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[Bild: atrium-interior-b6e3e2.jpg]

ATRIUM


Bildrechte:   Atrium Interior, Public Domain, via Picryl 

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Anaxarete hatte mich gekämmt, mein Haar mit einem Haareif aus geflochtener Wolle gebändigt  und mir eine sommerliche Palla aus ganz feiner, dünn versponnener Wolle angezogen. In Smaragdgrün, was gut zu meinem kirschroten Kleid passte. Dazu trug ich  kleine Ohrringe und meine Lunula, die ich ohnehin immer um den Hals hatte. Und mein dünnes Armband mit dem Isisknoten.

Ich sah schon von weitem einen Jüngling auf einem Stuhl sitzen. Er war schmal und sah aus wie ein aus dunklem Holz geschnitzter Ganymed. Sein lockiges Haar fiel ihm in den Nacken:

In Begleitung meiner Amme schritt ich auf ihn zu: "Ich bin Claudia Sabina. Dein Herr hat eine Botschaft für mich?", sagte ich nicht unfreundlich.
>>> Allzu lange musste Nefertem nicht warten, da vernahm er sich nähernde Schritte. Und da er vermutete, dass sich der Dunkelhaarige, der ihn bereits an der Porta begrüßt hatte, ihn nun abholen würde, blieb der Sklave ruhig sitzen. Erst als eine weibliche Stimme erklang, zuckte der iulische Sklave zusammen und hob vorsichtig seinen Blick an. Um wie erstarrt zu verharren. Vor ihm stand ein wahrlich wunderschönes Geschöpf, so dass ein ungewollt sanftes Lächeln über Nefertems Lippen glitt. Ein Lächeln welches er eigentlich dieser jungen Frau nicht schenken durfte. Schon gar nicht, da er doch mit einer Nachricht seines Dominus zur Villa Claudia gekommen war. Und so besann sich der Dunkelhaarige und räusperte sich leicht. Bevor er sich auch schon erhob, wohl etwas zu hastig, denn Nefertem geriet leicht aus dem Gleichgewicht, welches er jedoch sogleich wieder gewonnen hatte. Das Armband mit dem verschnörkelten Knoten war es, welches Nefertems Aufmerksamkeit gewonen hatte. Der Knoten der Isis?! Konnte das möglich sein? Stand er hier einer Anhängerin der Göttin der Geburt vor sich? Um sich auf andere Gedanken zu bringen, atmete Nefertem tief durch und rief sich die Worte seines Herrn in Erinnerung.

“Salve Domina. Mein Herr hat eine Botschaft für dich. Ich soll dir folgendes im Wortlaut ausrichten. 'Komme morgen Mittag zur Curia, da triffst du die Prinzessin.'.“

Dann verstummte Nefertem auch schon, wobei ihm das Herz bis zum Hals pochte und er aus dem Augenwinkel in Richtung der jungen Frau schielte.
Der junge Sklave sah einen Moment lang mein Armband an, und ich konnte schwören, dass so etwas wie Wiedererkennen in seinen Augen lag. 

Er richtete mir eine Botschaft von meinem Xerxes aus: Er hatte ein Treffen mit der Fürstentochter Bonni arrangieren können. Oh, wie neugierig ich war. Meine erste Keltin! ( in Freiheit meinte ich):
"Sage deinem Herren Danke dafür, dass er mir meinen Wunsch erfüllt. Ich werde sehr gerne kommen", sagte ich. Dann konnte ich es mir nicht verkneifen, eine Probe zu machen und die Worte zu sprechen:

"O Isis, Geliebte Schwester und Große Mutter
Geflügelte Göttin des Mondes"

Wenn der Iuliersklave mir jetzt mit "Mutter des Horus"  oder "Behüterin des Lebens" antworten würde, wäre er ein Gläubiger.
Bei der stillen Betrachung des Armbands spürte Nefertem wie sein Herz hastiger in seiner Brust zu pochen begann. Der Isisknoten konnte nur eines bedeuten. Er stand hier einer Anhängerin des Isis-Kults gegenüber. Nur wie sollte er sich bemerkbar machen, dass er ebenfalls ein Anhänger der Göttin der Widergeburt war? Nachdenklich wiegte sich Nefertems Kopf von einer Seite auf die andere, als ihm bewusst wurde, weshalb er zu Claudia Sabina geschickt worden war. Sein Dominus hatte eine Nachricht und eben jene Nachricht übermittelte Neferten mit seiner angenehm ruhigen Stimme.

Als Claudia Sabina erklärte, dass sie sehr gerne zu besagtem Treffpunkt kommen würde, nickte der junge Aegypter kaum merklich und schenkte der Römerin ein hauchzartes Lächeln. Als sich Nefertem verbeugte und sich auf den Rückweg zu seinem Dominus begeben wollte, klangen Worte an sein Ohr, die sein Inneres vibrieren lassen. Jene Worte hatte einst seine Mutter an ihn gewandt gesprochen, als sie ihm mit dem Isis-Kult vertraut machte.

“Behüterin des Lebens.“

Hauchte Nefertem die beinahe rituelle Antwort auf die von Claudia Sabina gesprochenen Worte.

“Du bist eine Anhängerin der Isis, Domina?“
"Ja, das bin ich", antwortete ich und konnte mein Entzücken über diese Begegnung kaum verhehlen. Es war wie ein Gruß aus der Heimat: 
"Wie heißt du denn? Kommst du etwa aus der Provinz Aegypten? Wie lange gehörst du schon dem Tribun Iulius Cato?"
Ich setzte mich hin und faltete meine Hände in meinem Schoss:
"Anaxarete, bringe uns doch etwas Wasser und Saft", bat ich sie. Anaxarete verehrte die Große Isis auch. Deshalb hatte sie nichts dagegen, dass ich mit dem Jüngling sprach. Wer immer wir im wirklichen Leben waren, unter den Schwingen der Mutter konnte es ganz anders sein:
"Und wurdest du in das Mysterium der Göttin eingeweiht?", fragte ich den Jungen.
Mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen verharrte Nefertem vollkommen regungslos, während er den Worten der jungen Frau lauschte. Tatsächlich. Ihm gegenüber stand Claudia Sabina und sie erklärte ihm, dass sie eine Anhängerin der Isis ist. Jener Gottheit, die auch Nefertem verehrte. Ebenso wie es seine Mutter tat. Oh. Wenn seine Mutter hierüber Bescheid wusste, dass er in der Provinz einer Anhängerin der Mutter gegenüberstand, wäre sie wahrlich begeistert und erfreut.

“Du hast Recht Domina. Ich wurde in der Provinz Aegypten geboren. Bin dann allerdings mit meinen Eltern in die Urbs Aeterna übergesiedelt, nachdem der Vater meines Dominus dorthin zurück gekehrt war. Ich heiße Nefertem Domina.“

Stellte sich der Jüngling schließlich mit seiner angenehm warmen Stimme vor und verneigte sich vor Claudia Sabina.

“Ich gehöre Tribun Iulius Cato bereits mein gesamtes Leben. Ich wurde als Sklave geboren.“

Erklärte Nefertem weiterhin mit seiner ruhigen Stimme, während er seinen Blick artig abgewandt hielt. Erst als Claudia Sabina ihre Stimme ein weiteres mal erklingen ließ, hob sich Nefertems Kopf leicht an. Zu wem hatte sie diese Worte ausgesprochen? Doch mehr als einen davonhuschenden Schatten konnte der Jüngling nicht erkennen. Schließlich war es erneut Nefertems Stimme die erklang.

“Ihr sollt meiner Gnade teilhaftig werden und unter meinem Schutz in Herrlichkeit leben. Und wenn ihr die euch zugewiesene Lebensspanne vollendet habt und zur Unterwelt hinabsteigt, werdet ihr mich auch dort leuchten sehen, wie ihr mich jetzt seht ... Und wenn ihr euch meiner Göttlichkeit gehorsam erweist, werde ich - als Einzige, die dies vermag - euch erlauben, euer Leben über die euch vom Schicksal zugewiesene Spanne auszudehnen.“

Ob dies die Antwort war, auf die Claudia Sabina gehofft hatte, wusste Nefertem nicht. Jedoch waren dies die Worte, die seine Mutter zu ihm gesprochen hatte, wenn sie über die Mysterien der Isis erzählte.
Ich wurde ganz aufgeregt und sagte: "Nefertem...das bedeutet doch....", unsere Sklavinnen hatten immer gedacht, dass ich sie nicht verstehen würde, wenn sie Aegyptisch sprachen, doch ein wenig hatte ich die Sprache gelernt. Jetzt fiel mir aber die Bedeutung des Namens nicht ein:
"Das ist schon so lange her, dass ich Aegyptisch gehört habe. Ich bin nämlich  in Alexandria aufgewachsen. Ah, jetzt weiß ich es wieder: Nefertem ist ein Gott und ein...Baum? Eine Palme vielleicht? Soso, dann bist du schon sehr lange beim Tribun"
Das bedeutete vermutlich, dass der Jüngling das Vertrauen von meinem Xerxes genoss. Er schickte mir also seinen Leibsklaven. Das war durchaus eine Ehre.
Und dann sprach Nefertem mit seiner schönen samtenen Stimme, die Worte, die die Große Isis uns Eingeweihten verhieß: Das Versprechen der Unsterblichkeit. Unsere Unterwelt würde nicht grau und düster sein. Wir würden auch nicht aus den Wassern der Lethe trinken, um alles zu vergessen. Die Göttin würde uns wie eine Mutter (Wie eine richtige Mutter meinte ich, nicht wie meine Mutter Cloelia) in ihre Arme nehmen und wir würden in ihrem Licht weiter leben. Es war so schön:
"Gestattet es dein Dominus denn, dass du Isis verehrst?" 
Die Frage war mir rausgerutscht. Natürlich gab es einen himmelsweiten Unterschied zwischen einer Claudia und einem Sklaven. Aber Xerxes schien Isis so gar nicht zu mögen! 

[Bild: Anaxarete-mit-Schrift.png]

Zwischenzeitlich kam meine Amme Anaxarete mit einem Krug Wasser, Tonbechern  und Mostbrötchen zurück. Ich deutete auf das Tablett:
"Bediene dich doch, Nefertem" und wandte mich an Anaxarete: "Anaxarete, dieser Jüngling ist Aegypter und ein Eingeweihter", und wieder zu Nefertem:
"Sage einmal, gibt es hier in Iscalis einen Ort, an dem die Eingeweihten die Große Göttin verehren?"
Einen Isistempel hatte ich nämlich hier noch nicht gesehen. 
Meine Amme lächelte freundlich. Sie hatte zwar ihr Leben lang in Alexandria gelebt, aber sie fühlte sich völlig als Griechin. Und damit den Aegyptern doch irgendwie überlegen. Eigentlich auch den Römern, wenn man es genau nahm.
Das Claudia Sabina ganz aufgeregt wirkte, blieb Nefertem nicht verborgen. Und so schielte er aus dem Augenwinkel in Richtung der jungen Frau, während er aufmerksam ihren Worten lauschte.

“In der aegyptischen Hieroglyphenschrift wird mein Name wie folgt geschrieben.“

[Bild: Hiroglyphen.png]

Konzentiert begann Nefertem aegyptische Schriftzeichen in den Sand zu malen. Nachdem er einige Augenblicke konzentriert gezeichnet hatte, blickte er zu Claudia Sabina empor und schenkte der jungen Frau ein warmes Lächeln.

“Mein Name bedeutet 'Vollkommen an Sein und Nichtsein'.“

Schließlich verstummte Nefertem und schien auf einen etwaigen Einwand der jungen Römerin zu lauschen.

“Nefertem war in der altaegyptischen Mythologie der Schutzgott der Salben, Salböle und Düfte. Vorrangig wird Nefertem als jugendlicher Gott der Lotosblüte genannt.“

Bei diesen Worten errötete Nefertem leicht, was bei seiner eher dunklen Hautfarbe kaum auffallen dürfte.

Nachdem Nefertem jene Worte gesprochen hatte, die nur die Eingeweihten der Göttin Isis kannte, blickte der iulische Sklave zu Claudia Sabina und neigte leicht seinen Kopf auf die Seite.

“Oh mein Dominus.. ich.. weiß noch nicht einmal ob mein Dominus weiß das ich die Große Isis verehre. Mein Dominus hält nicht viel von ausländischen Gottheiten.“

Damit sprach Nefertem das aus, was Claudia Sabina ohnehin bereits wusste und wirkte dabei etwas unglücklich. Dieser Gesichtsausdruck verschwand jedoch im nächsten Moment, als Nefertem Anaxarete bemerkte, die mit einem Tablett zurück kehrte.

“Bediene dich bitte zuerst Domina. Mir steht es als Sklave nicht zu, vor der Herrschaft zuzugreifen.“

Hoffnungsvoll blickte Nefertem bei diesen Worten zu der jungen Frau und würde sich strikt an sein Credo halten. Zuerst die Domina und dann er selbst.

“Ich weiß nicht ob es hier in Iscalis einen Tempel der Großen Göttin gibt. Ich glaube nicht, nachdem die Römer selbst die Kelten verachten.“

Sprach Nefertem mit seiner ruhigen Stimme und blickte zwischen dem Tablett und Claudia Sabina hin- und her.

“Aber vielleicht.. ich meine.. wenn du möchtest Domina, dann.. könnten wir gemeinsam die Große Mutter verehren.“

Und Nefertem müsste dies nicht mehr alleine verrichten.
"Wie komme ich nur auf Palme!", rief ich aus und schüttelte meinen Kopf: "Der blaue Lotus ist es, natürlich. Der Name passt gut zu Dir" Der hübsche Jüngling mit der sanften Stimme war eine Zierde für jeden Haushalt:
"Wer hat ihn für dich ausgesucht?" 

Ob es Xerxes gewesen war? Ob er vielleicht doch irgendwo eine klitzekleine Schwäche für Aegyptisches in seinem Herzen hegte? Ich würde es heraus finden. 

Ich schaute die Hieroglyphen an: "Wie gut du das kannst. Bist du denn ein Schreiber?" Die Schrift der Aegypter wurde in Alexandria in besonderen Schreibschulen gelehrt. Obwohl sie auch Mädchen nahmen, wäre das für eine Claudierin natürlich nie in Frage gekommen, solch eine zu besuchen. ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich einen Hauslehrer geschenkt bekommen hatte:

"Nun ja: Die Kelten gelten uns als Barbaren. Die Griechen jedoch haben uns Vieles gelehrt, und sie selbst beziehen sich wiederum auf ihre großen Lehrmeister: Das alte Aegypten" 

Damit meinte ich nicht die heutige Provinz. Und auch nicht Rhakotis, das aegyptische Viertel in Alexandria, das ganz schön runtergekommen war. Ich sprach von den ganz alten Zeiten:

"Man wird es mir nicht erlauben, an irgendwelchen Kulten in privaten Häusern teilzunehmen", erwiderte ich auf Nefertems Vorschlag, die Große Mutter gemeinsam zu verehren: "Ich bin nur eine Haustochter und noch keine Matrona. Wenn ich einmal verheiratet bin, sieht die Sache anders aus. Nein, nein, das wird nicht möglich sein.Vielleicht stifte ich jedoch aus meinem Vermögen aus Anlass meiner Vermählung einmal ein Isistempelchen" 

Ich hatte so viele Ideen, was ich mit meinem Vermögen für Iscalis tun könnte. Mehr Ideen als Vermögen. Eine Therme für die Damen stand auch auf meiner Agenda. Vermutlich überließ ich dieses Projekt aber Serena und ihrem Furius. Sie war früher fällig, und dann käme ich schneller dazu, auch Nachmittags in aller Ruhe baden zu können. 
Das mein Xerxes gegen ausländische Gottheiten war, überhörte ich geflissentlich. Ich würde ihn schon überreden. Das er mir eine Verabredung mit Prinzessin Bonni organisiert hatte, war richtig süß und ein Beweis dafür: Iulius Cato war immer bereit, mir meine  bescheidenen Wünsche zu erfüllen. 

Anaxarete lächelte nun den Jungen an und fragte ihn auf Griechisch, ob er denn Griechisch spräche.

 Nefertem hatte Recht damit, dass es ihm nicht zustände, vor mir zu speisen. Ich müsste mich vom Tablett zuerst bedienen. Doch ich hatte gerade gefrühstückt und noch keinen Hunger. Das war ein Dilemma. 
Ich löste es auf meine Weise:

"So befehle ich dir einfach, vor der Herrschaft zuzugreifen, Sklave", sagte ich zufrieden. So ganz korrekt war das nicht. Nefertem war zwar ein Sklave, doch er war nicht meiner. Ich hatte ihm nichts zu sagen:

"Ich bin mir sicher, dass dein Herr einverstanden wäre, dass du mir die Freude machst
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