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Normale Version: Furius Saturninus bei Owain | Die Saat des Zweifels
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Ich schloss die Tür hinter Saturninus, als er eingetreten war, und ließ seine Worte nachklingen. Mein Verstand arbeitete angestrengt, über Saturninus' Vermutungen was Narcissus betraf. Ein Teil von mir wollte diese Gedanken einfach abschütteln, sie als haltlos und unwahr abtun. Doch ein anderer Teil war von Zweifeln geplagt, von dem nagenden Gefühl, dass es vielleicht mehr gab, als ich bisher wahrgenommen hatte.  Die zurückgegebene Statue und somit der Grund, weshalb der Furier hergekommen war, war mir im Moment herzlich egal.

"Narcissus...", sagte ich leise, während ich versuchte, die Bilder und Erinnerungen an den jungen Mann in meinem Kopf zu sortieren. Ich konnte mich sehr deutlich an unser Gespräch in der Taberna erinnern und daran, dass er Aglaia des Öfteren als seine Schwester und mich als seinen Schwager bezeichnet hatte. Wer wusste schon, wie viel Zeit Aglaia und Narcissus wirklich zusammen verbracht hatten, wenn ich zur Arbeit in der Schmiede war? Und wie innig war ihre Beziehung tatsächlich? Waren das wirklich nur Zeichen einer engen Freundschaft oder steckte da mehr dahinter?
Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich darüber nachdachte, wie nahe Aglaia und Narcissus sich standen. Die Vorstellung, dass sie mir die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte, schürte die Wut in meinem Bauch. Doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben, und beschloss, die Wahrheit herauszufinden, koste es, was es wolle. Mit einem ruhigen Blick wandte ich mich an den Furier. "Furius Saturninus, deine Worte sind schwerwiegend und überraschend. Doch ich kann mir kaum vorstellen, dass Narcissus und Aglaia..." Meine Stimme stockte, und ich spürte, wie die Worte in meinem Hals stecken blieben. Es war eine Vorstellung, die ich kaum ertragen konnte.
Furius' weitere Worte ließen ein Feuer in mir zu lodern beginnen, meine Wut und Eifersucht entfachten sich erneut. Die Gedanken an Aglaia und Narcissus quälten mich, und mein Herz schlug wild vor Verzweiflung. Ich versuchte, meine Gefühle zu unterdrücken, doch sie brodelten unaufhaltsam in mir, wie ein Sturm, der alles mit sich riss.

Schließlich überwältigten mich meine Gefühle so sehr, dass ich kaum noch länger standhaft bleiben konnte. Mein ganzer Körper bebte vor innerer Anspannung, und ich kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Doch letztendlich war es ein Kampf, den ich nur verlieren konnte. Tränen der Verzweiflung rannen über mein Gesicht, als mir wieder bewusst wurde, dass ich nichts mehr tun konnte, um Aglaia zurückzugewinnen. Aber noch schmerzhafter war der Gedanke, dass ich mein Töchterchen so schnell nicht wieder sehen würde. Dieser Stich in meinem Herzen schnürte mir die Kehle zu, als wolle die Verzweiflung mir die Luft zum Atmen nehmen. Ich wünschte mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen, um die Fehler, die ich gemacht hatte, ungeschehen zu machen.

"Ich habe so sehr gehofft, dass wir glücklich miteinander werden könnten. Aber jetzt weiß ich, dass ich sie für immer verloren habe. Und ich kann nicht einmal mehr meine kleine Tochter sehen. Aglaia will Iscalis mit ihr verlassen!", sagte ich mit erstickter Stimme. Seitdem ich die Casa Liciniana verlassen hatte, hatte ich mir mehr als einmal gewünscht, Aglaia nie begegnet zu sein. Stattdessen wäre es einfacher gewesen, sich in einem der Bergwerke der Römer zu Tode zu schuften.
Nachdem Saturninus die Saat des Zweifels gesät hatte, ruderte er zurück, in dem er beide Hände hob:
"Damit will ich nicht behaupten, dass deine Ehefrau schändliche Beziehungen zu Narcissus unterhält. Aber ich bin mir sicher, dass sie ihn mehr um Rat fragt als dich. Bei uns zu Hause nennen wir das: Sie sind zwei Frösche aus dem gleichen Sumpf....Du wirst ihrer Welt nie so angehören wie es ein Hetär tut", es genügte, dass Licinianus Owain zusammen brach. Tränen rannen ihm übers Gesicht. Wie war es, so wahnsinnig zu lieben, dachte Saturninus, der sich solche Liebe vom Hals hielt. 
Owen erzählte nun hastig, dass er alles getan hatte, damit Aglaia glücklich wäre, dass sie aber nun Iscalis mit der gemeinsamen Tochter verlassen wollte.
Saturninus horchte auf: "Sie hat vermutlich erfahren, dass du, da du als Feind Roms in die Sklaverei geraten bist, niemals römischer Bürger werden wirst", sagte er:
"Damit sie das volle Bürgerrecht bekommt, braucht sie auch nur das Kind, nicht dich", 
er schüttelte den Kopf:
"Aglaia ist eine Hetäre, Licinianus Owen. Sie wird immer auf ihren Vorteil bedacht sein. Ich wusste nicht, dass sie Iscalis verlassen möchte. Aber nun gibt es noch mehr Sinn, dass sie auch mit mir gebrochen hat. Vermutlich hat sie bereits einen neuen  Gönner von ihren Vorzügen überzeugt, einer, der ihr beispielsweise eine Villa in Londinum und nicht nur ein neues Seidenkleid kaufen kann"
Saturninus sprach den Namen des neuen Gönners nicht aus, und er wusste auch nicht, ob Aglaia nach Londinium gehen wollte. Es gab noch andere Städte, die Iscalis an Größe überragten. Dennoch hing nun der Verdacht im Raum: Vielleicht war es der Statthalter Petilius Rufus selbst, zu dem sie wollte:

 "Wieso meinst du, deine Frau verloren zu haben? Wenn Petilius Rufus der nächste Glückliche ist, hast du nichts zu befürchten. Er ist nicht eifersüchtig oder würde dich drangsalieren. Womöglich fördert er dich sogar, um seiner Geliebten zu gefallen. 
Ich für meinen Teil habe dich gefördert, weil ich gerne wollte, dass du deine Familie ernähren kannst. Damit sich Aglaia freut. Und du bist wirklich ein guter Künstler, das habe ich jedem gegenüber anerkannt. Ich bin nie dein Feind gewesen"
Natürlich wollte der Römer nichts behaupten, aber er hatte es geschafft, den Zweifel in mir aufkeimen zu lassen. Er redete immer weiter, bis ich mir selbst nicht mehr sicher war, was ich noch glauben sollte. Es klang auch schon plausibel, was er sagte. Umso schlimmer, denn ich hatte ja auch Narcissus um Rat gefragt. Also, was lag näher, dass der Hetär alles dafür getan hatte, dass sich Aglaia von mir trennen wollte? Aber nein, daran wollte ich nicht glauben! Narcussus war aufrichtig zu mir gewesen. Da konnte ich sicher sein. Es war ganz allein Aglaia, die nach einem Weg gesucht hatte, mich los zu werden. So schrecklich das auch nun klang! Doch auch dafür hatte der Furier eine einfache Erklärung, die ich nicht so leicht widerlegen konnte. Von Anfang an hatte Aglaia das volle römische Bürgerrecht angestrebt. Furius‘ Erklärung war verständlich und sehr schmerzlich zugleich. Sie hatte mich nicht mehr gebraucht! Deshalb hatte sie mich fallen gelassen und weggeworfen, wie ein Stück Abfall.
Ich schluchzte, als ich nun erkennen musste, dass alles, was zwischen uns gewesen war, nichts Echtes gewesen war. Aglaia hatte mich aus reinem Eigennutz in ihr Bett geholt und irgendwie hatte sie es geschafft, dass es mir so vorkam, als sei es meine Entscheidung gewesen, sie zu lieben. Zu meinem Schmerz gesellte sich nun auch noch eine ordentliche Portion Wut. Wut auf mich, aber auch Wut auf Aglaia. Wie hatte sie so etwas tun können? Nun brach ich tatsächlich.  vollkommen zusammen. Aber der Furier hörte immer noch nicht auf, mich weiter zu quälen. Er sprach weiter uns mutmaßte, was Aglaia nun nach Londinium trieb. Vielleicht steckte sogar der Statthalter selbst dahinter, denn irgendeinen Gönner würde sie sich auch dort wieder suchen. Es ekelte mich an, als ich daran denken musste, dass sie niemals diesen widerwärtigen Sumpf verlassen wollte. Was würde dann nur aus unserer Tochter werden!

Ich wischte meine Tränen fort und schüttelte den Kopf. "Nein, Aglaia hat ihre Wahl getroffen! Sie ist nicht mehr meine Frau! Und auf die Förderung durch den Statthalter kann ich gerne verzichten!" Lieber wollte ich wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken, als mich noch einmal zum Narren machen zu lassen.
Schließlich versicherte mir noch, er habe mich aus vollkommen uneigennützigen Dingen gefördert und dass er niemals mein Feind gewesen sein. Ich nickte nur betrübt. "Es tut mir leid, dass ich dich falsch eingeschätzt habe." Niemals hätte ich geglaubt, dass ich das einmal sagen würde.
Kaum hatte Saturninus die Worte ausgesprochen, hätte er sie gerne zurück genommen. Aber das konnte er nicht. Denn was einmal gesagt worden war, konnte in alle Ewigkeiten nicht mehr zurück genommen worden. Er hatte ein feines Gespinst aus Verdächtigungen und Halbwahrheiten gesponnen, in dem der Schmied nun zappelte wie eine Fliege im Spinnennetz. Und all das nur aus gekränkter Eitelkeit heraus: ER, Saturninus,  WUSSTE GAR NICHTS genaues über das, was Aglaia eigentlich dachte oder tun wollte. Seine Eitelkeit war gekränkt worden, und das war zerstörerisch genug.

Saturninus dachte an seine Eltern. Sie hatten mit Otho zusammen herrschen wollen. Als sie das nicht konnten, waren sie in ihrer Maßlosigkeit lieber in den Tod gegangen. Sie hatten ihm, den Siebzehnjährigen, ihren ganzen Bettel vor die Füße geworfen: Sieh, wie du klar kommst.
Er, Saturninus, handelte ähnlich. Er hatte herrschen wollen, im Kleinen. Es hatte nichts genützt, dass er aus Rom fort gegangen war. Rom war in ihm selbst, das ganze intrigante elende Vipernnest war es. Er fühlte sich elend.

Licinianus Owain weinte. Er war ein keltischer Schmied und bestimmt ein aufrechter Mann. Mit  Patrizierfamilien hatte er keine Erfahrung. Es war sogar mehr, nun beteuerte er, dass er Saturninus falsch eingeschätzt hatte.

Saturninus schüttelte den Kopf: "Du hast sie aus vollem Herzen geliebt. Und du warst eifersüchtig. Das ist verständlich“, sagte er fast tröstend:

"Ich bin überzeugt davon, dass Aglaia dich auf ihre Weise geliebt hat. Sie hat doch dein Kind bekommen und nicht das eines anderen Mannes.

Wenn sie je in ihrem Leben liebevolle Gefühle hatte, so  gelten sie dir und eurer Tochter  - und Narcissus“,
Saturninus kannte nicht einmal den Namen des kleinen Mädchens, dem er eine Lunula geschenkt hatte.

Wäre er aufrichtig und gütig gewesen, hätte er jetzt zu Owen gesagt:"Gib dich doch zufrieden mit dem, was dir geschenkt wurde! Ich wäre es, könnte ich noch einmal von vorne anfangen. Du kannst es immer noch gut machen, lass alles stehen und liegen und gehe sofort, sofort zu deiner kleinen Familie!“

Aber stattdessen sagte Saturninus:

"Weißt du was, Owen. Ich hatte mit deiner… Frau, als wir noch Freunde waren, einmal darüber gesprochen, in ihrem Namen einen Brunnen für das Forum zu stiften, um sie zur Stadtbürgerin zu machen. Ich möchte, dass dieser Brunnen existiert und dass du ihn gestaltetst. Nicht in ihrem Namen, aber mit einer Bronzestatue, die ihr an Gestalt und Schönheit gleicht.
Kannst du das anfertigen? Ich werde ihn den Charitenbrunnen nennen und der Stadt Iscalis schenken“


Die Chariten waren die drei Göttinnen der Anmut, die jüngste und schönste von ihnen war Aglaia, der Glanz, deren Name Aglaias Hetärenname war:

"Er soll stets daran erinnern, wie trügerisch Schönheit und Anmut sein können"
Das war eine glatte Lüge. Er sollte Saturninus als Denkmal an sein verlorenes Arkadien dienen. Sein Wind aus Arkadien – hätte sie nur ein einziges freundliches Wort für ihn gehabt, als er sie das letzte Mal besuchte! Wie konnte es sein, dass etwas Gesprochenes oder viel mehr Unausgesprochenes  den Ausschlag für ein ganzes Schicksal gab?


Und welche Ironie des Schicksals, wenn ausgerechnet Owain diesen Auftrag annehmen würde.
Ich vergoss bittere Tränen in der Gegenwart des Römers. Saturninus ließ sich durch meine Tränen dazu hinreißen, einige tröstende Worte an mich zu richten. Aber seine Worte waren nur wie ein schwacher Trost in meinem Ozean der Trauer. Seine Worte konnten mich nicht richtig erreichen, sie verloren sich in meinem eigenen Schmerz.

Als Saturninus dann über den Brunnen zu sprechen begann, den ich im Auftrag meiner Frau bereits begonnen hatte, fühlte es sich für mich an, als wolle er mir noch ein weiteres Gewicht auf meinen Schultern auflasten. Die Ironie des Schicksals schien sich über mir zu entfalten, während ich die Worte des Furiers verarbeitete. Er wollte mir nun selbst einen Auftrag für diesen Brunnen erteilen, der eine Skulptur von Aglaias Antlitz zieren sollte. "Ich hatte damit bereit begonnen. Eine der drei Grazien ist bereits fertig," antwortete ich und wirkte um Jahre gealtert.

Die fertige Skulptur stand bereits hier in diesem Raum, verhüllt unter einer Decke. Ich vermied es, sie anzusehen, denn der Anblick erinnerte mich nur an die Qualen, die ich tagtäglich durchlitt, seitdem ich Aglaia verlassen hatte. Ich hatte schon darüber nachgedacht, mir eine Axt zu holen und sie mit ein paar gezielten Schlägen zu zerstören. Aber ich hatte es bisher nicht übers Herz gebracht. Doch nun sollte diese Statue als Mittelpunkt eines Brunnens dienen, der in Iscalis seinen Platz finden sollte.
Ich seufzte schwer und zog die Decke von der Statue, während ich mich darauf vorbereitete, meine Gefühle zu unterdrücken und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Doch die Trauer in meinem Herzen war überwältigend. Ich konnte nicht leugnen, dass Saturninus' Worte mich zutiefst betrübten. Warum wollte er gerade mich für diesen Auftrag? War dies vielleicht seine Art, mir sein Mitgefühl zu zeigen? Als ich die Statue betrachtete, fühlte ich einen Stich des Schmerzes. Die Anmut und Schönheit meiner Frau schien mich verhöhnen zu wollen, während ich versuchte, meine eigenen Tränen zu unterdrücken. Es war, als ob die Vergangenheit mich erneut einholte und mich in Dunkelheit zurückzog. Ich blickte zu Boden, statt in das Gesicht des Römer zu blicken, um herauszufinden, wie ihm meine Arbeit gefiel.
Saturninus sah mit brennenden Augen auf die Bronzestatue. Ja, das war Aglaia. Hier war sie in all ihrer Schönheit und Grazie. Aber sie war aus kaltem Metall, nicht aus Fleisch und Blut. Doch wenn das einzige, was hier in Iscalis zurück bleiben sollte, die kühle Bronze war, dann war das wohl Schicksal:
"Wie schön sie ist, Licinianus", sprach der Furius mit aufrichtiger Bewunderung.
Owain schaute zu Boden, der Schmerz, das Abbild seiner Frau zu sehen, schien ihn zu übermannen. Wie jung dieser Kelte doch war. Nicht viel jünger an Jahren, sondern offenen Herzens. Auch seine Tränen kamen aus seinem Herzen.
Barbaren, dachte Saturninus. Sie leben wirklich mehr durch ihre Gefühle als durch ihren Verstand. Weshalb hat Aglaia diesen Mann nur so wahnsinnig geliebt?:
" Du bist ein meisterlicher Künstler. Das hier hat nichts mehr zu tun mit dem Jungen, der einst in mein Haus kam, um zu lernen, wie römische Statuen aussehen müssen. Du hast deine eigene Bildsprache gefunden...", nun ging Saturninus um die Plastik herum und erklärte: "Hier, das Spiel von Licht und Schatten zaubert die Illusion von fliegendem Haar. Die Arme sind mit ganz eigener Anmut gehoben, das Gesicht scheint den Betrachter anzublicken. Der warme Glanz des Metalls hüllt den tanzenden Leib wie in eine Aura. Das ist wahrhaftig Aglaia, die Schönste der Grazien.
Wenn so viel Kunst aus Schmerz geboren wird, Licinianus, dann hat es auch etwas Gutes. Du, der Künstler, bist im Leiden gereift. Menschen werden herbei kommen, um ihren Brunnen auf dem Forum zu sehen"
Saturninus nickte Licinianus Owen zu:
"Vielleicht wird man mich einst kennen unter "Oh,  - Furius, war das nicht ein Zeitgenosse des berühmten Künstlers Licinianus Owain?", sagte er, als sei er bescheiden, was er natürlich nicht war. Aber Schönheit stand über Rang und Namen, sie zu schaffen hatte etwas Göttliches:

"Und Owen: Eines Tages wird deine Tochter eventuell vor dem Brunnen stehen und erkennen, dass kaum ein Vater sonst so etwas Großartiges geschaffen hat, um der Mutter Liebe zu gedenken.  - Wie heißt deine Kleine eigentlich? "

Der Brunnen war ein Denkmal, eine Erinnerung. Etwas, was man eigentlich den Toten widmen sollte. Saturninus sprach wie von einer Toten.