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Normale Version: Tablinum
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Das Tablinum der Domus Licinia wurde zwar selten im eigentlichen Sinne benutzt, war aber nichts desto trotz entsprechend seiner ursprünglichen Funktion pompös ausgestattet. Vier Säulen trugen zusätzlich die Decke auf der Sichtachse zum Garten, die von der zweistufigen Empore in deren Mitte durchbrochen wurde. Ganz im Sinne eines herrschaftlichen Tablinums stand hier ein bequemer, gepolsterter Stuhl, wie man ihn wohl auch im Haushalt eines Aristokraten finden könnte, so dass der Hausherr oder seine Domina von dieser erhöhten Position aus Bittsteller empfangen konnte.


Am Abend waren hier natürlich auch Kissen am Boden verstreut, so dass Bittsteller oder Bittstellerinnen ganz andere Dinge bequem machen könnten.


Die Wände waren herrschaftlich bemalt mit farbenfrohen Mustern und Szenen voller Nymphen und Satyrn, während der Boden als fein polierter Pallazzo-Boden gearbeitet war.
Nach Norden hin besaß der Raum eine Ausdehnung, die ihm Asymmetrie verlieh. Hier waren neben einigen Sitzgelegenheiten, insbesondere um bequem das Zentrum zwischen den Säulen zu beobachten, noch ebenfalls ein Schreibtisch und einfache Stühle zu finden.

Da ich ja so oder so nicht um das Gespräch mit meiner Mutter herumkommen würde, beschloss ich, von selber zu kommen, nachdem ich mit Owain soweit fertig war. Ich musste auch nicht lange suchen, denn meine Mutter hatte eine Vorliebe dafür, sich für ihre Arbeit den pompösesten Raum im Haus auszusuchen, warum auch immer. Ich persönlich hätte mir ja einen ruhigen Raum eingerichtet, in dem ich sämtliche Unterlagen griffbereit hatte, aber sie bevorzugte das Tablinum. Warum, wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie noch viel zu sehr dachte, in einem einfachen Lupanar zu sein, wie zu Zeiten, als sie mit all dem angefangen hatte. Aber auch das wollte ich nicht zu genau wissen. Mir reichte ja all das, was ich sicher wusste, dass jede andere davon vermutlich monatelange Albträume hätte.

Ich schlenderte also in den nicht ganz so prominenten Teil des Tablinums und ging zu meiner Mutter, die versuchte, möglichst viel der unübersichtlichen Finanzen so zu ordnen, dass sie einer Überprüfung durch die Aedile standhalten würde. “Salve, Mutter“, begrüßte ich sie, jetzt schon viel freundlicher als vorhin (da ich jetzt ja auch nicht grade drauf und dran war, einen Mann zu bespringen). “Hast du einen Moment?“
Ich war wie immer in den Büchern vergraben und hatte einen Stapel tabulae auf meinem Tisch herumliegen, auf denen verschiedene Listen für Bestellungen, Klienten und Einnahmen und Ausgaben notiert waren, die noch auf die Pergamente übertragen werden mussten. Je größer das Haus und je mehr Leute unser kleines Unternehmen umfasste, desto mehr Papierkram und endlose Listen wurde es. Ich seufzte leise, als ich dem nächsten Stapel Listen zuwandte, als ich Aglaias Stimme hörte. 

Ich blickte auf und legte dann den Griffel und die tabula weg, die ich gerade in der Hand gehalten hatte. Ich lehnte mich in meinem Korbsessel zurück und nutzte die natürliche Pause für einen Bisschen, während ich auf den Korbsessel mir schräg gegenüber deutete. "Ich hoffe, wenigstens eine von uns hatte ihren Spaß" bemerkte ich ein wenig spöttisch, aber eher mit Galgenhumor und nicht um Aglaia zurecht zu weisen. Ich wäre auch lieber mit einem jungen Adonis planschen, als mich um diesen unsäglichen Kram hier zu kümmern. Ein wenig ernster fuhr ich fort: "Was kann ich denn für dich?"
“Durchaus“, meinte ich nur fröhlich und knapp auf die frage hin, ob ich Spaß gehabt hätte. Ich sah keinen Grund, deshalb zu lügen, aber auf der anderen Seite wollte ich auch nicht wirklich darüber reden. Eigentlich war das etwas widersinnig, denn meine Mutter wusste, welcher Mann mit mir schlief, seit sie mit 13 meine Unschuld höchstbietend versteigert hatte. Aber das war eben geschäftlich gewesen. Selbst Narcissus war irgendwie geschäftlich. Ich hatte ihm beim lernen geholfen, und er arbeitete mit uns. Aber Owain, das war anders. Ihn hatte ich zum vielleicht ersten Mal wirklich nur für mich. Und das fühlte sich neu und aufregend an, und das wollte ich nicht teilen. Deshalb bekam meine Mutter da auch nur die nötigsten Informationen.

“Als ich Owen gekauft habe, gab es noch mehr Interessenten. Eigentlich wollte mein Furius ihn mir schenken, aber dieser fürchterliche Tribun Iulius wollte unbedingt dazwischengrätschen, so dass ich als diplomatische Löwung mein eigenes Geld ausgegeben habe“, setzte ich meine Mutter erst einmal ins Bild, was überhaupt passiert war, damit sie nicht von irgendwelchen Gerüchten überrascht wurde. “Und dann habe ich dort Claudia Sabina getroffen. Reizendes, junges Mädchen, wenn auch etwas sehr unbedarft. Und naja, unbedarft wie sie ist ergab sich ein Gespräch zwischen uns, und… Ich habe ihr glaubhaft versichert, dass du offiziell in Rente bist und nur noch die Buchhaltung machst, weshalb es nichts ehrenrühriges wäre, wenn du zur Mittagszeit zu ihr gehst und ihr beim Frisieren der Haare hilfst. Anscheinend brauchen die feinen Damen hier dringend professionelle Hilfe mit ihren Haaren. Vielleicht würde sich auch die Investition in eine Taberna an den Thermen lohnen.“
Ich zuckte mit den Schultern und wartete, was meine Mutter dazu zu sagen hätte. Dass sie etwas zu sagen hätte, daran zweifelte ich nicht. Sie hatte immer was zu sagen.
Ich schmunzelte bei dem leicht dahin gesagten "Durchaus" von Aglaia. Sie sah aus wie eine Katze, die gerade eine Schüssel Sahne leergeschleckt hatte. "Der Iulius und der Furius scheinen sich also wirklich nicht grün. Ich hatte da schon Gerüchte gehört, aber ich vertraue dir, dass du so eine Situation beherrschst." Die Ausgabe war natürlich bedauerlich, aber zahlungskräftige Patrizier musste man sich erhalten und nicht vergraulen. Manchmal musste man einfach Geld ausgeben, um Geld zu erwirtschaften. 

"Was hast du mit deinem neuen Sklaven vor? Willst du ihn in den Betrieb eingliedern oder wie hast du dir das vorgestellt?" Bisher hatte sie nichts über die Qualifikationen des Sklaven gesagt. Ansehnlich war der Kerl ja, wenn auch ein wenig haarig und zottelig für meinen Geschmack. Ich ließ die Frage offen, ob Aglaia ihn nur für ihr persönliches Vergnügen gekauft hatte. Sie war erwachsen und hatte eigenes Vermögen...verbieten konnte ich es ihr ohnehin nicht. 

Bevor ich aber noch weiter über Verdienstmöglichkeiten mit dem Zotteligen nachdenken konnte, eröffnete mir Aglaia, dass ich ab jetzt wohl "in Rente" und eine Ornatrix war. "Ich habe durchaus noch Aufträge, Aglaia" gab ich ein wenig empört zurück. Vielleicht war mein Antlitz nicht mehr so faltenlos und perfekt wie vor zehn Jahren, aber ich war gerade einmal 37 Jahre alt und keine zahnlose alte Vettel. Der Name Claudia allerdings ließ meinen inneren Geldbeutel klingeln. "Äh, eine Claudia? Hier in der Provinz?" Schon war die Empörung weg bei der Aussicht auf klingende Münze.
“Nein!“ antwortete ich vielleicht einen Hauch zu schnell, als meine Mutter mich fragte, ob ich Owain bei uns arbeiten lassen wollte. Eigentlich hatte ich die Frage ja sogar erwartet. Aber trotzdem sträubte sich in der Sekunde, als sie dann doch fiel, alles in mir dagegen, ihn auch hierfür anzulernen und dann mit Männern und Frauen zu teilen. Zumal ich nicht dachte, dass er das mit Männern auch wollen würde. Es war nur so ein Gefühl, aber ich meinte doch bei ihm eine Präferenz für Frauen zu fühlen.
Egal, darum ging es ehrlicherweise ja gar nicht. Bei Narcissus hatte ich ja auch keine tieferen Bedenken gehabt. Aber als ich ihn kennen gelernt hatte, war ich wie alt gewesen? Fünfzehn? Das war schon eine halbe Ewigkeit her, und ich wusste nicht, was jetzt anders war oder warum es bei Owain anders war. Aber ich wusste ganz genau, dass ich das nicht wollte. Und diese Erkenntnis fühlte sich irgendwie seltsam an. Ich blinzelte sie schnell weg und konzentrierte mich auf das Wesentliche. “Owen ist Goldschmied und kann Schmuck herstellen. Der Iulius wollte ihn kaufen und für ihn eine Schmiede einrichten, und um ehrlich zu sein, ist die Idee verdammt gut. Hier gibt es noch niemanden, der vernünftigen Schmuck herstellen kann, aber Frauen gibt es hier ja zu genüge, und spendable Männer ebenso. Ich werde meinen Furius fragen, was man da für Genehmigungen braucht, und dann mal schauen, ein bisschen was investieren. Ich bin mir sicher, dass es sich auszahlen wird. Dann haben wir ein weiteres Standbein, falls das hier doch irgendwann einmal nicht mehr geht.“ Ich bezweifelte zwar, dass mein Glanz zu schnell verblassen würde und ich schon immer die richtigen Männer auftun würde, um mein Leben zu finanzieren. Aber meine Arbeit war gefährlich, immer wieder wurden Frauen von ihren Liebhabern erschlagen oder erwürgt oder von verschmähten Männern erstochen. Und ich war zu klug, um zu denken, dass das alles ewig gehen würde. Und bei den Göttern, ich wollte nicht wie Opa enden und noch dann im Puff arbeiten, wenn ich schon keine Zähne mehr hatte. Wirklich nicht.

Aber meine Mutter hatte das wohl selber doch vor, denn sie beschwerte sich natürlich, dass ich sie in die Rente geschickt hatte. Irgendwie. Zumindest klang sie gekränkt. Aber nur so lange, bis der Name Claudia fiel.
“Ja, Claudia Sabina, ein Mündel von Consular Claudius Menecrates, wenn ich es richtig mitbekommen habe, feinste Jungfrau und behütet wie ein Schatz. Und die darf natürlich keinen Umgang mit Hetären pflegen“, meinte ich dann noch einmal mit einem leichten Grinsen. “Aber sie fand mein Haar toll und da hab ich ihr von deinen Künsten ein wenig vorgeschwärmt, weshalb sie sich darauf eingelassen hat, morgen zur Mittagszeit eine nicht-mehr-so-infame Buchhalterin dieses Hauses in ihr Haus einzuladen und einmal ihre Haare berühren zu lassen.“
Ich ließ die Information einmal sacken und meine Mutter die Möglichkeiten im Kopf durchrechnen, die sich daraus ergaben. Und ich hoffte doch schwer, dass sie erkannte, dass da mehr Geld schlummerte als mit ihren jetzigen Aufträgen. “Aber das würde bedeuten, dass deine Freunde natürlich nur gute Freunde sind, die vielleicht ab und zu rein zufällig von dir körperlich beachtet werden und keine Kunden, denn dann könnte der Consular dich natürlich nicht im Haus empfangen.“
Meine Augenbraue zuckte kurz in die Höhe bei dem vehementen und so schnellen Nein von Aglaia. Aber nunja...hätte ich nie Gefühle für jemanden entwickelt, dann würde Aglaia nicht existieren. Immerhin war es ihr Sklave und kein Freier, aber trotzdem war mir nicht wohl bei dem Gedanken. Aber wie immer war mein Interesse bei Geld schnell geweckt. "Ein Goldschmied und eine eigene Schmiede als  natürliche Ergänzung unseres Betriebs? Das ist in der Tat sehr clever. Aber wenn du die Genehmigungen von deinem Furius hast, wo wollen wir diese Schmiede einrichten? Der Rauch und den Ruß muss ich nicht hier auf dem Gelände haben um ehrlich zu sein."

Ich war noch in Gedanken auf der Suche nach einem geeigneten Objekt für eine Schmiede vielleicht im Handelsviertel, bis es wieder auf die Ornatrix-Sache zurück ging. "Consular Claudius Menecrates? Hmmm..." Ganz schmeckte mir die Idee nicht, da ich nicht skandalös von Haus und Hof gejagt werden wollte, falls der Consular doch herauskriegte, dass ich die Geschäftsführerin dieses Betriebes war - selbst wenn ich aktuell keine eigenen Kunden hatte. "Morgen zur Mittagsstunde? Naja wenigstens ist es nicht weit und schwer zu finden. Ich werde mich wohl in Schale werfen und rübergehen. Aber langfristig - falls das funktioniert - wäre die Therme ein natürlicherer Ort dafür." Ich war nach wie vor skeptisch aber betuchte Damen zahlten gut und es war leider eine Realität, dass ich bisher keine zahlungskräftigen Kunden für mich selbst gefunden hatte.
Ja, da hatte meine Mutter wohl leider recht, hier im Haus ginge das auf keinen Fall, auch wenn ich keine Ahnung hatte, ob eine Goldschmiede auch so dreckig und laut war wie eine normale Schmiede. Aber wahrscheinlich würde der Aedil spätestens beim Thema Brandschutz zu meckern anfangen, wenn ich da nicht irgendwas vorzuweisen hätte.
“Ja, da müssen wir noch einen geeigneten Standort suchen. Ich werde den Furius Fragen, ob die Stadt da noch geeignete Grundstücke hat. Und vielleicht kann man ja erst einmal nur eines günstig pachten, statt es zu kaufen. Nicht zu weit weg… ich meine, die Stadt ist ja noch im Aufbau, da ist ja noch jede Menge frei. Wir… werden eben ein wenig investieren müssen.“ Ja, wahrscheinlich gefiel dieser Satz meiner Mutter eher weniger, aber auch sie wusste, dass man investieren musste, um Gewinn zu machen. “Ich meine, wir haben doch sicher noch Geld übrig? Mein Senator war ja sehr großzügig, das ist ja nicht alles verbraucht.“ Ich hatte da weit weniger Überblick als meine Mutter. Ich war gut darin, Männer um den Finger zu wickeln, ihnen Geschenke zu entlocken und zu verführen. Mit Geld war ich nicht ganz so talentiert und ich war sehr froh, dass meine Mutter den ganzen Kram machte, so dass ich mich damit nicht mehr als notwendig befassen musste.
“Und stell dir mal vor, ein richtiger Salon für dich! Welche Gerüchte du von den feinen Damen alles aufschnappen könntest! Und vor Hochzeiten oder großen Festen, wie sie sich um Termine prügeln würden, um die neueste Frisur zu tragen!“ schmierte ich meiner Mutter noch etwas Honig ums Maul, um sie von der Idee mit der Ornatrix-Sache zu überzeugen. “Ich finde, das wäre die Überlegung durchaus wert.“
Der goldene Glanz in meinen Augen erlosch nach und nach bei der Aussicht auf die Ausgaben, die ein Grundstück plus Gebäude darauf kosten würden. Auch betrieben sich Schmieden nicht von selbst und brauchten Rohmaterialien und Brennholz in rauen Mengen. "Das Projekt Schmiede wird umfangreich und ich stelle dir die Mittel zur Verfügung, die du brauchst. Aber du wirst dich darum kümmern und mit dem Verkauf der Schmuckstücke herumschlagen. Für den Kauf wird es vielleicht nicht direkt reichen. Wir haben erst dieses Haus gekauft und das war nicht billig. Aber mieten sollte überhaupt kein Problem sein für den Anfang, bis wir ein wenig mehr erwirtschaftet haben."

Ich kramte in einigen Listen herum, bis ich eine tabula mit einer Kolonne an Zahlen an Aglaia reichte. Es war eine Auflistung von losem Einkommen, das wir für überschüssige Projekte zur Verfügung hatten und die sich in der kleinen Geldkiste in meinem Cubiculum befanden. Darauf war als Summe des verfügbaren Geldes, das nicht anderweitig angelegt war, die Zahl 2321s zu lesen. "So viel kannst du für den Anfang für Miete, Materialien und dergleichen ausgeben. Das sollte ein guter Start sein. Du findest das Geld in der roten Kassette in meinem Schlafzimmer...du weißt ja welche und wo der Schlüssel ist."

Bei der Sache mit der Ornatrix musste ich nur schmunzeln. "Lern erstmal gehen bevor du losläufst, Tochter. Ein Unternehmen nach dem anderen..." Zwei Geschäfte auf einmal aufbauen war derzeit zu kostspielig, aber sobald die Schmiede lief würde ich über eine Karriere als Ornatrix nachdenken.
Narcissus hatte die Spannungen der letzten Wochen natürlich bemerkt. Das lag aber nicht an der Kooperation seiner familiären Freunde und Kollegen. Er hatte das Gefühl, ihm wurde hier gar nichts mehr erzählt, dabei steckte er auch im Geschäft und hatte einiges von seinem Privatvermögen in den Laden investiert. Aglaias neuer Lebenswandel war... unerwartet. Er versuchte, sich für sie zu freuen, auch wenn er bezweifelte, dass dies wirklich das richtige war. Er selbst hatte vermutlich schon an die dutzend Kinder gezeugt, aber das war was anderes, denn er trug die Bälger ja nicht wirklich aus.
"Ist einer da?", rief er ins Tablinum. Dafür, dass hier immer so viel los war, war es in letzter Zeit verdammt still. Selbst der Alte regte sich kaum noch. Vielleicht war er in seiner Kammer verendet. "Lebt noch einer außer mir oder kann ich das Atrium neu streichen? Ich erbe zwar ungern alles allein, aber ich werde mich der Herausforderung stellen, wenn wirklich gar niemand mehr da ist."
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