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Normale Version: [Konferenzzimmer] Mitarbeiterbesprechungen
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Das Konferenzzimmer wurde nur genutzt, wenn es um größere Mitarbeiterbesprechungen ging. Ansonsten war die Schreibstube gemütlicher. Im Winter war der große Raum ohne Hypocaustenanlage  klamm und mit Hilfe von Kohlebecken nur mühesam zu erwärmen.
 Da die offizielle Kleidung aber Toga und keinesfalls praktische Mäntel oder gar Hosen (!) repräsentierte, fröstelten die Anwesenden schnell. 
In der schönen Jahreszeit, wenn alle Fenster offen standen, war es im  großen, kühlen Konferenzzimmer dagegen gut auszuhalten.
Natürlich hielt ich mich an die Anordnung des Princeps officii, und begab mich um die Mittagszeit in den Konferenzraum, wo es erbärmlich kalt war! An solchen Tagen wünschte ich mir sehnlichst meine Hosen wieder zurück, denn in dieser verdammten Toga fror ich mir bald meine edelsten Teile ab! Ein Umstand, den Prisca sicher missbilligen würde. Nach und nach trafen die Bediensteten ein. Einige von ihnen kannte ich inzwischen. Andere wiederum noch gar nicht. Vielleicht ergab sich ja heute die Gelegenheit, dies noch nachzuholen.
Philus hatte auch ohne die kalten Temperaturen einen Grund zu zittern. Er hatte die Ankündigung gelesen, die unter anderem den Punkt "Nachbesprechung der Spiele" enthielt. Sie hatten vielversprechend angefangen und der Gladiatorenkampf war sehr unterhaltsam gewesen. Doch die Panne in der Mitte hatte einiges an Furore gesorgt und zog seine Eignung als Präsident der Veneta in Zweifel, wenn sie diese Pläne verwirklichen wollten.
Er kam in den Raum, in dem bereits ein paar versammelt waren und nahm seinen Platz ein. Neben ihm saß ein junger Mann seines Alters, den er hier noch nicht gesehen hatte.
"Salve", grüßte er freundlich. "Ich bin Nautius Philus. Du musst der neue Übersetzer sein, nicht? Ich habe gelesen, dass einer vorgestellt wird und du bist das einzige neue Gesicht. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dich einzugewöhnen, wende dich sehr gern an mich!"
Ich hatte inzwischen Platz genommen und beobachtete weiter die ankommenden Mitarbeiter der Verwaltung. Einer war mir sofort aufgrund seines Äußeren aufgefallen. Ein junger Mann, der kaum älter war als ich selbst und dessen Haar ungewöhnlich blond war. Wie es der Zufall wollte, nahm er direkt neben mir Platz. Ich nickte ihm freundlich zu und versuchte dabei, seine blonde Haarpracht nicht übermäßig anzustarren.

"Salve!" erwiderte ich. "Ja, das stimmt genau! Ich bin der neue Übersetzer und mein Name lautet Tarutius Corvus." Nautius hatte mich sofort als ‚neues Gesicht‘ erkannt und bot mir nun  seine Hilfe bei der Eingewöhnung an. "Oh, das ist aber sehr freundlich von dir! Wenn ich Fragen habe, wende ich mich gerne an dich. Besten Dank!" antwortete ich lächelnd. "Was ist deine Aufgabe hier in der Verwaltung? Arbeitest du schon lange hier?" Wahrscheinlich nicht, denn er war ja noch recht jung.
Die zaghaften Blicke des Neulings zu seiner Haarpracht waren unauffällig genug, bei Philus keinen Verdacht zu erwecken. Den Jungen fand er jedoch sympatisch. Tarutius Corvus machte einen höflichen und aufgeschlossenen Eindruck. Außerdem war es schön, mal einen Gleichaltrigen hier am Tisch zu sehen.
"Es freut mich wirklich sehr, dich kennenzulernen", sagte er. "Auf gute Zusammenarbeit, Corvus. Und keine Sorge, ich bin nicht besonders wichtig. Ich bin Provinzschreiber. Furius Saturninus hat mir diesen Posten verschafft. Ich bin erst kürzlich aus Rom hierhergekommen und verwalte den Nachlass meines Bruders. Jetzt überlege ich, hier zu bleiben."
Saturninus kam etwas später. Er fand es richtig, dass erstens die Mitarbeiter, die sich beim Tagesgeschäft seltener sahen, sich auch einmal untereinander austauschen konnten und zweitens würde die Sitzung ohnehin nicht ohne ihn anfangen.
Er setzte sich unter den wachsamen Augen des marmornen Kaisers hin und wartete, bis etwas Ruhe eingetreten war.

"Salvete die Herren" Damen waren keine anwesend, ein Schreibsklave führte Protokoll:
" Fangen wir gleich mit Tagesordnungspunkt Eins an. Ich freue mich, den Bürger Lucius Tarutius Corvus in unserer Mitte begrüßen zu dürfen. Er ist unser neuer Dolmetscher für einheimische Sprachen. Wir können ihn nun immer hinzuziehen, wenn es um Verhandlungen mit den Kelten geht, die kein Latein sprechen", 
Die Anwesenden nickten zustimmend, ein paar von den Jüngeren klatschten zaghaft, was aber bei dem Princeps Officii nicht so angesehen war, schließlich war man nicht im Circus. 
Saturninus grinste ein wenig: "Und auch zu den Verhandlungen, bei denen die Kelten des Lateinischen mächtig sind. Denn dank unseres neuen Dolmetschers können wir auf diese Weise auch erfahren, was sie unter sich besprechen und wir nicht verstehen soll!"
Ein wenig Gelächter brande auf, wie es so war, wenn der Vorgesetzte einen Witz machte, und ein paar Willkommensrufe für Tarutius. 

"Zu Punkt Zwei: Ein Lob an alle beteiligten Abteilungen. Unser edler Statthalter Petilius Rufus zeigte sich mit den Einkünften der Stadt Iscalis und seiner Revision unserer Bücher im Großen und Ganzen zufrieden. 
Kleinigkeiten, die ihm aufgefallen sind und die man noch effizienter lösen könnte, werde ich nach und nach in Einzelgesprächen klären"
Auch diesmal gab es zufriedene Gesichter. Das Lob ging hinunter wie Olivenöl. Diejenigen, die ein klein wenig zu Bestechungsgeld neigten, atmeten auf. 
"Denken wir immer an den mahnenden Spruch des göttlichen Kaiser Tiberius über die Verwaltung von Provinzen: Man soll die Schafe scheren, aber ihnen nicht das Fell über die Ohren ziehen", sprach Saturninus ein wenig in die Richtung der Betreffenden, die er namentlich kannte. 

Ein wenig Korruption sorgte dafür, dass die Dinge funktionierten. Zuviel davon aber war verderblich und lähmte den Staat, das war Saturninus Meinung dazu, auch wenn er das in der Öffentlichkeit nicht so ausgedrückt hätte:
"Und nun zu den Spielen zu Ehren des Statthalters", Saturninus dunkle Augen ruhten ernst, doch nicht unfreundlich auf Nautius Philus:
"Möchtest du zuerst  etwas dazu sagen, werter Provinzschreiber Nautiius Philus?", fragte er.
Meinem Gegenüber war zum Glück meine Überraschung beim Anblick seiner Haare nicht aufgefallen. Einen Römer mit solch heller Haarfärbung sah man wirklich selten. Aber die Natur schien auch da gelegentlich zu Kapriolen zu neigen. Doch was weitaus wichtiger als das Aussehen bei einem Menschen war, war sein Charakter, den man oft nicht auf dem ersten Blick sah. Nautius Philus schien recht sympathisch zu sein, da er mich als seinesgleichen wahrnahm. So wie auch Furius Saturninus und all die anderen Römer, mit denen ich zu tun hatte. Wahrscheinlich würde es anders aussehen, wenn sie alle wüssten, wer oder was ich in Wirklichkeit war. Ich hoffte sehr, dass so schnell keiner hinter meine Tarnung kam.
Nautius Philus sprach davon, wie er zu seiner Anstellung gekommen war. Der Princeps officii hatte dabei seine Hände im Spiel. Nautius selbst war erst seit kurzem hier. "Oh direkt aus Rom kommst du!" rief ich bewundernd, noch bevor ich richtig über seinen letzten Satz nachgedacht hatte. "Oh, mein Beileid zum Verlust deines Bruders! Das tut mir sehr leid!" Ich hatte für einen Moment wieder meine Stimme gesenkt. Natürlich wollte ich nicht nachhaken, woran sein Bruder gestorben war. So verstrichen einige Herzschläge, bis ich wieder auf Rom zu sprechen kam. "Leider hat es mich bislang noch nicht nach Rom verschlagen. Doch ich hoffe, dass auch ich eines Tages die urbs aeterna sehen kann!" Mir persönlich lag absolut nichts an Rom. Doch wahrscheinlich würde ein echter Römer alles tun, um einmal dorthin zu kommen. "Ich bin bisher niemals aus Britannia herausgekommen. Geboren wurde ich in Calleva Atrebatum und aufgewachsen bin ich in Londinium. Nun bin ich hier." Das klang nicht gerade nach einer steilen Karriere. "Auf gute Zusammenarbeit!" erwiderte ich dann noch dem Provinzschreiber und streckte ihm meine rechte Hand entgegen.

Kurz darauf erschien dann schließlich der Princeps officii, der die Mitarbeiterversammlung offiziell eröffnete. Er kam recht schnell auf den Punkt, nachdem er die Anwesenden begrüßt hatte.
Als erstes widmete er sich meiner Person und stellt mich den Mitarbeitern als neuen Dolmetscher vor, den man in allen Belangen, in denen Kelten involviert waren, hinzuziehen konnte. Selbst bei solchen, die des Lateinischen mächtig waren, um zu erfahren, was sie untereinander sprachen. Dabei kam ein dezentes Gelächter auf und auch ich schaute grinsend in die Runde und nickte dabei grüßend jedem zu. Nun würde es in meiner Macht liegen, was diese Römer erfuhren, oder auch nicht.
Des Weiteren sprach er kurz den Besuch des Statthalters  und die Einkünfte der Stadt an, mit denen sich dieser wohl zufrieden gezeigt hatte. Doch wenn ich seine Worte richtig interpretiert hatte, schien es auch hier einige Fälle von Korruption zu geben, die der Furius aber gewillt war, zu akzeptieren.
Schließlich kam er auf die Spiele anlässlich des Statthalterbesuches zu sprechen und übergab dabei das Wort an meinen Sitznachbarn.
Für Philus hatte diese Eröffnungsrede einen leicht bitteren Beigeschmack. Er war noch zu idealistisch, um sich über korrupte Methoden zu freuen, in was für wohldosierten Dosen sie auch verabreicht wurde. Was ihm jedoch einen trockenen Mund machte, waren nicht die kleinen Bestechungsgelder oder der neue Dolmetscher. Er wusste selbst, dass er sich mit den Spielen keinen Gefallen getan hatte. Er hatte es mit seiner Kreativität eindeutig übertrieben. Als ihn Saturninus nun bat, aufzustehen und die Sache aus eigener Sicht zu erläutern, holte er tief Luft. Ihm war klar, dass manche der Beamte sich über einen kleinlauten Patrizier sehr amüsieren mussten.
Philus, nun stehend, fixierte einen Punkt auf der Tischplatte.
"Ich entschuldige mich für die peinliche Panne während der Spiele. Vom Geist der Hinrichtungen habe ich mich anstecken lassen und in meinem Bestreben, beide Völker in die Spiele einzubeziehen, habe ich einige falsche Entscheidungen getroffen. Ich hoffe, mein Versagen fällt nicht auf die Stadtverwaltung zurück."
Der junge Philus sprach mit rührender Aufrichtigkeit. Anstatt sich herauszuwieseln, gestand er seine Schuld ein. Sich herauswieseln musste er unbedingt noch lernen, das gehörte zu jeder Politikerausbildung. 
Aber anderseits hatte der junge, blonde Patrizier, der sein Herz öffnete, etwas erfrischend Überzeugendes. Diejenigen, die auf gewöhnliche Wahlversprechen nichts mehr gaben, weil sie zu oft enttäuscht worden waren, würden eventuell Nautius Philus ihre Stimme geben.
Saturninus bemerkte aber auch, dass einige nun zu ihm schauten, das waren die Mitarbeiter, die generell die Meinung ihres Chefs teilten:

" In einem alten Spruch heißt es: Nur wer Entscheidungen trifft, kommt überhaupt einmal in die Lage,  Fehler machen", sagte er daher.
Eigentlich war es ein Beamtenwitz, der so ging: Wer Entscheidungen trifft, macht Fehler. Wer keine trifft, macht keine Fehler. Wer keine Fehler macht, wird befördert. Aber Saturninus erzählte ihn nicht ganz, denn das hätte wiederum auf ihn und wie er selbst auf seine Position gekommen war, kein gutes Licht geworfen:

"Es war mutig, die Spiele so zu gestalten, wie du sie gestaltet hast: Es war neuartig, originell, bisher nie dagewesen.  Vielleicht kommen Bärenmänner ja auch mal in Rom in Mode, wer weiß das schon. Meinen Geschmack hat es getroffen. Und auch wenn es den Geschmack des edlen Petilius Rufus nicht traf - zumindest sein Bogenschütze hat getroffen, als er den Bärenmann erledigte. Das gab viel Beifall von allen Rängen, besonders von den Damen, deren mitleidiges Herz wegen der armen Sklaven zerfloss"

Das war ein Seitenhieb gegen die Claudia Sabina. Bestimmt gehörte auch sie zu den Damen der Gesellschaft, die ihre verzweifelte Ornatrix auspeitschen ließen, wenn sie ihren "bad hair day" hatten, aber dann, wenn es darum ging, sich in den Mittelpunkt zu stellen, ganz plötzlich ihre soziale Ader entdeckten: 

"Bei den Circuspielen ist das höchste Ziel, dass das Volk zufrieden ist. Auch der Statthalter weiß das. Und dieses Ziel wurde erreicht! Du solltest deine Leistung also selbst mehr würdigen, Marcus Nautius Philus, denn Iscalis hat sie mit Jubelrufen gewürdigt! Ich danke dir im Namen der Zivilverwaltung für die gelungene Vorbereitung der Spiele"

Die Hofschranzen fingen schon an, zu applaudieren, als Saturninus sagte, dass die Spiele nach seinem Geschmack waren. Da waren sie verlässlich. Andere, die eine eigene Meinung zu haben pflegten, nickten aber auch wohlwollend Philus zu.

Der Furius schaute in die Runde: "Gibt es noch etwas von eurer Seite, was ihr hier besprechen wollt, werte Mitarbeiter?", fragte er.
Philus lächelte verlegen und nickte stumm.
"Ich denke für das Lob. Dennoch, sollte ich je wieder die Ehre erhalten, ein solches Ereignis zu organisieren, werde ich mich an traditionellere Praktiken halten. Vielleicht wäre es zu diesem Zweck langfristig eine gute Idee, einen Ludus anzulegen. Mit den beiden Gladiatoren haben wir einen guten Grundstock, aber für richtige Spiele benötigen wir mehr. Es mag ein günstiger Moment sein, jetzt wo wir die Rennställe in die Stadt bringen, die Unterhaltungsstrukturen der Stadt gleichermaßen zu fördern. Selbstverständlich sehe ich ein, dass wir weitaus drängendere Ausgaben zu tätigen haben."
Nun schweigend, nahm Philus wieder Platz und war sichtlich erleichtert, dass sein Kopf noch dran war.
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