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Normale Version: Alltäglicher Wahnsinn
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Wie immer saß ich in der Bibliothek und rauchte zufrieden meine Pfeife, während ich durchging, was ich alles tun wollte. Aus einem Grund, an den ich mich nicht mehr erinnerte, hatte ich mir vorgenommen, ein wenig Provinzialrecht anzusehen und mir ein paar Stadtverordnungen zu Gemüte zu führen, als plötzlich ein gutgelaunter Leander hereinspaziert kam, was immer ein äußerst schlechtes Zeichen war.
[Bild: leanderplautiajndro.png]
“Du hast eine Einladung erhalten“, meinte er fröhlich.
“Da kann ich nicht!“ lautete meine unfröhliche Antwort.
“Ich hab doch noch gar nicht gesagt, wann es ist?“
“Ist egal, ich kann da nicht!“
“Oder von wem es ist?“
“Ist auch egal!“ brummte ich und paffte noch etwas mehr, damit die Pfeife mehr stank und damit hoffentlich Leander vertrieb.
“Es ist dein Großneffe Montanus.“
“Hrmpf...“ Da suchte man sich schon extra eine entlegene Ecke der Welt, und trotzdem nervte einen die Verwandtschaft!
“Er lädt dich für heute Abend ein...“
“Da kann ich nicht!“ sagte ich noch einmal, weil Leander wohl mal wieder was an den Ohren hatte.
"… um wichtige familiäre Dinge zu klären.“
“Was für familiäre Dinge denn?“ Wir waren nur über fünf Ecken verwandt, und ich wüsste nicht, was er da mit mir zu besprechen hatte.
“Nun, er hat keine Kinder und ist reich. Vielleicht will er dir was vererben, oder deinen Töchtern?“
“Bloß nicht!“ schlug ich die Hände abwehrend in die Luft. Das fehlte mir grade noch, dass der Kerl mich reich machte, woraufhin noch mehr scharwenzelnde Verwandte und Klienten mich bei der Arbeit stören würden!
“Naja, dann solltest du ihm das sagen, sonst macht er es, ohne dich zu fragen?“ meinte Leander leichtmütig und zuckte mit den Schultern.
“Das würde er nicht!“ konstatierte ich stur.
“Bist du sicher?“ reizte Leander weiter.


Ich brummte. Ich hasste ihn. Alle beide!
Während ich gemütlich wie jeden Tag mein Pfeifchen rauchte, kam ein viel zu gut gelaunter Leander hereinspaziert.

[Bild: leanderplautiajndro.png]
“Es gibt Neuigkeiten“, ließ er auch gleich fröhlich verlauten.
Ich rollte jetzt schon mit den Augen. “Was denn?“
“Der Stadtrat hat getagt...“
“Das tut er ständig, dafür ist er da!“
“...und hat die Regelungen für die Eintragung als Bürger der Stadt veröffentlicht.“
Ich schaute von meiner Pfeife und dem Schriftstück, das ich grade las, auf, und schaute Leander vielsagend an. Der brauchte gar nicht denken, dass ich dafür viel tun wollte oder jetzt in Freudensprünge ausbrechen würde.
“Jeder, der römischer Bürger ist und seit einem halben Jahr hier wohnt, kann sich eintragen lassen.“
“Hah!“ machte ich triumphierend.
“Hah?“ wiederholte Leander fragend.
“Leander, wir sind erst im Februarius eingezogen. Wirst du auf deine alten Tage vergesslich, doer was?“
“Aber der Stadtrat kann sicher...“
“Nix! So sind die Regeln! Wer bin ich, mich nicht an die Regeln zu halten?“ Ich grinste in mein Pfeifchen selbstzufrieden vor mich hin und las einfach weiter. Ein halbes Jahr war lang, bis dahin hatte Leander das sicherlich vergessen, so dass er mich nicht mit Wahlen oder irgendwelchem Politik-Zeug nerven konnte.
[Bild: leanderplautiajndro.png]

Jetzt war es wohl amtlich, Leander würde in den Minen landen. Zumindest dachte er das, während er die Post vorsortierte und dabei auf das Schreiben der Stadtverwaltung stieß, die sehr viel schneller gewesen war, als er das gedacht hätte. Er atmete noch einmal tief durch, ehe er sich zu seinem Herren begab.

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ich saß mit dem Kopf in Gedanken in der Bibliothek und rauchte friedlich und ncihtsahnend vor mich hin, als Leander mit der Korrespondenz hereinkam. Ich würde nie verstehen, warum alle Welt meinte, mir schreiben zu müssen, wo ich mich doch extra zurückgezogen hatte, um Ruhe zu haben. Aber gut, Menschen waren einfach aufdringlich.
Ich wollte mich also wieder meiner Pfeife zuwenden und Leander ignorieren, als mir auffiel, wie schuldig er aussah. Nein, er machte sich nicht klein oder guckte bedauernd oder irgendeinen Mumpitz, das nicht. Aber ich kannte ihn jetzt schon wie lange? Dreißig Jahre? Und dieses auffällig ruhige Gesicht hatte er immer, wenn er etwas ausgefressen hatte oder eine schlechte Nachricht überbringen musste.
“Wer ist gestorben?“ fragte ich also resignierend nach, als er mir die Post überreichte.
“Niemand“, sagte er verwundert. Ja, ja, als ob er sich wundern würde!
“Und was ist dann los?“
Leander lächelte leicht. “Die Stadt hat dich zum Ehrenbürger ernannt, vorbehaltlich der Zahlung des Standesgeldes, natürlich. Herzlichen Glückwunsch, Seneca.“
Bitte WAS?! “Wie kommen die darauf, mich einfach so einbürgern zu wollen?“ schimpfte ich ungehalten. Das war doch wirklich eine unerhörte Schweinerei! Das war ja noch schlimmer als betteln und hausieren! Brauchten die so dringend Geld, dass die arme, alte Rechtsgelehrte ausnehmen mussten? Das war ja wohl die Höhe!
“Wahrscheinlich, weil ich mich mit einem Stadtbeamten darüber unterhalten habe“, sagte Leander ganz ruhig, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Ich stutzte und versuchte, die Information zu erfassen. “Und warum solltest du so etwas tun?“ fragte ich erst einmal nach.
“Weil es in der Stadt amoklaufende Legionäre gab, wie ich dir sehr wohl berichtet habe, und mir eine Beschwerde angebracht erschien.“
“Du willst mir jetzt allen ernstes sagen, dass ich jetzt Stadtbürger bin, weil dir jemand auf die Nase gehauen hat?“
“Nein, du bist Stadtbürger, weil diese Stadt hier dringend ein angemessenes Ordnungssystem und eine gewisse eigenständige Wehrhaftigkeit gegenüber der Legion benötigt und du als Rechtsgelehrter dafür bestens geeignet bist. Achja, es könnte sein, dass der Stadtrat dich in seine Reihen als Berater beruft.“ Ganz ungerührt räumte Leander die Schriftrollen, die mir auf den Boden gefallen war, wieder an ihren Platz im Regal.
Ich unterdessen starrte ihn nur an und wusste nicht, wie ich am besten explodieren sollte. Ich war so baff, dass ich nicht einmal schimpfen konnte. Naja, einen Moment nicht. Dann brach es aus mir heraus und jenseits aller stoischen Selbstbeherrschung.
“Bist du mein Eheweib?! Ich dachte, ich hätte diese“ – es folgten ein paar sehr explizite und für unbescholtene Ohren wohl grobschlächtigen Beschreibungen – “hinter mir! Die Minen! Ich sag dir! Die Minen wären noch zu gut für dich! Ans Kreuz sollte ich dich schlagen lassen. Das… das ist Verrat, Leander!“
ich ließ meinem Zorn noch eine Viertel stunde freien Lauf, in der Leander viel zu stoisch für meinen Geschmack dastand und alles über sich ergehen ließ, was ich über ihm ausgoss, bis ich ihn erst einmal wegschickte. Oh, ich sollte ihn wirklich verkaufen, eindeutig!
Ich setzte mich tief in meinen Lieblingssessel und paffte schlimmer als ein Vulkan vor mich hin, während ich über diese neue Situation nachdachte.
Wieder zurück


“Was hast du nur angestellt?“ schimpfte ich, als wir endlich daheim ankamen. Mir gefiel es ganz und gar nicht, dass die Stadtverwaltung jetzt dachte, sie solle mir Leander abkaufen. Das ganze war als Strafe gedacht gewesen, nicht dafür, seinen Kaufpreis in die Höhe zu treiben! Ja, gut, den konnten die sich sowieso nicht leisten, denn Leander war definitiv über dem Budget einer Kleinstadt wie dieser hier. Der Palast in Rom könnte da vielleicht ein passendes Angebot machen, aber hier würden sie ein Loch in die Stadtkasse reißen. Also war ich recht sicher, dass ich höflich ablehnen könnte. Trotzdem, so war das ganz und gar nicht nach Plan verlaufen!
Leander betrat die Domus Plautia wieder und atmete erst einmal wieder tief durch. Domus, o domus dulcis. So schön die Arbeit in der Stadtverwaltung wohl war, so froh war er, endlich wieder daheim zu sein. Auch wenn dieses Daheim scheinbar im Chaos zu versinken begann. Gleich beim Reinkommen sah er schon mindestens fünf Dinge, die er regeln sollte, ehe sie sich zu Problemen auswuchsen. Aber ja, er hatte es vermisst.
Dass Seneca wütend war, nahm Leander da fast freudig entgegen. Auch das hatte er irgendwie vermisst. “Angestellt? Nichts, Seneca. Ich hab nur meine Arbeit gemacht“, meinte er ehrlich erstaunt, was er denn angestellt haben sollte. “Hätte ich sie nicht machen sollen? Dafür hast du mich dorthin doch überschrieben?“
Ich warf Leander einen säuerlichen Blick zu. “Ja, aber musst du sie gleich so gut machen, dass mich die Leute jetzt belästigen, weil sie dich zurück haben wollen?2 maulte ich. So war das ganz sicher nicht geplant gewesen.
Ich ließ mich in meinen Lieblingskorbstuhl in der Bibliothek fallen und suchte nach meiner Pfeife. Wo war das blöde Ding schon wieder? Ich schaute mich um, bis ich sah, wie Leander sie mir hinhielt. Murrend nahm ich sie ihm ab, steckte sie an und setzte mich zurück. “Was soll ich nur mit dir machen, Leander? Das war als Strafe für dich gemeint, und jetzt hab ich mehr Ärger als vorher. Deinetwegen!“
Leander verkniff sich ein Lächeln, welches Seneca jetzt sicher nicht gut aufgenommen hätte. Aber ja, er hatte das hier vermisst, diese kleinen Schrulligkeiten und Zankereien. “Ich kann nunmal nicht anders“, meinte er diplomatisch und schaute wenigstens ein wenig verlegen, ehe er ein paar heruntergefallene Schriftrollen aufräumte – und dann auch gleich die falsch einsortierten schriftrollen an ihren richtigen Platz sortierte.
“Es tut mir leid, Seneca“, sagte er dabei aber durchaus ernst. “Ich habe die strafe durchaus verstanden und es tut mir leid. Ich hätte dich nicht einfach übergehen sollen, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass du durchaus Bürger dieser Stadt sein solltest, wenn du hier nun lebst. Aber ich will dich sicher nicht ärgern und es tut mir leid, dass ich zu weit gegangen bin.“
Er würde hier sehr viel aufzuräumen haben, wenn er sich das alles ansah. Dabei waren es nur acht Wochen gewesen.
Aber das würde alles in den nächsten tagen noch geschehen. Heute wollte er erst einmal das nötigste tun, und dann abends in SEIN Bett fallen, welches er wohl am meisten vermisst hatte. Und mit etwas Glück wollte er eine der neuen Sklavinnen überreden, es mit ihm zu teilen, denn das hatte er definitiv auch vermisst.
Na, wenigstens hatte der Bursche Einsicht! Ich paffte an meinem Pfeifchen und kuschelte mich mehr in meinen Sessel. Ich war nie gut darin gewesen, Entschuldigungen – oder noch schlimmer: Komplimente! - anzunehmen und brummelte nur etwas unverständliches in meinen Bart.

Eine Weile schwieg ich, während Leander aufräumte. Was der aber auch immer für einen Putzfimmel hatte! Aber gut, so fand man Sachen wenigstens wieder und suchte nicht wie ich vorige Woche erst zwei Stunden nach einer Abschrift, die die ganze Zeit neben dem Korbstuhl gelegen hatte.
“Ich sollte dich freilassen. Ernsthaft. Und verheiraten! Dann wüsstest du mal, wie das ist, wenn alle Leute etwas von einem Wollen. Allen voran eine meckernde Ehefrau. Dann würdest du erst verstehen, wie gut es dir hier hast, dass ich dich vor all dem verschont hab.“
Er hatte aufgehört, zu räumen, und schaute mich ganz seltsam an. “Jetzt schau nicht so! Ist nur ein Gedanke. Los, geh, mach deine Arbeit. Und sag der Köchin, dass ich keinen Fisch mag! Ich hab das Gefühl, die versteht mich nicht!“
Einige Tage später

Leander hatte wirklich einige Tage gebraucht, um das Chaos wieder in seine geregelten Bahnen zu verweisen. Noch war nichts von Seiten der Stadt gekommen, weshalb Leander auch annahm, dass die überschwänglichen Bekundungen der Anerkennung seiner Dienste etwas übertrieben waren und dass nichts mehr kommen würde. Ein wenig schade, denn er hätte gern gewusst, was er der stadt wert war, aber er machte sich nicht viel daraus.

Viel eher beschäftigte ihn, dass Seneca tatsächlich von einer Freilassung geredet hatte. Oh, Leander kannte das Testament und wusste, dass er zu den Sklaven gehörte, die nach Senecas Tod die freiheit erhalten würden – sofern er es nicht noch änderte – aber er hatte nie davon gesprochen, das zu seinen Lebzeiten zu tun. Diese Aussicht war neu, und Leander war nicht ganz sicher, ob er darauf hoffen sollte oder besser nicht. Vielleicht hatte Seneca es nur so dahergeredet, ohne wirkliche Absichten zu hegen.

Nun, aber heute hatte er erst einmal wieder Post.

“Ein Brief von Furius Saturninus ist angekommen. Er erbittet deinen rechtlichen Rat in einer Erbschaftssache“ übergab Leander den Brief an seinen Herrn. Normalerweise hätte er auch gleich die Antwort verfasst und Seneca nur mitgeteilt, wann der Termin wäre, aber er hatte ja dazugelernt und wollte erst wieder ein paar Monate warten, ehe er solche Dinge selbständig regelte.
Endlich hatte ich wieder meine Ruhe! Niemand wollte mehr etwas von mir wegen dem verdammten Haushalt wissen, niemand nervte mich, was ich essen wollte, und die Nachbarn ließen mich auch in ruhe! Herrlich! Ich würde es nie zugeben, aber ohne Leander war das Leben weitaus weniger komfortabel. Vielleicht sollte ich ihn doch nicht freilassen. Denn ja, dieser Gedanke war jetzt schon in meinem Kopf. Der arme Kerl wüsste damit gar nichts anzufangen. Hier als Sklave ging es ihm doch gut! Der Junge war vernünftig, er würde das sicher auch so sehen.

Aber erst einmal kam er doch zu mir und sagte, dass Furius Saturninus meinen Rechtsrat brauchte. Und dann kam nichts weiter. Ich wartete. Er wartete. Schließlich fragte ich genervt: “Und? Wo ist der Rest? Wann kommt er vorbei? Die Zeit in der Stadtverwaltung hat dir wirklich nicht gut getan, Leander.“
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