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Normale Version: Weniger romantisch als gedacht - der Nachwuchs kommt
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Oh, verdammte Scheiße, ich würde ihn umbringen! Ich würde ihm das blöde Ding abreißen und nie, nie wieder auch nur ansatzweise so etwas blödes tun, wie mit ihm zu schlafen, wenn dabei sowas raus kam! Ich würde…


Die nächste Wehe erfasste mich und ließ mich wimmernd in die Knie gehen, während ich versuchte, diese verdammten Schmerzen wegzuatmen. Ich war ja nicht zimperlich und hatte in meinem Leben schon einige Schmerzen ausstehen müssen, aber das hier war schlimmer. Ich hatte das Gefühl, als würde ich von innen nach außen heraus auseinandergerissen und aufgebrochen. Von den ganzen anderen, ekligen Sachen, die mein Körper die letzte halbe Stunde so getan hatte, ganz zu schweigen.


Es hatte ja ganz harmlos angefangen. Ich hatte unruhig geschlafen, weil ich immer wieder dieses elende Ziehen gespürt hatte, das seit Tagen mein ständiger Begleiter war. Irgendwann vor Sonnenaufgang war ich aufgestanden und hatte auf einmal das dringende Bedürfnis verspürt, nochmal zu putzen. Also hatte ich mein Zimmer gefegt, die Öllampen aufgefüllt, die Bettdecke gewechselt und überlegt, neues Stroh in die Matratze zu besorgen, sobald der Markt mal öffnen würde, als auf einmal diese verdammten Schmerzen angefangen hatten. Ich meine, ich hatte die meiste Zeit zur Zeit schmerzen, aber auf einmal hatte es so richtig angefangen, in den Rücken rauf zu ziehen und im Bauch zu krampfen, so dass mir schon schwindelig wurde.
Und naja, ab da an ging es steil bergab. Die Krämpfe kamen immer regelmäßiger, meine Laune wurde immer gewalttätiger und ich unruhiger, und schließlich platzte meine Fruchtblase, so dass ich erstmal dachte, ich hätte mich vollgepinkelt. Das hatte ich da aber nicht. Noch nicht.


Die ganzen, sehr unappetitlichen Details, die ich so bald wie möglich vergessen wollte, außen vorgelassen war es also jetzt so weit, dass zwei Hebammen um mich herumschwärmten und mich abwechselnd dazu anhielten, noch etwas zu laufen, oder doch mich auf so einen erbärmlich niedrigen Hocker zu setzen, um das ganze voranzubringen, während das restliche Haus eben jenes für heute abgesperrt hatte und mir wohlweißlich sehr aus dem Weg ging.
Grade veratmete ich wieder so eine verfluchte Wehe, während ich vor mich hinjammerte, welche Grausamkeiten ich alles meinem Mann anzutun gedachte, sollte er jemals wieder auch nur in die Nähe meiner Fortpflanzungsorgane kommen.


Warum hatte ich mich nur darauf eingelassen? Und viel wichtigere Frage: Warum gab es Frauen, die sowas tatsächlich mehrmals mitmachten? Einmal, ja, da konnte man Unwissenheit unterstellen. Aber mehrfach? Die mussten komplett verrückt sein. Nein, auf keinen Fall würde ich….


Nicht mal Denken war bei der nächsten Wehe möglich. Und verdammt, mir war so heiß und ich schwitzte wie ein Rennpferd. Die Hebammen bugsierten mich zu diesem lächerlichen Stühlchen, das sie dabei hatten, und ließen mich tief in der Hocke darauf sitzen, während ich mich in ihre Arme krallte. Auch wenn sie mich nicht dazu aufgefordert hätten, zu pressen, hätte ich jetzt damit angefangen. Ging nicht anders. Entweder pressen, oder platzen, das waren meine Möglichkeiten. Also presste ich, so gut es ging, und hoffte, dass dieses unappetitliche Kapitel bald vorüber wäre.
Fast eine Woche war seit unserem nächtlichen Gespräch vergangen. Es hatte mich zwar etwas besänftigt, doch es gab immer noch viele ungeklärte Fragen. Ich wollte Aglaia damit  jedoch nicht belasten, denn ihre Schwangerschaft schritt voran und wurde zunehmend anstrengender für sie.en 
Als ein junges Mädchen bei mir in der Schmiede aufgetaucht war und ihren Schmuck gegen ein Messer, ein paar Pfeile und einen alten Bogen getauscht hatte, den ich vor einiger Zeit als Bezahlung für eine Kesselreparatur erhalten hatte, wurde ich daran erinnert, dass es an der Zeit war, die Quelle der Brigid aufzusuchen und die große Mutter um eine baldige, leichte Geburt zu bitten. Denn sie hatte erwähnt, dass sie selbst dorthin wollte. Ich bot ihr an, sie am nächsten Tag zu begleiten, aber sie lehnte ab, da sie es eilig hatte.
Am nächsten Tag erzählte ich meiner Frau, dass ich die kommenden Tage in Cheddar bleiben würde, da ich viel Arbeit hatte. Tatsächlich ritt ich jedoch zur Quelle. Sie musste nicht wissen, wohin ich ritt und was ich dort tat. Sonst würde sie sich nur wieder unnötig aufregen und das wollte ich vermeiden!

Vier Tage später kehrte ich abends voller Hoffnung von der Quelle zurück. Ich war überzeugt, dass die Göttin mein Opfer angenommen und mein Gebet erhört hatte, denn meine Frau berichtete mir von einem Ziehen, das sie bereits in den letzten Tagen verspürt hatte. Sie hatte war die ganze Nacht so unruhig  gewesen und hatte kaum geschlafen. Schließlich stand sie noch vor Sonnenaufgang auf und begann plötzlich zu putzen. Ich hatte keine Ahnung, warum sie das tat, denn ich hätte gerne noch etwas länger geschlafen. Aber sie ließ mir keine Wahl! Verschlafen fragte ich sie, ob ich ihr helfen sollte, da sie vor Schmerzen stöhnte. Sie sagte mir jedoch, dass ich schon genug getan hätte. Damit verbannte sie mich aus ihrem Schlafzimmer und ich suchte mir schlaftrunken einen Platz zum Schlafen. Aber daraus wurde nichts. Da die Geburt nun bevorstand, sollte ich die Hebammen holen, die Aglaia betreuen würden. Die beiden Frauen waren sehr resolut und bedachten mich mit einem niederschmetternden Blick. Dann machten sie mir unmissverständlich klar, dass ich mich erst wieder bei meiner Frau blicken lassen sollte, wenn sie mich riefen. So verbrachte ich Stunde um Stunde vor Aglaias Tür und hörte nur ihr lautes Stöhnen, Wimmern, Schreien, Fluchen und die Verwünschungen, die nur mir allein galten.
Ja, ich fühlte mich ein wenig schuldig! Außerdem hatte ich wirklich Angst, sie würde mich nach der Geburt davonjagen. Aber andererseits war das doch der natürliche Lauf der Dinge. Irgendwie musste das Kind aus ihrem Bauch herauskriechen, obwohl ich natürlich keine Vorstellung hatte, wie das funktionieren sollte. Aber es würde funktionieren, sagte ich mir immer wieder, während ich die abschätzenden Blicke einiger Hausbewohner erntete, die mir ganz bestimmt auch die Schuld an der ganzen Situation gaben. 
Einen Moment erwog ich sogar den Gedanken, nach Cheddar zu reiten, um in der Schmiede zu arbeiten. Aber wenn das Kind kam und ich nicht da war, würde Aglaia mir das erst recht nicht verzeihen!
Es dauerte noch erschreckend lange und mit sehr vielen unappetitlichen Details, über die ich schwor, niemals auch nur mehr nachzudenken und jedem persönlich die Zunge rauszureißen, der darüber auch nur einen Ton reden würde. Aber nach dieser gefühlten Ewigkeit voller Schmerzen und Anstrengungen war es dann endlich vorbei.

Viele Frauen erzählten ja, dass der Schmerz vollständig vergessen wäre und man sofort schockverliebt in dieses kleine Wesen wäre, das da aus einem rausgekommen ist. Also, bei mir war das nicht so. Mir tat wirklich alles weh und fühlte sich aufgerissen an, und die Hinweise der Hebammen, wie ich die nächsten Tage am besten pinkeln sollte, um keine Schmerzen zu haben, machten es nicht wirklich besser. Und mein Kind kam mir irgendwie unwirklich vor und war jetzt nicht das hübscheste Baby, das ich je gesehen hatte, sondern sah aus wie alle Babies, die ich so gesehen hatte. Von einer überwältigenden Liebe bis hin zur Selbstaufopferung spürte ich zumindest gerade noch nix. Ich war einfach nur furchtbar müde.

Nachdem irgendwann die Nachgeburt auch draußen war, die Hebammen damit fertig waren, in mir mit ihren Händen herumzugreifen und sie alles aufwischten, ging ich auch mit etwa zwanzig Tüchern als Sicherheitsunterlage zurück ins Bett. Ich war froh, dass ich gehen konnte, aber an mir runtergucken wollte ich lieber nicht. Mein Bauch fühlte sich weich und wabbelig an, wie ein Ball, aus dem man die Luft gelassen hatte. Von dem darunter wollte ich gar nicht wissen, wie das jetzt aussah. Die Hebammen hatten was von Rissen geredet, die die nächsten Wochen heilen würden. Ich war mir wirklich unsicher, wie das da aussah und ob jemals ein Mann das wieder begehrenswert finden würde. Oder ob ich es je wieder einem zeigen würde.
Ich legte mich hin und hatte dieses frisch abgewaschene, in Decken gewickelte Würmchen bei mir. Ich hatte noch gar nicht gefragt, was es überhaupt war. Irgendwie war es mir bis gerade auch nicht wichtig gewesen, aber jetzt, wo ich langsam realisierte, dass es vorbei war und ich noch lebte und das Kind auch lebte, wurde ich doch neugierig und öffnete leicht die decke, um nachzuschauen.

Und dann heulte ich. Ich war fertig mit den Nerven und konnte mich jetzt nicht zusammenreißen und heulte einfach los, als ich es sah. Ein Mädchen. Ich hatte ein Mädchen geboren. Meine Mutter würde mit aller Macht versuchen, ihre Klauen in dieses Mädchen zu schlagen und sie zu dem machen wollen, zu dem zwingen wollen, was sie mit mir gemacht hatte. Und ich hatte gerade keine Ahnung, wie ich ihr etwas anderes denn beibringen oder ermöglichen sollte, da ich doch selbst nichts anderes kannte als dieses Leben.
Stunden vergingen, doch nichts geschah. Aglaias Schreie und Flüche, die durch die Tür drangen, wurden immer heftiger und lauter. Ich befürchtete das Schlimmste. Meine Angst galt ihr, unserem Kind und letztlich auch mir selbst. So hatte ich sie noch nie erlebt! Dabei fühlte ich mich so hilflos, ja fast schon überflüssig. Zudem fragte ich mich, ob sie mich nach der Geburt überhaupt noch haben wollte, nach allem, was ich ihr mit der Schwangerschaft zugemutet hatte.

Der Vormittag war längst vorbei, dann folgte der Mittag und der Nachmittag. Doch noch immer waren die Hebammen nicht mit einer Nachricht aus dem Zimmer herausgetreten. Inzwischen hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl, auf dem ich noch zu Anfang gesessen hatte. Ich lief ungeduldig auf und ab und verwandelte mich langsam aber sicher in ein einziges Nervenbündel!

Endlich, als es schon Abend geworden war, verstummten Aglaias Schreie und Stöhnen. Stattdessen drang der Schrei eines Neugeborenen aus dem Zimmer heraus. Ich sah sofort auf und versuchte, die Worte jener Stimmen zu enträtseln, die nun sprachen. Dann drängte ich zur Tür, doch ich wagte es nicht, sie zu öffnen, denn ich hatte die drohende Stimme der Hebamme nicht vergessen, die mir heute Morgen deutlich gemacht hatte, dass sie darüber entschied, ob und wann ich mein Kind zu sehen bekam. Irgendwann aber hielt ich es einfach nicht mehr aus! Ich setzte mich über alle Bestimmungen hinweg, wagte es, die Tür zu öffnen und stürmte zu meiner Frau hinein. Die beiden Hebammen, die ich locker eine Kopflänge überragte, warfen mir ein paar böse Blicke zu. Doch das störte mich nicht. Schließlich fand ich Aglaia in ihrem Bett liegend, mit einem Bündel in ihren Armen. Als ich sie sah, wie sie so verschwitzt und abgekämpft da lag, aber dennoch irgendwie vor Glück weinte, war ich einfach nur noch überwältigt! Ich setzte mich zu ihr auf den Rand des Bettes und hoffte, sie würde mich nun nicht davonjagen. "Ist das unser Kind?" fragte ich sie voller Erwartung und versuchte, einen Blick auf das kleine Menschlein zu erhaschen. Es sah noch ganz hutzelig aus und wirkte so hilflos. Ein wenig Flaum hatte es bereits auf dem kleinen Köpfchen und es grunzte ein wenig, als es scheinbar nach der Brust seiner Mutter suchte. Für mich war es das entzückendste Wesen auf der ganzen Welt! "Es ist wunderschön!" sagte ich. Ob Aglaia mir wohl gestatten würde, das Kind zu nehmen? Ich wollte es auch so gerne einmal in meinen Armen halten.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Owain reingekommen war. Ich war gerade zu beschäftigt mit meiner Verzweiflung und überhaupt müde und fertig und wollte von nichts und niemandem etwas wissen, als er auf einmal neben mir saß und fragte, ob das unser Kind sei. Ich musste lachen, aber nicht auf die gute Art, da die Frage so unsinnig war, das ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte und ich einfach gerade nur fertig war und weder schlagfertig, noch vernünftig reagieren konnte. Aber wessen Kind sollte das denn sonst sein?
Ich heulte und lachte und zitterte, als ich ihm das Bündel einfach in die Arme schob und mich auf die Seite warf, um in mein Kissen zu schluchzen. Ich war so müde und alles tat so weh und alles war so furchtbar auf einmal, dass ich mich fragte, was ich mir nur dabei gedacht hatte, das Kind bekommen zu wollen.
“Es ist ein Mädchen“ schluchzte ich die Worte, von denen ich nicht wusste, ob Owain überhaupt begriff, was sie bedeuteten. Was sie wirklich bedeuteten. Mir ging es nicht um einen Stammhalter für ihn oder um die Vorstellung, nur Männer wären etwas wert oder dergleichen. Das war mir ziemlich egal. Aber was meine Mutter tun würde, dass sie bestimmt versuchen würde, mir das Mädchen wegzunehmen, um wieder einen gewinnbringenden Körper zur Verfügung zu haben, das war mir alles andere als egal.
Natürlich war das unser Kind! Warum stellte ich nur so eine dämliche Frage? Meine Gefühle hatten mich so überwältigt, dass ich offensichtlich nicht mehr klar denken konnte. Aglaia antwortete jedoch nicht. Sie lachte nur, ein Lachen, das mich verunsicherte. Sie weinte, lachte und zitterte gleichzeitig. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. In diesem Moment fürchtete ich, dass etwas Schreckliches geschehen war, das sie nicht in Worte fassen konnte. Sie legte mir das Kind in die Arme und warf sich dann zur Seite, um in ihre Kissen zu schluchzen. Zunächst war ich etwas unbeholfen, denn es war das erste Mal, dass ich ein Kind – mein Kind – in meinen Armen hielt. 
Es ist ein Mädchen, hatte sie geschluchzt. Doch wenn das der einzige Grund für ihre Verzweiflung war, konnte ich sie beruhigen. Es war mir egal, ob ich einen Sohn oder eine Tochter hatte. Natürlich hätte ich meinem Sohn irgendwann mein Handwerk beibringen können. Aber eine Tochter würde ich genauso lieben. Wenn sie alt genug war, würde ich ihr alles beibringen, wie man reitet oder sich selbst verteidigt. 
Ich schob das Tuch beiseite, um das Gesicht dieses kleinen Wunders zu betrachten. Unsere kleine Tochter war wunderschön. Ich sprach mit ihr in meiner Sprache, als ob sie jedes Wort verstehen würde. Und das würde sie auch lernen.
"Delith! Was hältst du davon, wenn wir sie Delith nennen?", fragte ich Aglaia. "Das bedeutet 'hübsches Mädchen'. Und das ist sie! Sie ist ein wunderschönes Mädchen!" Mir fiel kein passenderer Name ein.

Schließlich wandte ich mich Aglaia zu. Es gab keinen offensichtlichen Grund, warum sie weinen musste. Das Kind war gesund und ich hatte kein Problem damit, dass es ein Mädchen war. Also, warum war sie so aufgewühlt? Hatte sie Angst vor dem, was nun vor ihr lag?  Dass sie dem nicht gewachsen war? Aber ich war mir sicher, Aglaia würde eine wundervolle Mutter sein. Und sobald wir dieses Haus verlassen und in Londinium leben würden, würde nichts mehr an ihr altes Leben erinnern.
Mit meiner freien Hand strich ich sanft über ihren Rücken. "Du hast mir das schönste Geschenk gemacht, das sich ein Mann nur wünschen kann!" Dann beugte ich mich zu ihr und küsste sanft ihren Hals.
Oh, Götter, er verstand nicht. Er verstand überhaupt gar nichts. Ich heulte und hatte Schmerzen und er redete nur darüber, wie das Kind denn heißen sollte, und wollte ihr einen unaussprechlichen, britonischen Namen geben. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Bei dem allem hier? Ich kam mir so dumm vor, und das hier war jetzt die Art der Götter, mich für meine Dummheit zu bestrafen.

“Sie wird römische Bürgerin sein. Sie braucht einen römischen Namen“, meinte ich gequält und drehte mich unter einigen Schmerzen herum, so dass ich ihn ansehen konnte. “Du verstehst überhaupt nichts, Owain. Meine Mutter wird versuchen, sie uns wegzunehmen. Sie auch zu verkaufen, wie sie mich verkauft hat, sobald sie alt genug ist. Ich dachte, mit einem Kind wird alles besser, weil ich jetzt Römerin werden kann. Dass wir in Londinium neu anfangen können, ohne die Infamie und all das. Aber es wird nie aufhören. Es wird immer weitergehen.“ Vielleicht verstand er ja jetzt, weshalb ich seine Freude gerade nur sehr schwer ertragen konnte.
Den Namen, den ich vorgeschlagen hatte, gefiel ihr anscheinend nicht. Er war ihr zu fremd. Ein römischer Name sollte her, denn unsere Tochter würde eine römische Bürgerin werden, sagte Aglaia mit gequälter Stimme. Ich nickte nur nachdenklich, denn ich wollte ihr jetzt in ihrem Zustand keine Widerworte geben. Das  würde sie nur wieder aufregen. Es mochte zwar sicher so sein, dass unser Kind einen römischen Namen brauchte, aber meiner Tochter würde ich auch ihr keltisches Erbe mitgeben. Sie sollte nicht vergessen, woher sie kam und dass sie silurisches Blut in sich trug.

Aglaia hatte sich inzwischen wieder zu mir umgedreht, so dass ich ihr schmerzverzerrtes Gesicht sehen konnte.  Sie sah kein bisschen glücklich aus. Nicht wie eine glückliche Mutter. Etwas bedrückte sie und ich wusste nicht, was es war, denn ich hatte ihr doch schon versichert, dass ich mit unserer Tochter auch glücklich war.  Dann aber brach es aus ihr heraus! Mit heulender Stimme warf sie mir vor, dass ich nichts verstehen würde. Es war ihre Mutter, vor der sie sich fürchtete! Dass sie uns unsere Tochter wegnehmen könnte, um auch aus ihre eine Hu.. Hetäre zu machen. Als sie das sagte, sträubte sich alles in mir. Ich spürte, wie meine Wut in mir hochkochte. Aglaias Mutter hatte mir nie verziehen, dass ich ihre Tochter geschwängert hatte und sie würde mich auch jetzt nicht mögen. Doch sollte sie auch nur einen Finger an unsere Tochter legen, würde sie mich kennenlernen! Mein Gesicht verfinsterte sich. "Nein! Es endet genau hier und heute!" sagte ich mit fester Stimme. "Sollte deine Mutter unserer Tochter auch nur ein Haar krümmen, dann wird sie das bitter bereuen! Das verspreche ich dir! Und du wirst dich von nun an nie wieder verkaufen! Damit ist nun Schluss!" Als wollte unsere Tochter meine Worte bestätigen,  begann sie  genau in diesem Moment an zu klären. Ich machte Aglaia nicht gerne Vorschriften, aber hier ging es um meine Familie! Ich war nun ein Vater und musste mein Kind und meine Frau vor jeder Bedrohung beschützen. Selbst dann, wenn es die eigene Mutter und Großmutter war!
Auf einmal wurde Owain ärgerlich, und einen sehr kurzen Moment hatte ich nach seinem ersten Satz die Hoffnung, dass er mir Mut machen und versichern würde, dass unserem Kind nichts passieren würde. Aber weit gefehlt. Ganz weit gefehlt.
Auch wenn ich Schmerzen hatte und die Hebammen zwar so taten, als bekämen sie nichts mit, aber sehr wohl alles mithörten, zog ich mich ein wenig zurück und in eine aufrechte Sitzposition, den Rücken leicht an das Kopfteil gelehnt, und schaute Owain entsetzt an. Einen ziemlich langen Moment starrte ich ihn an, ehe ich ihn dann jetzt doch anschrie – etwas, das ich noch nie getan hatte. Wahrscheinlich hatte ich in meinem ganzen Leben noch keinen Mann angeschrien, da das nicht fein war. Aber ich war verletzt, müde, erschöpft, hatte Angst und mir tat alles weh nach der Geburt seines Kindes. Und trotzdem kam er mir jetzt so und wollte mich unter seinen Willen zwingen, und da rastete ich einfach komplett aus.
“Was erlaubst du dir?! Ich bin nicht deine Sklavin, der du Befehle erteilen kannst, wie es dir passt!“ Ging es ihm darum? Die ganze Zeit schon? Wollte er deshalb unbedingt das Kind mit mir haben, weil er mir dann Vorschriften machen konnte?
Da standen wir wieder, genau dort, wo wir vor einigen Wochen schon einmal standen, nach dem Empfang für den Statthalter in Furius' Haus. An einem Tag wie diesem! Meine Absichten waren doch gut gewesen, ich wollte nicht über sie bestimmen. Konnte sie nicht sehen, wie alles miteinander zusammenhing? Sie hatte Angst, dass unsere Tochter das gleiche Schicksal erleiden könnte wie sie durch ihre Mutter. Aber wollte sie wirklich so weiterleben? Sie war jetzt auch eine Mutter! Hatte sie nicht den Wunsch, eines Tages aufzuhören und ein ehrbares Leben zu führen? Zumindest hatte sie einmal davon gesprochen. Welches Vorbild würde sie für unsere Tochter sein?

Sie war entsetzt über meine Worte. Ich hatte offen ausgesprochen, was ich dachte und mir wünschte. Vielleicht war der Zeitpunkt ungünstig gewählt, aber nachdem sie mir von den Absichten ihrer Mutter erzählt hatte, konnte ich nicht mehr anders. Ich sah es als meine Aufgabe an, sie und unser Kind zu schützen.
Als sie sich aufgerappelt hatte und gegen das Kopfteil ihres Bettes lehnte, schrie sie mich an. Das hatte sie noch nie getan. Ich war überrascht, ja geschockt. Unser Kind schrie weiterhin. Ich wiegte es zunächst noch in meinen Armen, um es zu beruhigen, aber es half nichts. Ich stand auf und gab das Kind einer der Hebammen.
Sie hatte nicht verstanden, was ich sagen wollte. Sie glaubte, ich wollte über sie bestimmen, als wäre ich ein Römer, der seine Frau wie ein unmündiges Kind behandelte. Aber das war nicht meine Absicht! Sie sollte erkennen, dass es besser für sie wäre, nicht mehr als Hetäre zu arbeiten. Ich sah, wie schlecht es ihr ging und wollte nicht, dass die Situation eskalierte. Daher schluckte ich meinen Ärger hinunter, wie ich es schon oft getan hatte, wenn es um dieses Thema gegangen war. "Nein, das bist du nicht", antwortete ich verhalten und setzte mich wieder auf die Bettkante. "Du bist meine Frau, ich bin dein Mann und das ist unser Kind. Ich will dir keine Befehle erteilen. Ich will nur, dass du keine Angst mehr haben musst und dass es unserem Kind gut geht. Das ist mein größter Wunsch. Ich habe dir versprochen, dich immer zu beschützen, egal gegen wen. Das habe ich nicht vergessen." Ich fühlte mich müde und belastet. Ich fragte mich, was ich wirklich für sie war. Ihr Freigelassener? Ihr Ehemann oder nur eine Marionette, die nach außen hin den schönen Schein wahren sollte? Dabei liebte ich sie doch so sehr und gerade jetzt wäre ich ihr gerne nahe gewesen. Damit ich ihr meine Dankbarkeit zeigen konnte, für das Geschenk, dass sie mir gemacht hatte. Ich streckte schließlich meine Hand nach ihr aus.
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