drüber in der Villa zu entschuldigen. Wir sind erst gestern eingetroffen und noch dabei, uns zu sortieren." Er lächelte entschuldigend, bevor er fortfuhr. "Claudia Maximina, ich erinnere mich gut. Welchen Anlass gab es noch, dich auf die Reise zu mir zu schicken?" Menecrates erinnerte sich immer noch nicht. "Mein Gedächtnis", erklärte er schuldbewusst.

Eigentlich müsste Linos mit seiner neuen Errungenschaft ebenfalls auftauchen, dachte der Hausherr bei sich.
Ich folgte der Geste von Menecrates und nahm auf der zugewiesenen Kline Platz. Allerdings blieb ich sitzen und streckte mich nicht aus. Die Nervosität legte sich schön langsam und mein Lächeln verblasste ein wenig bei der Nachfrage nach dem Grund meines Besuchs. "Mein Vater ist vor einigen Wochen gestorben..." Wie sollte ich nur fortfahren? Ich hatte keinen Zugriff auf den Besitz und der Verwalter war ein alter Haudegen, der sich mir an jeder Ecke entgegenstellte. "und ich brauche einen legalen Vormund." 

Wahrscheinlich war es dem alten Verwalter - ein entfernter Vetter meines Vaters, der das Vermögen meines Vaters gerne für sich selbst beanspruchen würde - nur Recht, dass ich zur Familie meiner Mutter verschwand. Als Mädchen zählte ich ohnehin nichts in deren Augen. "Der Besitz meines Vaters wird von einem entfernten Verwandten verwaltet und mir wurde nahegelegt, dich werter Onkel besuchen." Diplomatisch ausgedrückt für fast schon vor die Türe gesetzt.
Bran und ich kamen gerade im Tablinum an, als der letzte Satz von unseren neuen Bewohnerin verklang. Ich räusperte mich. „Verzeiht die Störung. Claudius Menecrates ich möchte dir gerne unseren neuen Sklaven vorstellen. Christina hat ihn schon über seinen Aufgaben in deinem Cubiculum unterrichtet.“
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