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Normale Version: [Schreibstube] Legat Augusti Petilius Rufus
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Saturninus ging voraus. Mittlerweile hasste er sich dafür, den Brandbrief im doppelten Sinne des Wortes geschrieben zu haben, doch das Imperium zu schützen war ihm wichtiger als sein Renommee.  Dennoch nagte es an seinem Stolz, dass Petilius genau daran Zweifel durchblicken ließ. Was solls, dachte der Furier: Er kann mich höchstens meiner Funktion entheben. Doch nach Rom kann ich gerade auch nicht zurück.** Etwas verfahrene Sache......

Valentinus, der in jeder Situation die Nerven und seine Liebenswürdigkeit beibehielt, stand mit den Büchern parat; alles was Routine war, war bei ihm in besten Händen. "Ave Legat Augusti Petilius Rufus", grüßten die Angestellten. Keiner neigte den Kopf, sie waren römische Bürger, keine Sklaven. 
Stühle wurden gerückt, und der prachtvollste, wenn auch nicht der bequemste Sessel dem Statthalter überlassen:

Da Petilius Rufus angekündigt hatte, auf seine Ziele losgehen zu wollen wie ein Stier auf ein Tuch, legte Saturninus eine Abschrift des Briefes , den er damals nach Londinium gesendet hatte, als Gedächtnisstütze vor sich hin.

Furius Saturninus grüßt den edlen Statthalter Petilius Rufus und wünscht ihm Gesundheit und ein langes Leben.
Dies hier ist der Bericht über die Vorkommnisse am Abends des  Regierungsjubiläums unseres allergnädigsten Kaisers Caesar Vespasianus Augustus am 01. Juli
- es folgte eine kurze Übersicht über die Aktivitäten, die die Stadt- und die Zivilverwaltung gemeinsam geplant hatten -

Es war schon gegen Abend, etwa zur Zeit der ersten Nachtwache. Ich war nicht mehr auf dem Forum, da sich meine Gemahlin Furia Serena unwohl fühlte und ich sie nach Hause begleitete.  Plötzlich jedoch schien die Erde leicht zu beben. Danach folgte eine laute Detonation.
  Die Erschütterung war stark genug, um Glasscheiben klirren zu lassen. Dann schossen blendend weiße Flammen in den dunklen Himmel. Mauerwerk und Dachziegel schlugen als Steinregen herab.
Ich begab mich zurück zum Forum, um nach dem Rechten zu sehen.
  Dort liefen mir bereits einige der ehemalig Feiernden in Panik entgegen und riefen, dass ein Feuer ausgebrochen sei.
Es war das Haus eines gallischen Tuchhändlers namens Erwan, das brannte. Einige der Militärtribunen waren auf dem Fest gewesen, und als ich eintraf, versuchten bereits Soldaten mit Eimerketten den Brand zu löschen. Aber das Feuer war von ganz merkwürdiger Art, es brannte nämlich weiter, wenn es mit Wasser in Berührung kam. Es ließ sich nur mit Sand oder Wolldecken ersticken.
Mittlerweile gab es eine zweite Detonation, und man gab Befehl, die umherstehenden Holzhäuser nieder zu reißen, um den Brand zu kontrollieren, was nicht das Einverständnis aller fand. Um ein Haar wären die Soldaten mit der Bevölkerung aneinander geraten, obwohl erstere nur Schlimmeres verhüten wollten.
Ein Jugendlicher verletzte durch einen Steinwurf den Tribunus Prolegato Iulius Cato.
Ich hatte den Innengarten der Zivilverwaltung öffnen lassen und einige beherzte Bürgerinnen, darunter meine Gattin, sorgten für die Verletzten und Obdachlosen.
Erst später kehrte ich an die ursprüngliche Brandstelle zurück.
Mittlerweile war das Feuer mühesam eingedämmt. Ständig flammten neue Brandnester auf.
Im Inneren der Ruine wurden, nachdem man sie betreten konnte, bei der ersten Begehung etwa zehn halbverkohlte Leichen beiderlei Geschlechts gefunden.
Nicht alle konnten jedoch dem Brand zum Opfer gefallen sein. Bei mindestens zweien von ihnen fehlte der Kopf und mindestens eine von ihnen, die in der ehemaligen Küche lag, war zuvor schon so grausam zugerichtet worden, dass ich mich an die Opferrituale für die keltische Bellona, die Königin Boudicca während ihres Aufstandes an wehrlosen römischen Bürgerinnen vollstreckt hatte, erinnert fühlte. Außerdem stand an die Mauer im Atrium in drei Sprachen: Latein, Griechisch und Britonisch das Wort Verräter.
All diese Indizien sprechen für Brandstiftung. Aber es wurde niemand in das Haus eintreten gesehen und niemand hat es verlassen. Es ist allen, mit denen ich gesprochen habe, ein Rätsel.

Ich habe über den ehemaligen Eigentümer der Villa, den verstorbenen Gallier Erwan Erkundigungen eingezogen.
Es handelte sich um einen Tuchhändler, der schon mehrere Male versucht hatte, das Bürgerrecht zu erkaufen. Außer mit Tuch handelte er auch mit Keltinnen, wobei er sich wohl auch freigeborene Mädchen unrechtmäßig aneignete. Nur auf Grund seiner feinen Kleidungsreste war er überhaupt zu identifizieren, denn er gehörte zu denen, denen der Kopf fehlte. Die anderen Opfer waren vermutlich Angehörige seiner Dienerschaft. Da das Haushaltsbuch mit verbrannt ist, bleiben ihre Namen unbekannt. Auch über Erben oder eine Ehefrau war nichts zu erfahren.
Der Händler Erwan hat sich zweifellos durch die Art seiner Geschäfte Feinde geschaffen.

Dennoch halte ich persönlich die Verwendung eines unbekannten Brandbeschleunigers und die Wahl des Regierungsjubiläumstages nicht für einen einfachen Racheakt, sondern für eine Warnung an alle, die mit uns kooperieren. Ich bitte um weitere Anweisungen.

Vale bene Tib. Furius Saturninus Princeps Officii


Über die Einnahmen aus Iscalis, die florierende Landwirtschaft und den Bergbau, der Silber und Blei für den Kaiser förderte, würde sich der Legat Augusti auch später noch informieren können. Da gab es nichts Aufsehenerregendes:

" So sprechen wir gleich über das Unangenehmste, edler Legat Augusti: Seit dem Moment, als ich das Schreiben verfasst habe,  sind keine weiteren Erkenntnisse hinzugekommen", schloss Saturninus:
"Aber auch keine weiteren unerklärlichen Brände. Wer das getan hat, hält sich bedeckt. Doch die Möglichkeit, dass er wieder zuschlägt, ist für mich naheliegend"



Sim off: *Bildrechte bei mir, Potsdam 2019
** Das wird hier erzählt
 

Lucius Petilius Rufus betrat das Officium.

Für eine Provinzstadt war es ganz nett, wenn auch nicht zu vergleichen mit seinen Räumlichkeiten in Londinium. Aber es hatte wohl auch niemand angenommen, dass er tatsächlich einmal nach Iscalis käme und diese Räume tatsächlich einmal von ihm und nicht von dutzenden Schreibern oder als Lagerraum gebraucht würde. Für die Kurzfristigkeit seines Besuchs also war der Raum durchaus akzeptabel.

Der Princeps Officii, der nicht gänzlich erfreut wirkte, ließ auch gleich eine Abschrift seines Berichtes beibringen. Rufus hingegen nickte seinem Freigelassenen Petilius Pertax einmal zu, der daraufhin einen kleinen Lederball an den Legaten überreichte und anschließend seinerseits zu Tabula und Stylus griff.
Rufus fing damit an, langsam und gemessen durch den Raum zu gehen und dabei den Ball von einer Hand in die andere zu werfen oder wahlweise mal zu drücken. “Was gibt es denn für Spuren? Habt ihr hier Vigiles, die etwas von Bränden und Brandursachen verstehen?“
Rufus warf noch einmal einen Blick auf den Bericht, um sein gedächtnis etwas zu stützen. “Gibt es seitdem Sicherheitsmaßnahmen, die die Stadt ergriffen hat? Woraus schließt du, dass es weitere Anschläge geben soll und nicht ein persönlicher Racheakt gegen einen der Bewohner des Hauses war?“ Alles wichtige Fragen, die geklärt sein sollten.
Petilius Rufus begann, im Raum auf und ab zu gehen und dabei einen kleinen Lederball zu drücken. Saturninus schaute unwillkürlich hin - ein wenig wie eine Katze, der man mit einer Schnur vor der Nase herumwedelte. Dann nahm er sich zusammen und räusperte sich leicht:
"Wir haben keine Vigiles und auch keinen Experten für Brandursachen in Iscalis, Legat Augusti Petilius Rufus"
Das war für Kleinstädte außerhalb Italias oft der Fall:

"Bisher haben die hiesigen lokalen Handwerkerzünfte und Nachbarschaften die Brandbekämpfung übernommen. Bei langanhaltender Trockenheit hätte die Stadtverwaltung eine zeitweilige Feuerwehr aus Freiwilligen organisieren können. Dieser Sommer war warm, aber von einer ungewöhnlichen Dürre konnte gar nicht  die Rede sein, der Iscafluss führte die ganze Zeit Wasser. 
Da sich dieser Brand durch Eimerketten nicht löschen ließ, alarmierten die Militärtribune Iulius und Ovidius, die ja an der Feier für den Kaiser teilnahmen, gleich ihre Männer.  Sie bekämpften den Brand mit Hacken, Sand und einem Brandgraben. 

Nach dem Brand hat die Vexillation T.O.D. ihre Patrouillen verstärkt. Nicht nur im Zentrum, auch in den Wohnvierteln wurde vermehrt Streife gegangen. Aber außer ein paar keltischen Halbwüchsigen, die meinten, subversive Graffiti an die Wände schmieren und Steine werfen zu müssen, gab es keine weiteren Vorkommnisse"

Während  Saturninus sprach, hatte er einen Papyrus von seinem Schreibtisch genommen und hielt ihn dem Statthalter vor. Es war die Skizze, die Scaevus von der Schrift an der Wand des Tatorts gefertigt hatte:
"Du fragst, warum ich selbst der Ansicht bin, dass es sich nicht um einen einmaligen privaten Racheakt handelt? "







BADWR
TRADITOR

προδότης
 







"Eine Innenmauer im Atrium ist halb stehen geblieben und darauf hatte der oder die Täter eine mit Blut geschriebene Nachricht hinterlassen: Die Schrift war nicht mehr rot, sondern bräunlich schwarz, da Blut die Eigenschaft hat, den porösen Marmor zu penetrieren. Die Hitze der Explosion hat ihn dann förmlich glasiert"

 Saturninus überlegte, wie er sich ausdrücken konnte, ohne vor der kühlen Sachlichkeit des Petilius Rufus  abergläubisch zu wirken:

" Erstens ist da die ungewöhnliche Explosion durch einen unbekannten Brandbeschleuniger. Zweitens: Wer das geschrieben hat, wollte, dass alle Welt die Warnung versteht. Erwan war ein Kollaborateur. Und zwar einer der unangenehmen Sorte. 

Wer solch eine Aktion in die Wege leiten konnte, Statthalter Petilius Rufus, der kann sie jederzeit wiederholen. Und noch mehr"


Denn er hat eindeutig einen Faible für dramatische Auftritte, dachte Saturninus.
Lucius Petilius Rufus hörte zu.

Dass diese Stadt keine Vigiles hatte, war bedauerlich. Aber viele Städte hatten keine eigene Feuerwehr oder gar Leute, die sich mit Brandursachen auskannten. Schade, denn sonst hätten sich vielleicht mehr hinweise ergeben, wie die Ursache der schweren Löschbarkeit der Flammen.
Die Patrouillen waren gut, auch wenn Rufus sich etwas fragte, warum die Legion hier einfache Wächteraufgaben übernehmen musste. Das sollte sich ändern, die Stadt sollte für ihre eigene Sicherheit sorgen und nicht nach der Legion schreien müssen, wann immer es schwierig wurde. Die Legion war ja schließlich keine Dorf-Vigiles.

Furius Saturninus hielt Rufus ein Schriftstück unter die Nase, auf dem eigentlich nur drei Wörter standen. Das erste konnte Rufus zwar lesen, kannte aber dessen Bedeutung nicht. Die anderen beiden bedeuteten Verräter in Latein und griechisch, was darauf schließen ließ, dass das erste Wort ebenfalls diese Bedeutung hatte.
“Vor allen Dingen sagt es mir, dass dieser jemand, der den Hausherrn geköpft und die Wand beschmiert hat, Griechisch in Wort und Schrift kann, ebenso Latein und… aus welchem Keltenstamm auch immer dieses erste Wort stammt. Die Kelten können allgemein weder lesen, noch schreiben, und erst recht kein Griechisch. Das lässt eher auf eine gebildete Person schließen, am ehesten auf einen Römer, sofern hier nicht zufällig einige Griechen wohnen.
 Dass danach keine weiteren Vorkommnisse aufgetreten sind, lässt eher vermuten, dass es sich um etwas Persönliches gehandelt hat, das so gerächt wurde. Der Mann war Tuchhändler, nicht? Vielleicht hat er die Stoffe auch gefärbt oder nachbehandelt. Viele Farben brennen recht heftig, vor allen Dingen die günstigen.“
Rufus atmete einmal tief durch und war wesentlich beruhigter als vor seinem Eintreffen. Der Princeps Officii hier in Iscalis schien einer jener Männer zu sein, die Gewalt nicht gewohnt waren und deshalb schnell erschreckten und in übergroße Vorsicht verfielen. Er selber war in genug Schlachten gewesen, um den Anblick von gräßlich verstümmelten Leichen und Blut sehr gut zu kennen und war daher sehr viel weniger ängstlich.
Saturninus fühlte sich in der Tat etwas beruhigt ob der Rede des Statthalters, der vermutlich in seiner Laufbahn schon einiges an Verbrechen gesehen hatte und nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen war. Sein eigenes Bauchgefühl drängte er zurück. Bauchgefühl kam aus dem Bauch und nicht aus dem Verstand, wie der Name schon sagte und war eines römischen Patriziers ein klein wenig unwürdig:
"Nur weshalb dann das Wort Verräter schreiben? Wären im Fall von schlechter Ware nicht Pfuscher, Mistkerl, Galgenstrick naheliegender gewesen?
Es leben durchaus einige Griechen hier in Iscalis, Freigelassene", es gab nach Saturninus Meinung wenige Orte im Imperium, an denen man keine Griechen fand, sie waren ein sehr agiles Völkchen:
"Flavianus Pytheas, der Medicus und Claudianus Linos, der claudische Hausverwalter, sind ortsbekannt und auch gebildet genug, alles Mögliche in allen möglichen Sprachen zu schreiben. Wenn du es wünschst, könnte ich sie vorladen", er seufzte leicht:
" Dieser Brand, der sich nicht mit Feuer löschen ließ und danach die verschärften Kontrollen durch die Legion haben in der Bürgerschaft eine gewisse Unruhe aufkommen lassen. Du weißt, wie abergläubisch die Menschen sein können. Es fehlt nur, dass man auf die Idee kommt, dass der Ort verflucht ist und wir ihn alle verlassen sollen. Könnte man einen oder mehrere Täter präsentieren, wäre das hervorragend für unseren Ruf und jedem würde klar werden, dass das kein Akt der Götter war. Für die Hinrichtung der Mörder und Brandstifter hätte ich schon das passende Setting"
Saturninus dachte an die keltische Geschichte, die ihm Ceridwen erzählt hatte und dass er bei der Circusvorstellung aufführen lassen würde. Römische Bürger würde er nicht in die Arena schicken können, aber Griechen? Das wäre nicht übel, und es würde auch den Konflikt zwischen den Einwanderern und Alteingesessenen nicht weiter befeuern.
Lucius Petilius Rufus zuckte mit den Schultern.

“Verrat kann sehr persönlicher Natur sein. Wer weiß schon, welche Geheimnisse dieser Händler nun mit in sein Grab genommen hat.“ Rufus hielt diese Kleinigkeit nicht weiter von Belang. Kaum jemand trauerte einem Verräter hinterher. “Es hat sich niemand wegen des Toten beschwert? Öffentlich Rache gefordert?“ Das war immerhin keine Selbstverständlichkeit. Rufus sah irgendwie keinen Grund, für eine Sache Geld und Zeit aufzuwenden, die offenbar niemanden störte. Auch ein Mord konnte ungesühnt bleiben, wenn es schlicht niemanden gab, der eine Anklage anstrebte. Der Staat mischte sich da nicht von sich aus ein, solange es eben nichts war, was den Staat an sich gefährdete. Und ein Tuchhändler in der Provinz war wohl kaum von imperiumsweiter Wichtigkeit.

Da verwunderte es Rufus wirklich, dass der Princeps Officii nun einen Flavianus und einen Claudianus ins Spiel brachte. Er blinzelte kurz, weil er sich wirklich überlegen musste, ob das gerade wirklich zur Debatte stand, ehe er sich fing und nur kurz den Kopf schüttelte. “Wir werden wegen einem einfachen Tuchhändler ganz sicher nicht den Flaviern oder den Claudiern ans Bein pinkeln, Furius. Du hast ja keine Vorstellung von dem Ärger, den das zur Folge hätte.“ Nein, so etwas würde er nur tun, wenn wirklich sehr zwingende Beweise schon zuvor vorlägen – und auch dann würde er erst einmal Nutzen und Risiken gegeneinander aufwiegen. Er schätzte sehr das Wohlwollen des Kaisers und wollte das ganz sicher nicht verspielen wegen einer kleinen Stadt am Ende der Provinz.

“Es gibt hier doch sicher wie überall anders auch ein paar Kriminelle, die niemand weiter betrauern würde und die ohnehin nur einen Weinbecher von der Arena entfernt sind. Sucht ein paar Zeugen, die ihre Untaten öffentlich machen und fügt der Liste den Verdacht der Brandstiftung hinzu.“ Rufus dachte hierbei praktisch. Wenn die Männer so oder so sterben würden, weil ihre Verbrechen dies rechtmäßig verlangten, schadete auch ein weiterer, unbewiesener Anklagepunkt nicht und es würde die Menge beruhigen, so diese überhaupt so aufgeschreckt war, wie der Beamte behauptete.
Saturninus schüttelte den Kopf: "Der Mann war aus Gallien und scheint keine Familie gehabt zu haben. Er war auch kein römischer Bürger" Alle lieben den Verrat, und niemand liebt Verräter, dachte er. 
Petilius Rufus schien nicht sehr besorgt. Nun, er war auch nicht an jenem Tag dabei gewesen. Er hatte nicht gespürt, wie die Erde bebte gleich bei einem Erdbeben, und er hatte das Feuer nicht gesehen, dass sich nicht durch Wasser löschen, sondern nur ersticken ließ. Es war aber auch nicht so, dass Saturninus sich nicht wünschte, dass der Legat Augusti Recht mit seiner Gelassenheit behalten würde:
"Es ist unwahrscheinlich, dass die hiesigen griechischen Freigelassenen etwas mit der Sache zu tun haben", räumte der Furius ein: "Doch, den Ärger in Rom könnte ich mir lebhaft vorstellen"
Jetzt waren sie wieder auf sicherem Terrain, weg von unbestimmtem Verdacht, Bauchgefühl und Mutmaßungen:
"Der Kerker ist voll von Halsabschneidern, die nur auf die Vollstreckung ihres Urteils warten. Eine mögliche Brandstiftung und Mord wären nur Ergänzungen auf einer langen Liste. - Was möchtest du zuerst revidieren, Legat Augusti Petilius Rufus?", wandte er sich dann fast erleichtert der Arbeit eines Princeps Officii zu.
Lucius Petilius Rufus war beruhigt.

Wenn er gewusst hätte, dass es sich letztendlich nur um einen unbedeutenden Tuchhändler handelte, den niemand vermisste, hätte er den Umweg wahrscheinlich nicht in Kauf genommen. Aber gut, nun, wo er hier war, konnte er sich auch zwei Tage den hiesigen Freuden hingeben, bevor es wieder auf die Straße ging und weiter in den Norden. Auch wenn die Revision von Steuerunterlagen sicher nicht zu diesen Freuden gehörte.

“Übergib die Akten hier Pertilinius Pertax. Seine Untergebenen werden sie prüfen, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie keine Unregelmäßigkeiten finden werden.“ Rufus ließ es wie ein beruhigendes Kompliment klingen, auch wenn er sehr wohl wusste, dass das Nicht-Auffinden von Fehlern meistens eher daran lag, dass diese nicht buchhalterisch erfasst wurden.
“Gibt es noch etwas, auf das du meine Aufmerksamkeit richten möchtest?“ Diese Stadt hier war klein und neu, weshalb Rufus nicht wirklich annahm, dass es hier viel zu tun geben würde. So viele Steuersäumnisse und Klagen konnte es ja nicht geben bei so wenig Bürgern.
Saturninus nickte erfreut. Sie taten auch alles, um die Amtsgeschäfte gut zu führen.  
Und ja, es gab noch etwas. Ein eleganter Weg, Ovidius aus dem Verkehr zu ziehen. Saturninus Name würde dabei gar nicht auftauchen, das war das Gute daran:

" Ich wollte bei Pertilinius Pertax für einen Bürger namens Tarutius Corvus noch einen Gerichtstermin erbitten.  Eine Britannierin, eine gewisse Verctissa,  möchte sich wegen des Totschlags oder Mordes... ", Saturninus drückte sich vage aus, denn über die Absicht hatte der Richter zu befinden: "...an ihrem Sohn beschweren, und der Bürger wird sie vertreten.
Ich hätte die Frau normalerweise abgewimmelt, das kannst du mir glauben. Doch sie bestand darauf, dass du auch den Geringsten der Untertanen anhören würdest, Legat Augusti", er schaute den LAPP nachdenklich an:
"Sie beschuldigt einen Angehörigen der Legio II Augusta der Tat. Sie hat jedoch keine Zeugen" Irgendeine Peregrina - Nachbarin zählte ohnehin nicht:

"Die Angelegenheit wird nur einen schlechtes Licht auf die Legion werfen. Daher frage ich dich, ob diese Beschwerde überhaupt an die Öffentlichkeit soll?"
Lucius Petilius Rufus blieb stehen und knetete seinen Lederball.

Eine Anklage gegen ein Mitglied der Legion war immer eine schwierige Sache. Als Legatus Augusti war es nicht nur seine Aufgabe, recht zu sprechen, sondern auch, die Legionen zu führen. Und als guter Vorgesetzter schützte man auch seine Männer. Vor allen Dingen gegen unberechtigte Anklagen. Es war nicht immer einfach, den geeigneten Mittelweg zu finden.
“Wen beschuldigt sie denn?“ fragte er erst einmal nach.

“Ohne Zeugen ist ihr Fall aussichtslos. Sie ist Peregrina, auch wenn ein Römer sie vertritt. Und in der momentan recht fragilen Lage wäre eine große Öffentlichkeit kontraproduktiv zur Befriedung des Landes. Pertax, mach hierfür einen privaten Termin hier in diesen Räumlichkeiten, dann kann ich ihre Beschwerde anhören, aber die Sache bleibt dennoch unter Verschluss.“
Ja, das klang nach einem guten Mittelweg. Natürlich hätte Rufus das alles auch einfach abweisen können, aber Vespasian gab sich gerne als großzügiger Kaiser, und ein Mord war natürlich etwas mehr als ein gestohlenes Huhn. Wenn es dem Frieden nützte, dann konnte Rufus auch noch einen verregneten Vormittag oder so opfern, ein paar Mal huldvoll nicken und wohlfeil versprechen, dass Gerechtigkeit walten würde, ohne tatsächlich etwas tun zu müssen.
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