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Normale Version: Saturninus für Aglaia - Besuch der jungen Mutter
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Saturninus hatte mich über Kiki um ein Treffen gebeten und ich hatte für den heutigen Tag zugestimmt, da ich ihn nicht einfach ignorieren konnte und er auch durchaus wissen sollte, was ich davon hielt, dass er versuchte, sich zwischen mich und Owain zu drängen. Und die Sache mit Narcissus. Und überhaupt.


Nunja, aber heute war der Tag. Zum Glück hatte ich inzwischen endlich eine Amme. Meine armen Brustwarzen waren deshalb sehr, sehr dankbar, auch wenn es eine Sklavin war und ich es bisher nicht übers Herz gebracht hatte, sie zu fragen, was mit ihrem eigenen Kind geschehen war. Ich mochte es nicht, jemanden zu zwingen, eine Arbeit zu machen, wie das bei Sklaverei eben nunmal war, aber ich hatte die Amme gebraucht, da mein Körper diese ganze Stillerei sicher nicht länger mitmachte, ohne dass ich wahnsinnig werden würde.


Um ein wenig die Überbleibsel der Schwangerschaft zu kaschieren, trug ich ein etwas weiteres und verdeckenderes Kleid aus ägyptischer Baumwolle über einer Untertunika aus Seide. Mein Haar hatte ich mir auf die Art frisiert, dass es einfach aussah, aber nicht zu einfach, und ich trug nur ein paar meiner Armreife mit den Granatsteinen und Lapislazulia als Schmuck. Saturninus sollte nicht denken, dass ich mich für ihn hübsch machen würde, allerdings sollte er auch nicht denken, dass ich jetzt eine biedere Matrona war. Er sollte wissen, was er verlor und wer sauer auf ihn war.


Und so hatte ich den Tag weitestgehend mit meiner Tochter und lesend verbracht, bis Egon schließlich am Eingang laut genug den Gast begrüßte, dass ich es mitbekam. Ich schickte die Amme mit meiner Tochter weg in den hinteren Bereich des Hauses und machte es mir auf einem der Liegesofas etwas bequem.
“Ah, Furius Saturninus“, grüßte ich freundlich, aber nicht wie sonst ihm entgegenkommend oder gar Küsschen verteilend. Dafür hatte er jetzt Kiki. “Kiki sagte mir, dass du mich gerne sehen wolltest. Setz dich doch“ bot ich ihm einen Platz auf dem benachbarten Liegesofa an. Ja, ich wartete mit der Schlachtung des Opferlammes bis zum richtigen Zeitpunkt.
"Salve meine teure Aglaia" 
Saturninus mochte Kiki sehr, aber Aglaia hatte er nicht vergessen. Es war nicht rein körperliches Begehren; er hatte zumindest geglaubt, dass es auch das war, was man auf Griechisch "philia" nannte; eine Freundschaft, die mehr aushielt als einen kleinen Sturm des Lebens. 

Aglaia sah gut aus. Sie trug ein Kleid aus weißer Baumwolle, Armreifen mit Halbedelsteinen besetzt; ihr langes dunkles Haar war absichtsvoll unabsichtlich frisiert. Sie grüßte ihn, aber es gab keinen Kuss. Nun, vielleicht änderten sich Frauen so sehr, wenn sie Mutter wurden?
Saturninus nahm auf dem Liegesofa Platz. Seine dunklen Augen lagen auf ihrer hellen Gestalt:
" Ich hätte gehofft, dass es genauso  dein Wunsch wäre, den Besuch eines Freundes zu empfangen, Aglaia", sprach er schließlich.
Sie war sein Wind aus Arkadien. Weinend hatte sie sich zu ihm geflüchtet, als Tribun Ovidius sie misshandelt hatte. Saturninus hatte genügend Spuren gelegt, damit der Statthalter diesen schlechten Menschen seiner Macht beraubte, das wollte er ihr erzählen. Er, Saturninus, hatte auch dafür gesorgt, ihren Mann, den Schmied Owen trotz seiner unverschämten Art, in Iscalis bekannt zu machen. Sogar Petilius Rufus hatte er ihn präsentiert, und dieser hatte ihn glatt nach Londinium eingeladen. 

Saturninus glaubte, all das, was in seiner Macht stand, für die kleine Familie der Hetäre getan zu haben:
"Du hast.. eine Tochter? Ist sie wohlauf? Hat sie schon einen Namen?", er winkte Scaevus, der die hölzerne Schachtel mit dem Amulett bei sich hatte. Er öffnete sie. Darin lag eine kleine silberne Lunula.
"Kleine römische Mädchen tragen so etwas als Glücksbringer.  Ich hielt es für passend" Der fehlende Kuss irritierte Saturninus immer noch. Unwillkürlich wählte er eine formellere Sprache.
Seine Verwirrung war fast schon greifbar, und überdeutlich, als er direkt fragte, ob ich ihn als Freund sah. Nun, er verklausulierte es etwas, aber ich verstand es schon und schlug ein wenig meine Beine übereinander. Auch, um sicherzustellen, dass der noch immer anhaltende Wochenfluss da landete, wo er hingehörte, und nicht auf meinem Kleid.
“Nun, Freunde empfange ich immer gern“, meinte ich und tippte leicht mit meinen Fingerspitzen auf meinem Knie. “Allerdings sind mir einige Dinge zu Ohren gekommen, die ein Freund sicherlich nie einer Freundin antun würde.“ Und ich ließ diese Aussage jetzt erst einmal so schweben, damit er selber einmal überlegen konnte, was ich meinen könnte, und dabei hoffentlich ein wenig ins Schwitzen geriet.

Dass er ein Geschenk dabei hatte für das Kind, minderte meine Wut nur ein wenig. Auch wenn es eine sehr schöne und sehr römische Kette war, was ihm tatsächlich ein paar Pluspunkte einbrachte. “Ja, meine Tochter ist soweit gesund und kräftig. Beim Namen hat mein Mann sich noch nicht entschieden. Er kennt nicht so viele römische Namen, wie du dir denken kannst“, meinte ich mich einem kleinen, freundlichen Lächeln. Ich betrachtete die Lunula und fuhr mit den Fingern einmal über den kleinen Halbmond. “Als Kind wollte ich immer gerne eine haben. Aber Mutter fand es zu matronenhaft und unpassend“, meinte ich und stellte wieder einmal fest, dass ich froh war, dass meiner Tochter dieses Schicksal erspart bleiben würde. Wenn sie als junge Frau es so unbedingt wollte, würde ich ihr natürlich auch helfen mit meinem Wissen, um unabhängig arbeiten zu können. Aber wenn sie ein gesittetes Leben vorzog, sollte sie auch das haben.  Sie sollte einfach die Wahl haben.
"Es freut mich, dass dir meine kleine Gabe gefällt. Ich kann mir schon denken, dass Licinianus nicht viele römische Namen kennt", er grinste. Dennoch stellte sich die alte Vertrautheit mit Aglaia wieder nicht ein. Da war etwas im Busch. 
Er hätte sie fragen sollen, was sie hatte. Aber noch rechnete er mit nichts Gravierendem. Sie schien zu schmollen, das kam bei Frauen  vor, und schöne Hetären bildeten keine Ausnahme. Vielleicht erwartete sie ein größeres Geschenk?

Als aber nun Aglaia eine Andeutung machte, dass er, Saturninus  sich nicht als Freund verhalten hätte, traf ihn das.  Er zog eine Augenbraue hoch. Für ihn war ihre Bemerkung kein Scherz. Sie klang eher nach düsteren Erinnerungen.
Rom war in seiner Jugend ein Vipernnest gewesen. Mit jedem Schritt konnte man fehlgehen und gebissen werden.
 Verrat war alltäglich wie der Tod, und Saturninus konnte sich noch erinnern, wie froh er gewesen war, die Hauptstadt hinter sich zu lassen, um in diese weit entfernte Provinz zu kommen. Aber so anhänglich der Furius gegenüber seinen Freunden sein konnte, so schlecht ertrug er tatsächliche oder auch nur gefühlte Illoyalität. Kaum etwas kränkte ihn mehr:

"Es gab wohl Ankläger, denn die finden sich immer", sprach er und etwas bitter:
"Und das Urteil ist auch bereits gefällt, Liciniana Aglaia?"

Nun war Aglaia am Zug. Und sie bewegte sich auf ganz dünnem Eis.
Ich hatte angenommen, dass er ein schlechtes Gewissen haben würde, aber weit gefehlt. Nein, er war wütend auf mich. Doch dazu hatte er kein Recht, und ich ließ es mir jetzt auch nicht nehmen, dass er den Spieß hier einfach umdrehte, obwohl er derjenige war, der sich mehrfach daneben benommen hatte.
“Nun, üblicherweise darf der Angeklagte sich vor einem Urteilsspruch verteidigen. Wir sind ja nicht bei den Wilden“, meinte ich also nicht weniger kühl als er. Wenn er unbedingt eskalieren wollte, konnte ich ihn davon nicht abhalten, aber ich würde ganz sicher jetzt nicht klein beigeben, nur weil er verschnupft die Augenbrauen hob. “Wobei mich schon die Verteidigung interessieren würde, was einen Mann dazu bringt, den Ehemann seiner Freundin zu schmähen und zu verspotten. Oder den besten Freund seiner Freundin anzugreifen und mit Gewalt zwingen zu wollen. Ihn wie einen Sklaven zu behandeln. MICH wie seinen Besitz zu behandeln. In der Tat würde ich da gerne hören, was du zu deiner Verteidigung zu diesen Dingen zu sagen hast.“

Es gab eine feine Grenze, auf der eine Hetäre entlangtanzte. Zwischen dem, was gesellschaftlich akzeptabel war, und dem, was unschicklich war. Wir spielten unsere Rolle darin, wie es eben ging, und natürlich hatten wir dabei nicht den Stand einer ehrbaren Ehefrau. Aber wir waren keine Prostituierten, die man sich einfach nahm und die man zwingen konnte. Wir waren keine Sklaven, denen man Befehle erteilen konnte. Man musste sich unsere Gunst verdienen. Man konnte uns nicht einfach kaufen. Und das schien Furius Saturninus gerade vollkommen vergessen zu haben.
Saturninus zählte an seinen Fingern ab: "Drei Anklagepunkte also, werte Aglaia. Zu allen dreien werde ich mich äußern", sagte er so ruhig, wie er nur konnte, obwohl er Aglaia am liebsten gepackt und  geschüttelt hätte. Aber sie waren, wie sie so treffend gesagt hatte, nicht bei den Wilden, und seine dignitas gebot ihm, sich zu beherrschen:

"Obwohl das hier eher letzte Worte vor der Hinrichtung zu werden scheinen, werde ich sie als  Moment der Verteidigung nehmen. Oder nein, nicht Verteidigung: Erklärung trifft es besser.

Zuerst dein Mann. Siehst du nicht, dass alles nur gekommen ist, weil du nicht aufrichtig mir gegenüber gewesen bist? Du selbst sagtest mir: Ich heirate meinen Freigelassenen. Denn der kann mir nichts befehlen, selbst wenn er mein Ehemann ist, da die Ehe nur pro forma besteht. Genauso habe ich Owain behandelt: Als deinen Freigelassenen, mit dem du pro forma verheiratet bist"

Er sah nun zur Wand, als studiere er intensiv die erotischen Wandmalereien:
"Ich habe es dir nicht erzählen wollen, um deine Gefühle zu schonen. Doch ich sehe, dass Owain selbst es dir erzählt hat. Ich war in Cheddar, als er sich vor mir hingekniet hat, um mich anzuflehen, nicht mehr mit dir zu schlafen.
Erst da erfuhr ich überhaupt erst, dass er dich liebte wie ein Mann eine Frau liebt.
Und ja, hier bin ich tatsächlich schuldig. Denn da er so flehte, wurde ich grausam und schlug ihm vor, er solle jemanden für mich töten, dann würde ich seinem Wunsch widerfahren und jeden Kontakt zu dir abbrechen", es war Saturninus anzumerken, dass er das als unwürdiges und kriecherisches Verhalten empfand. Nicht einmal seine Sklaven knieten vor ihm:
"Licinianus wollte jedoch niemanden töten. Da sagte ich ihm, dass er wohl nicht genug lieben würde. Das war böse, und ich bin nicht stolz darauf.

Nun dann aber, beim Fest des Statthalters, änderte Licinianus seine Meinung wieder:  Wenn ich Tribun Ovidius töten lassen wolle, würde er das gerne für mich tun. 
Diesmal lehnte ich ab. Ich dachte damals noch, dass Owain dich nicht begriffen hatte. Er war der Ehemann einer Hetäre, die gewiss nicht auf das da....", 

Saturninus wies auf die schöne, kostspielige  Zimmereinrichtung: "...verzichten will und mit ihm in Cheddar in seiner Schmiede leben würde", nun lächelte der Furius, doch sein Lächeln reichte nicht zu seinen dunklen Augen. Er stand in Begriff,  etwas zu verlieren, was ihn zwar nicht mit Haut und Haaren erobert - er hielt nichts von Liebeswahnsinn -  aber doch mehr berührt hatte, als ihm bewusst gewesen war. Es war nicht einfach, eine Liebe so radikal zu beschneiden wie man einen Obstbaum beschnitt, nicht einmal für Saturninus war es das:

"Du hast mich überrascht, werter Wind aus Arkadien. Viele Frauen der Gesellschaft täuschen vor, etwas zu sein, was sie nicht sind. Die meisten von ihnen tun so, als seien sie sittenstrenge Matronen, aber in Wirklichkeit sind sie Hetären. Du aber hast mir vorgetäuscht, eine Hetäre zu sein, aber in deinem Herzen warst du schon längst eine Matrona"

Saturninus wartete, ob Aglaia nun etwas erwidern würde. Wenn nicht, würde er zu Punkt zwei übergehen: Narcissus.
Wenigstens gab er es zu, auch wenn ich nicht heraushören konnte, ob es ihm wirklich leid tat. Naja, ein bisschen vielleicht. Je höher der rang eines Mannes war, umso schwerer tat er sich mit einer Entschuldigung, das kannte ich schon. Daher war die rede von Saturninus da schon sehr dicht an einer Entschuldigung dran. Aber trotzdem stießen mir einige Dinge sehr auf, vor allen Dingen der anklagende Ton mir gegenüber, als würde ich mir Dinge herausnehmen, die mir nicht zustanden und als wäre er hier das bloße Opfer einer Intrige, was bei weitem nicht so war. Und besonders übel stieß mir auf, dass er mich der Lüge bezichtigte.

“Ich habe dich nie angelogen, Furius Saturninus“, wechselte ich auf die etwas distanziertere Anrede, da mir eine zu vertraute Ansprache seiner Person unpassend erschien. Nicht, wenn er sich selbst so distanzierte. “Wahrscheinlich bin ich eine der wenigen Personen in dieser Provinz, die dir überhaupt die Wahrheit sagen. Nur hörst du nicht immer wirklich zu.“

Dass er mich als eine Matrone sah, war irgendwie eine Beleidigung, aber andererseits auch nicht. Dass er mich als solche sah, hatte er ja schon lange zuvor begonnen, mit meiner Schwangerschaft und seiner Ablehnung weiterer Gesellschaft deshalb unter recht fadenscheinigen Gründen irgendeines Aberglaubens seiner Familiengeschichte. Also überraschte es mich nicht besonders. Aber er formulierte es so, als wäre das eine Anklage. Und das nagte etwas an mir.
“Wenn du denkst, dass ich Owain nicht auch gesagt habe, dass sein Verhalten da nicht tolerierbar war, dann irrst du dich. Ich habe sehr genau klar gestellt, dass es nicht an ihm ist, solche Angebote zu machen oder Bitten zu unterbreiten. Aber ihr beide, ihr streitet euch um mich wie zwei Hunde um einen Knochen! Und jeder ist beleidigt und versucht, den anderen zu besiegen. Aber um das klar zu stellen: Auch wenn ihr euch wie Hunde benehmt, bin ich kein Knochen. Und ich entscheide selbst, mit wem ich wie viel Zeit verbringe, und auch, womit ich sie verbringe. Weder kannst du entscheiden, ob du mit mir schläfst, noch er. Das entscheide alleine ich. Und das habt ihr beide vergessen.

Und das werfe ich dir da auch vor. Egal, ob Owain da unangemessen auf dich zutritt, hättest du ihm sagen können, dass er das mit mir klären soll, nicht mit dir. Und es stand dir da auch nicht zu, ihn vorzuführen, als wäre er dein Sklave. Wir sind nicht deine Sklaven. Wir sind auch nicht deine Klienten. Wenn du mein Freund sein willst, Furius Saturninus, dann behandle mich auch so, mit Respekt, und nicht von oben herab.“
Das sie auch Owain Bescheid gestoßen hatte, gefiel ihm, und einen Moment lang entspannten sich seine Gesichtszüge, bevor sie sich wieder verhärteten. Und dennoch: In einem Punkt hatte Aglaia Recht. Saturninus hatte durchaus versucht, bei ihr Schicksal zu spielen:

"Ich habe dich nie als eine Sklavin angesehen, werte Liciniana Aglaia", erwiderte er dann. Aber als was denn? Ihm kam die Einsicht, und plötzlich lachte er kurz und trocken auf, so absurd war der Gedanke, aber er traf mehr zu als alles andere:

"Vielleicht habe ich eher so getan, als sei ich dein -  Pater Familias? Ich habe dich beschützt, ich habe dich finanziell unterstützt, doch ich habe auch Gehorsam eingefordert. Ich hätte dich auch am liebsten mit einem meiner Klienten verheiratet",
 der wäre unkompliziert gewesen, nicht wie Owain, der mit seinen Ansprüchen zielsicher als würde er es wissen, einen Keil zwischen ihn und Aglaia getrieben hatte.  Saturninus zuckte mit den Schultern:
"Ich bin nicht dein Verwandter, und wir schulden uns gegenseitig keine Pietas. Das war ein Irrtum meinerseits.

Ich wollte dir noch sagen, dass mit Narcissus etwas sehr ähnliches geschah. Er ist hübsch und nicht auf den Kopf gefallen, und er sagte mir, dass er aus der Subura kommen würde. Ich fragte ihn, ob das wirklich so war oder ob er sich an etwas erinnere, was seltsam gewesen wäre. Hätte er ja gesagt, so hätte ich über seine Abkunft Nachforschungen anstellen können. Eventuell ist er ein entführtes Kind. Und wenn nicht - ein Mann, der beschwört, dass Narcissus sein Sohn ist, der mit vier, fünf Jahren ihm von Räubern entrissen wurde, lässt sich immer finden.
Aber Narcissus wurde aufgebracht und ging. Ich verstand bis heute nicht warum. Jetzt glaube ich es zu wissen: Er wollte nicht, dass ich für ihn Schicksal spiele. Nicht einmal ein wohlmeinendes. Es stand mir nicht zu, wir schulden uns gar nichts, außer der Bezahlung für eine Nacht"

Saturninus erhob sich nun. 
Man wusste nie, ob es gut und richtig war, was man für andere entschied, es war oft schwierig, es war eine Last, die er schon viele Jahre trug. 
 Er war bereits mit siebzehn Jahren das Familienoberhaupt und Herr über das Vermögen der Furier geworden. Alle anderen, die in Frage gekommen wären, waren entweder tot oder hatten sich so wie seine Eltern den Tod mit eigener Hand gegeben. 
Vielleicht hatte er in diesen Jahren gelernt, diese Verantwortung auszuüben, dieser Verantwortung gerecht zu werden, sie nie zu vergessen und alle, die zu ihm gehörten, wie Figuren auf einem Spielbrett hin- und her zu schieben. 
Der liebenswürdige, für Zuwendung dankbare junge Römer hatte sich unter diesem Druck gewandelt, nur ab und an kam jener Junge aus der Vergangenheit noch zum Vorschein: meist in den Armen einer schönen Frau, in Gesellschaft von Wagenlenkern oder wenn er über Pferde reden konnte.

Was Aglaia forderte: Eine Freundschaft in Freiheit, was war das? Saturninus bezweifelte, dass er das konnte. Schon gar nicht, weil sie nicht zu ihm gekommen und erst einmal mit ihm geredet hatte. Alle hatte sie zuvor angehört, nur Saturninus nicht. Er hatte fragen müssen, sie zu sehen, als bäte er um eine Audienz. Saturninus war erst sechsundzwanzig, doch in diesem Augenblick fühlte er sich uralt, als läge eine Last auf ihm, die er kaum abzuschütteln vermochte. 

Ein eben ausgesprochener Satz hallte in Saturninus nach, als würden die Furien ihr Haupt erheben, als wäre Rom in seinem Leben zurück, das er verabscheute und gleichzeitig so sehr liebte, das Rom des Verrats, der Gewalt und einer Flucht:

" Du hast gesagt, dass du wahrscheinlich eine der wenigen Personen in dieser Provinz, die mir überhaupt die Wahrheit sagen, bist, Liciniana Aglaia. Gibt es jemanden, der mich verrät? Weißt du denn da etwas?"
Ich war mir nicht ganz sicher, ob er selber glaubte, was er sagte. Wahrscheinlich schon, aber das erforderte schon ein ziemliches Maß an, nun Dissoziation. Aber andererseits waren Patrizier häufiger so von sich selbst überzeugt, dass sie sich selbst belügen konnten und dachten, sie erzählten die Wahrheit. Aber gut, das war nicht mein Problem.

Er meinte nun jedenfalls, dass er sich als mein Pater Familias gefühlt habe, für Narcissus ebenso, und deshalb so gehandelt habe. Ich hatte eine viel einfachere Erklärung: Saturninus versuchte alles zu besitzen, was er haben wollte, und darüber unbedingte Kontrolle auszuüben, und er ertrug es nicht, wenn er diese nicht hatte. Was wohl auch zu dem Angriff auf Narcissus geführt hatte, der sicherlich nicht väterlich gemeint gewesen war.
“Ich bezweifle, dass du Narcissus einen Gefallen tätest, wenn du ohne sein Einverständnis derartiges versuchtest. Ich sage es gerne noch einmal: Man kann uns nicht besitzen“, meinte ich ruhig, da ich Saturninus durchaus zutraute, da auf eigene Faust irgendwelche Dinge anzuleiern, die Narcissus sicher nicht wollen würde, erst recht nicht, wenn Saturninus damit meinte, ihn besitzen zu können wie einen Sklaven.

Da Saturninus offensichtlich gehen wollte und ich stark bezweifelte, dass er je wieder zurückkommen würde, erhob ich mich auch. Nein, ich war mir nach seiner Einlassung ziemlich sicher, dass er keine Einsicht hatte, irgend etwas falsch gemacht zu haben, und erst recht nicht, etwas zu bereuen. Dafür war er viel zu sehr von sich selbst überzeugt. Was hieß, dass er mich in Zukunft nicht mehr unterstützen würde. Aber diesen Preis für meine Freiheit zu zahlen war ich sehr gewillt.
Dennoch fragte er mich noch einmal, als wären wir weiterhin Freunde, ob ich jemanden kennen würde, der ihn verraten wollte. Ich legte den Kopf schief und entschied mich für eine letzte, milde Gabe: “Ich kenne nur einen Mann, der Tiberius Furius Saturninus immer wieder Steine in den Weg legt. Und der steht vor mir.“
Saturninus fiel ein, dass der schon längst verstorbene Kaiser Claudius, der Eroberer von Britannien, eine Hetäre namens Calpurnia zur Freundin gehabt hatte. Nur diese Calpurnia durfte es wagen, ihm den Verrat der Kaiserin Messalina zu beichten. Denn der Kaiser glaubte ihr: weil sie nämlich treu und weil sie eine loyale Freundin war.
Aglaia war jedoch, und Saturninus tadelte sich selbst, mehr in ihr gesehen zu haben, nur einem einzigen Menschen gegenüber loyal: Das war sie selbst. Vielleicht noch dem Narcissus. Der war ihr männliches Spiegelbild. 

Die Gabe für das kleine Mädchen, war das nicht ein Geschenk, welches ein römischer Verwandter geschenkt hätte? Es war wahr, dass er sich wie ihr Familienoberhaupt gefühlt hatte. Saturninus schalt sich dumm, weil er völlig arglos hergekommen war und  gehofft hatte, dass Aglaia ihm mehr Vertrauen schenken würde als denen, die gegen ihn sprachen.

Was hatte sie noch wollen? Er hatte ihr bereits gesagt, dass er nicht stolz darauf war, dem Licinianus mit Grausamkeit gegenüber getreten zu sein. Er hatte ihr  auch gesagt, dass er dem Narcissus hatte ein anderes Leben ermöglichen wollen. Er hatte ihrem Mann Aufträge besorgt, alle Rechnungen bezahlt, und er hatte, wozu er nicht gekommen war, es zu erzählen, mit dafür gesorgt, dass Tribun Ovidius in Iscalis nie wieder eine Rolle spielen würde. Cheddar stand überhaupt nur unter seinem Patronat, weil sie dort ihre verdammte Schmiede betrieb. 
Was noch hätte er ihr geben sollen? 

Das Haus des Roten Mondes war vielleicht auch nur ein Vipernnest, seine Bewohner anmaßend und gierig....
Saturninus würde es nicht wieder betreten. 

Kiki ist keine Viper, fiel ihm ein, ich werde mit ihr reden und ihr einen Vorschlag machen. Sie war unschuldig an den Entwicklung, und doch würde sie sich entscheiden müssen. Wie die Entscheidung auch ausfiele, sie wäre gut. Tabula rasa.

Der Furius schaute Liciniana Aglaia noch einmal an, als wolle er sich ihr Bild  einprägen. 

Sie hatte sich erhoben. Normalerweise hätte er ihr gesagt, dass sie im Kindbett nicht aufstehen sollte... ach was, sie wollte keine Fürsorge und schon gar nicht von ihm. Sie wollte hart und unabhängig sein. Außerdem hatte sie ihren Owen. Der Furier wünschte ihr viel Freude mit ihm.

Auf ihre letzten Worte hin schwieg er. Er ließ ihr die Wucht ihres Abschiedes. Sie waren keine Freunde mehr. 

Aglaia würde nur hören, dass die Tür ging. Dann war er gegangen.