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Normale Version: [Thorianum B] B IV Didia Corona
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Ich stand auf dem kleinen Balkon, der zur Wohnung gehörte. Auch wenn jetzt im Winter deshalb kalte Luft hereinkam, mussten wir die Wohnung regelmäßig lüften, und ich nutzte die Zeit, mir anzusehen, wer sich so alles in der Nähe des Hauses aufhielt, und ob es ungewöhnliche Aktivitäten dabei gäbe. Und genau in diesem Moment sprach Corona mich an.
Ich drehte mich leicht in ihre Richtung und schaute skeptisch. Sie hatte noch nie eine persönliche frage an mich gerichtet. Nicht zu meiner Herkunft, meiner Familie, meinem Namen, nichts. Es hatte sie nie auch nur ansatzweise interessiert. Ich war da, und das war ihr genug. Deshalb stimmte mich die Frage jetzt nach den ganzen Jahren, die ich bei ihr war, misstrauisch. Dazu noch sagte mir ihr Blick, dass sie irgend etwas gerade wollte. Ich kannte den Blick gut, und üblicherweise lief das darauf hinaus, dass ich sehr viel fluchen musste, weil sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, das ihrer Tarnung mehr als abträglich war. Nicht nur einmal war deshalb jemand gestorben, ohne dass sie davon wusste. Manchmal auch mit ihrem Wissen, weil es nicht anders zu regeln war.
Dass sie jetzt nach etwas persönlichem fragte, ließ also den validen Schluss zu, dass die Bitte, die sie unweigerlich demnächst aussprechen würde, mir noch weniger gefallen würde als alle vorangegangenen.
“Ich habe mich an Bo inzwischen gewöhnt. Wieso fragst du?“ antwortete ich, und ja, ich sagte ihr nicht meinen Namen. Auch wenn ich mir wünschte, ihn einmal von ihr ausgesprochen zu hören. Gehaucht, wie ein leises Versprechen im Dunkel einer Nacht… Ein Gedanke, den ich sofort verbannte. Selbst, wenn nicht die Gefahr bestanden hätte, dass sie meinen Namen wiedererkennen und dem Kaiserhof zuordnen würde und damit das Vertrauen zwischen uns sehr schnell in Auflösung begriffen sein könnte, würde mein Gentilnamen bei ihr zweifelsfrei die Erinnerung an meinen Verwandten Gaius Licinius Mucianus wecken, der Vitellius’ Sohn hatte hinrichten lassen. Und spätestens das würde ihr Schrecken in die Augen treiben.
Und der wichtigste Grund für mich, meinen Namen für mich zu behalten, waren meine bevorstehenden Pläne. Sechs Wochen bis zur Öffnung der Seewege. Acht, bis ich Nachricht hätte. Spätestens dann wäre ich weg. Und drei Wochen später wohl tot. Sie brauchte davon nichts wissen, und sie sollte in keiner Verbindung zu mir stehen. Sie würde später schwören können beim Stein des Iuppiter, keinen Mann namens Marcus Mucius Primus zu kennen und nichts mit dem Tod ihres Ehemannes zu tun zu haben.
Ja warum fragte sie eigentlich nach seinem Namen? Was erhoffte sie sich davon, was sollte ihr das alles bringen?
„Ich weiss nicht ich hatte das Gefühl, das ich dich fragen sollte. Ich habe dich nie gefragt, wo du herkommst, warum du bei uns geblieben bist und warum du das ganze auf dich nimmst. Du bist kein Sklave und auch kein Freigelassener der Familie, was hast du davon mit mir auf der Flucht zu sein? Wer bist du?“
Sie sah ihn mit weit offenen Augen an, jetzt hatte sie etwas Angst vor seiner Antwort. War sie bereit für sie, was war wenn er nur so tat als würde er sie beschützen?
Tränen schimmerten in ihren Augen 
„Ich möchte hierbleiben, endlich wieder leben und keine Angst mehr haben. Vielleicht wäre es besser gewesen ich wäre damals in Alexandria gestorben.“
Corona musste mit sich kämpfen, um nicht in unkontrolliertes Schluchzen zu geraten. Erst vor kurzen hatte sie noch Sabina geraten ihre Gefühle zu beherrschen, wie es eine gute Römerin tat.
„Ich will so nicht mehr leben, ich will wieder ich sein…Maesa nicht Corona. Ich werde meinem Onkel schreiben, er muss in die Scheidung einwilligen oder sonst etwas tun. Ich will aus diesem Drecksloch raus.“
Obwohl sie eben noch dachte das man seine Gefühle beherrschen sollte, feuerte sie jetzt voller Frust und Verzweiflung einen Wasserkrug gegen die Wand.
Sie sah zu ihm auf und Verzweiflung stand in ihren Augen.
„Und ich will wieder lieben können.“ Hauchte sie
Ich hatte keine Ahnung, wo das alles auf einmal herkam, aber Maesa hatte sowas wie einen kleinen Nervenzusammenbruch. Oh, die kleinen und großen Nervenzusammenbrüche kannte ich schon zu genüge, das kam immer wieder, aber warum ausgerechnet jetzt und ausgerechnet wegen mir, das verstand ich nicht.
“Ich bin derselbe, der ich gestern war, und derselbe, der ich morgen sein werde. Du kennst mich“, versuchte ich, sie zu beruhigen, aber keine Chance. Jetzt kamen Tränen hinzu, und alles, was Maesa so auf dem Herzen lag, sprudelte nach und nach aus ihr heraus. Nicht, dass ich das alles nicht schon wusste. Genau deshalb hatte ich ja meinen Plan. Aber ihre Verzweiflung war dennoch nicht einfach zu ertragen. Und natürlich musste sie wieder mal mit einem Krug werfen.
Und natürlich war ihre Klage auch nicht fair. Das hier war ein ruhiges, nettes, neues Haus mit ruhigen, netten, anständigen Nachbarn. Die einzigen, bei denen häufiger Geschrei und Tränen vorkamen, waren wir. Vermutlich wären rundherum alle froh, wenn die schrullige Witwe ausziehen würde. Ein Drecksloch war es aber ganz sicher nicht. Nur eben kein großer Palast mit tausend Sklaven und opulenten Festen, das war alles.
Ihr letzter Satz aber erwischte mich doch etwas kalt, weil sie mich dabei so verzweifelt ansah. Ich wusste, dass es nicht mir galt, nie mir gelten würde und sie einen reichen Patrizier mit tausend Sklaven damit meinte, den sie heiraten konnte. Liebe war in den Kreisen, in denen unser beider Familien sich bewegten, vollkommen fremd. Und in armen Kreisen ebenso, da ging es ums überleben. Ich fragte mich, ob es überhaupt jemanden gab, der dieses Gefühl wirklich für sich leben konnte und danach die Partnerwahl ausrichten konnte. Vermutlich nicht.
Trotzdem hatte ich kurz einen Kloß im Hals und erwischte mich dabei, dass ich ihr sanft meine Hand auf eine Schulter gelegt hatte. Was hatte ich damit vorgehabt? Sie an mich ziehen und trösten? Ich war wohl wirklich ein Erdmännchen, was auch immer das war. Nicht zu schnell, aber doch in gebotener Zeit nahm ich meine Hand wieder weg. Ich berührte sie nicht, wenn es nicht sein musste, und gerade eben musste es nicht wirklich sein.
“Ich weiß“, sagte ich also und wandte mich von ihr ab, der Wand mit dem zerbrochenen Krug zu. Wie so oft sammelte ich Scherben auf. “Du musst nicht mehr lange durchhalten. Sobald die Schifffahrtswege wieder öffnen, kontaktiere ich ein paar Leute und finde heraus, wo Quintius Cato sich aufhält. Danach müssen du und Serafina nur noch zwei Wochen auskommen.“ Warum erzählte ich ihr das? Sie sollte davon eigentlich nichts wissen, um schwören zu können, nicht beteiligt gewesen zu sein. Ich sollte mich besser unter Kontrolle haben. Auch für mich waren es nur noch wenige Wochen, die ich das tun musste.
Ich stand auf und trug die Scherben zu unserem Eimer, in dem wir die Abfälle sammelten, um sie gesammelt alle paar Tage auf den großen Haufen in der Nähe zu werfen. “Und bis dahin wäre ich dir sehr verbunden, wenn du nichts mehr zerbrichst.“
Als er sich von ihr wegdrehte und die Hand, die ihr Wärme und Sicherheit versprach, ihr entzog, begann sie zu zittern.
„Was soll das heißen, du kontaktierst Leute die dir sagen wo Cato sich aufhält und warum müssen Serafina und ich dann noch zwei Wochen aushalten? Was hast du vor?
Voller Verzweiflung griff jetzt sie nach seiner Hand und zog ihn zu sich.
„Du darfst mich nicht alleine lassen, ich brauche dich…ich…ich…“ 
Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen und ein eisernes Band schloss sich um ihre Brust so das sie kaum atmen konnte.
„Ohne dich will ich nicht hierbleiben, ich schreibe noch heute meinem Onkel.“
Sie zog ihn herunter zu sich auf die Liege und klammert sie wie eine Ertrinkende an ihn. 
Mit nassen Augen sah sie ihm in seine und ihr Gesicht war nur noch eine Handbreit von seinem getrennt.
Es knisterte in der Luft und Corona wusste nicht warum, aber sie schloss die Augen und küsste ihn. 
Zuerst wieder wie eine Ertrinkende, aber dann wurde der Kuss fordernd und in sich sanfter, leise stöhnte sie auf und das Band um ihre Brust löste sich.
Sie wollte jetzt nur noch eins, das er sie hielt und beschützte…und das jetzt bitte niemand ins Zimmer kam.
Ich antwortete ihr nicht, was ich vorhatte. Sie brauchte es nicht wissen, sie würde doch nur versuchen, mich aufzuhalten. Naja, oder auch nicht, so sicher war ich mir da nicht. Vielleicht wäre es auch ganz in ihrem Sinne, wenn ihr Mann bald sterben würde, und über mich und mein Überleben machte sie sich ohnehin keine Gedanken. So oder so aber hatte ich nicht vor, ihr die frage wirklich zu beantworten.

Als ich wieder an ihr vorbeiging, klammerte sie sich aber auf einmal an meinen Arm und zog mich zu sich an die Liege. Sie zog so fest, dass ich auf ein Knie neben der Liege gehen musste, da ich ihr sonst wohl bei Gegenwehr wehgetan hätte. Und sie redete panisch weiter, dass sie ihren Onkel schreiben wollte. Ich holte gerade Luft, um ihr das auszureden, denn es würde letztendlich nur zu einem führen: Dass sie zurück nach Rom beordert werden würde, an den Kaiserhof, um dort ihr Leben wieder bewacht in ihrem hübschen, goldenen Käfig zu verbringen. Ganz sicher aber würde es nicht dazu führen, dass sie sich frei bewegen würde können und tun können, was sie wollte. Selbst wenn Vespasian Augustus nicht die Unterstützung der Quintilier gebraucht hätte, würde sie nur für die nächste, politische Ehe dann eingespannt werden. Und auch, wenn das für sie vielleicht wirklich nicht das schlechteste wäre, hatte ich einen Widerwillen dagegen, der vermutlich völlig irrational war.
Aber ich kam nicht dazu. Sie sah mich einen Moment lang noch panisch an, und dann küsste sie mich. Hektisch, heftig, unbeholfen. Aber sie küsste mich. Ihre Lippen waren auf meinen, und ich war so perplex, dass ich einen Moment vergessen hatte, was ich sagen wollte und sie nur anstarrte, wie sie sich mit geschlossenen Augen an meinen Mund schmiegte.

Und dann tat ich das, was ich niemals hätte tun dürfen. Ich schloss meine Augen und küsste sie zurück. Und sie zitterte deshalb und stöhnte leise an meinem Mund. Mein Arm war um ihren Oberkörper geschlungen und zogen sie näher zu mir, während mein Körper sich leicht über ihren beugte und verdammt, es fühlte sich so gut und richtig an, die kleinen Seufzer, ihr sanftes Zittern, ihre Hände an meinem Arm, wo sie sich erst festgekrallt hatte, jetzt mich aber nur sanft hielt.
Mein Körper reagierte sehr eindeutig und auch ich stöhnte leicht, während meine Zunge den Weg zu ihrer fand, erst vorsichtig, dann mutiger und zielgerichteter. Meine Hand hielt sie fest an mich geschmiegt und wollte nichts lieber, als ihr den Stoff vom Körper zu ziehen, um ihre warme und weiche Haut zu berühren.

Verdammt, nein, ich musste das jetzt unterbrechen. Das war nicht richtig, und es war nur, weil sie verzweifelt und voller Angst war. Ich wusste das, und ich wusste, dass sie nicht mehr wollte als einen Kuss, und ich wusste, dass sie auch diesen Morgen schon bereuen würde und so tun würde, als hätte er nie stattgefunden.
Ich beendete den Kuss sanft und hielt sie an den Schultern sanft zurück, ihn wieder aufzunehmen, ließ sie aber nicht los und allein. Einen Moment brauchte ich, um meinen Herzschlag zu beruhigen und ihr die Zeit zu geben, zu realisieren, was sie da gerade tat. “Flavia Maesa, du willst das hier nicht. Du hast jetzt nur Angst, aber das wird vorbeigehen.“
Ich schloss einen Moment die Augen, auch um mich selbst davon zu überzeugen, sie jetzt nicht auf die Liege zu drücken und mich gleich dazu, oder noch besser, sie in ihr Bett zu tragen und die nächsten Stunden die Welt ganz zu vergessen. Aber sie wollte das nicht, das musste ich mir selbst sagen.
“Wenn du das willst, wenn du nüchtern, ruhig und deiner sicher bist, dann gerne. Ich wäre geehrt und glücklich. Aber nicht so.“
Sie hatte das Gefühl zu schweben, weit über allem und jedem. Über sich selbst und über allem was sie fesselte und hielt. 
Seine Lippen auf ihren waren der reine Göttertrank und lies sie dann doch in einen kalten und dunklen Abgrund stürzen.
Das zurückweisen seinerseits war schlimmer als alles was sie bisher erleben musste.
Corona …oder eher Maesa wie er sie so sanft nannte, war seit dem Weggang aus Rom, nein sogar seit Alexandria, nicht mehr so glücklich und zufrieden gewesen als jetzt gerade noch in seinen Armen.
Es hatte auch keine Gelegenheit dazu gegeben denn sie waren nie länger als ein paar Tage an einem Ort geblieben und erst hier, in Iscalis, gab es so etwas wie Sesshaftigkeit. 
Sie hatten eine kleine Wohnung, oder viel eher ein kleines Rattenloch und sie hatte sowas wie Anschluss gefunden und vielleicht auch die ein oder andere Freundin.
Sie wollte nicht mehr weglaufen, sie wollte endlich wieder leben.
Seine Ablehnung jetzt ließ sie wieder spüren das alles nur ein Trugbild war, sie war nicht frei, sie war nicht glücklich…sie war unglücklich.
Sie löste sich jäh aus seiner Umarmung und stand auf, der Blick den sie ihm jetzt zuwarf war arrogant, hochnäsig und voller Trotz.
„Ich bin nüchtern und ich bin mir meiner sicher. Was bildest du dir ein wer du bist und das du mir sagen kannst was ich tun und lassen soll. Ich bin die Tochter von Titus Flavius Sabinus und Claudia Catilina, wer bist du das du meinst zu wissen was für mich gut ist? Du bist ein niemand, ein nichts und….
Weiter kam sie nicht mit ihrer Schimpfterade, den ihre Stimme versagte ihr und wieder liefen dicke Tränen über ihre Wangen. 
Sie wollte ihm nicht weh tun und sie wollte ihn auch nicht von sich stoßen doch er tat das gerade und es tat so weh.
Sie wusste nicht woher das gerade kam, noch nie hatte sie solche Gefühle für ihn gehabt und vielleicht hatte er ja auch Recht mit den was er sagte aber irgendetwas musste passieren, sie konnte und vor allem wollte sie so nicht mehr weiter leben.
Corona schluchzte auf und fiel auf die Kniee vor ihm, „Verzeih mir, bitte verzeih mir.“
Noch nie hatte man sie so verzweifelt und hilflos gesehen, sie war eine Römerin und hatte sich und ihre Gefühle immer und überall im Griff, noch nie hatte sie so vor anderen die Nerven verloren.
Sie stieß mich zurück und stand auf und reagierte so, wie ich sie kannte. Stolz, aristokratisch, standesbewusst. Nicht mehr so bedürftig und, nun, anschmiegsam. Liebeshungrig. Zugewandt. Jetzt war sie wieder sie selbst und ich hatte Recht behalten, dass sie nicht mit mir hatte schlafen wollen. Ja, vielleicht vermisste sie es insgesamt, trotz der Dinge, die ihr Mann ihr angetan hatte, aber ich war hierfür bestenfalls ein Werkzeug, nicht mehr als ein Sklave in ihren Augen, und niemals mehr. Niemals das, was ich mir verboten hatte, für sie zu empfinden. Sie war weit über mir, und sie wusste es, und ich wusste es auch. Und deshalb war es die richtige Entscheidung gewesen.
Auch ich stand auf, während sie weiter schimpfte, und zog ruhig meine Tunika wieder in einen ordentlichen Zustand. Viel dazu sagen wollte ich nicht, denn zum einen würde es die Situation ohnehin nur noch unangenehmer machen, und zum anderen hatte sie natürlich recht. Auch wenn es mir lieb wäre, sie hätte etwas leiser recht, wenngleich zu dieser Tageszeit die allermeisten Bewohner des Hauses ihrem Lebensunterhalt nachgingen und der Rest wohl keine Ahnung hatte, wer Titus Flavius Sabinus gewesen war.

Doch dann brach sie auf einmal zusammen und bettelte um Vergebung, und das weckte sehr ungute Erinnerungen in mir. An eine andere, hochgeborene und schöne junge Frau, Verwandte eines Kaisers, deren einziges Verbrechen darin bestand, dass ihr Ehemann sie nicht liebte und lieber eine Frau wollte, die weit näher an einer Hure als an einer Adligen war. “Es ist in Ordnung, es gibt nichts zu verzeihen. Du hast mit allem Recht“, sagte ich ruhig. Ich war versucht, sie wieder auf die Beine zu ziehen und in meine Arme, aber das wäre jetzt gänzlich unangemessen und dumm gewesen und würde mir mehr nützen als ihr.
“Ich hole Serafina“, sagte ich also stattdessen und wandte mich der Tür zu. Serafina sollte nicht allzu weit sein, sie wollte nur kurz nach draußen gehen und etwas besorgen. Und ich ging davon aus, dass Corona die Gesellschaft ihrer vertrauten Sklavin gerade vorziehen würde und das auch besser so wäre.
Entsetzt sah Corona ihm nach, was war nur los? Einmal zog er sie an und dann stieß er sie wieder von sich. Jetzt holte er auch noch Serafina, was wollte sie mit Serafina?
Corona sah sich um ob nicht doch noch irgendwo eine Kelch mit Wein stand, sie hatte das Gefühl das brauchte sie jetzt, aber es war nichts da.
Eigentlich wusste sie genau das ihre Flucht in den Wein nichts gutes gebracht hatte und das es gerade jetzt auch gut war das Bo dafür gesorgt hatte das alles aus ihrer Reichweite war.
Sie fühlte sich so verloren, so allein unter Menschen.
Corona stand auf und streckte sich, sie war eine Römerin, eine stolze Römerin und sie würde das auch bleiben. Egal was passieren würde.
„Ich geh in die Thermen“ war alles was sie sagte als sie an ihm vorbei ging und die inzwischen wieder aufgetauchte Sklavin am Arm packte und hinter sich herzog.
>>> Den Auftrag der jungen Claudia hatte Nefertem, trotz seiner verzweigten Aufgaben als Maiordomus der iulischen Villa, natürlich nicht vergessen. Mitnichten. So strich sich Nefertem über seine Tunika, damit diese auch ordentlich fiel. Bevor er sich einen Blick in den blank polierten Spiegel gönnte und mit seinem Erscheinungsbild zufrieden war. Wieso Nefertem so sehr auf sein Aussehen achtete? Dies hatte definitiv nichts mit Eitelkeit oder ähnlichem zu tun. Nein. Nefertem wollte einfach, dass nichts schmähliches auf das Hause seines Dominus zurück fiel. Die Tablua mit dem Brief der jungen Claudia nahm Nefertem an sich und überzeugte sich davon, dass das rötlich schimmernde Bändchen, welches das Pergament zu einer Rolle gefaltet behielt, auch nicht verschoben war. Schließlich atmete Nefertem tief durch und verließ die Villa Iulia durch den Seiteneingang. Wie es sich für einen Sklaven gehörte.

Das Pergament hatte Nefertem in einen Beutel an seinem Gürtel geschoben und behielt seine Hand auf dem Beutel. Denn auf den Straßen gab es doch den einen oder anderen Beutelschneider. Vom Villenviertel der Provinz in das Neubeugebiet benötigte Nefertem etwas Zeit. Doch dies ermöglichte ihm seinen Blick neugierig in jedes Eck gleiten zu lassen. Denn trotz seiner Funktion als Maiordomus des Hauses Iulia war der Dunkelhaarige doch noch jung an Jahren und seinem Alter geschuldet eben doch noch an allem und jedem interessiert. Auch einem Fuhrwerk blickte Nefertem nach, als jenes an ihm vorüber fuhr und das zottige, dunkelbraune Pferd zufrieden schnaubte. Dem Pferd schien es gut zu gehen, durchfuhr es Nefertems Gedanken in diesem Augenblick. Besser als es seiner jungen Domina ging. Bei dem Gedanken an Claudia Sabina wurde Nefertem unwillkürlich traurig und biss sich auf die Unterlippe. Wieso musste sein Dominus seine Gemahlin auch so schändlich behandeln? Nachdem der iulische Sklave tief durchgeatmet hatte, setzte er seine Schritte weiter voran und erreichte schließlich das Neubaugebiet Ost. Mit großen Augen blickte Nefertem an den Gebäuden empor, an denen er seine Schritte vorüber lenkte. Bis er endlich das Thorianum B erreichte. Hier irgendwo musste sich die Freundin der jungen Domina häuslich eingerichtet haben.

Schließlich stand Nefertem vor der richtigen Mietswohnung und pochte gegen das Holz der Eingangstüre. Mal sehen wer ihm öffnete.
Nachdem sie weg war, atmete ich erst einmal durch. Ein ungutes Gefühl, sie enttäuscht zu haben, wollte sich tief in meinen Eingeweiden festsetzen, aber ich wusste es besser, als dem nachzugeben. Es war gut, wenn sie wütend auf mich war, das würde in den verbleibenden tagen und Wochen dazu führen, dass sie auf Abstand blieb, und hoffentlich auch dazu, dass sie meine Abwesenheit nicht störte. Ich wollte ihr keinen Kummer bereiten, wenn ich ging, und wenn sie wütend wäre, wäre sie vielleicht sogar froh, dass ich weg wäre.
Ein Teil von mir wollte sich ihr erklären und ihr zumindest einen Brief hinterlassen, aber auf der anderen Seite sollte sie besser von nichts wissen, was meine Person betraf. Ich wusste, es würde sich wie Verrat für sie anfühlen, und es war ja auch Verrat, dass ein Mann, der die Ermordung ihres Vaters zugelassen hatte, sich nun anmaßte, sie beschützen zu wollen.

Ich räumte ein wenig die Wohnung auf, während ich gleichermaßen meine Gedanken aufräumte, als es nach einer Weile anklopfte. Corona würde nicht klopfen, also war es jemand anderes. Ich hoffte, dass keiner der Nachbarn sich über den Lärm beschweren wollte, oder schlimmer noch, etwas verdächtiges mitgehört hatte und nun meinte, mich darauf ansprechen zu müssen. Ich wollte wirklich ungern als letzte Amtshandlung hier noch unsere Nachbarn umbringen.

Ich ging also wachsam zur Tür und öffnete dieselbe. Vor mir stand ein junger Mann, wahrscheinlich Sklave. Nabatäer oder Ägypter, vielleicht auch aus Mauretania. Nicht hier aus der Nachbarschaft. Der Kleidung nach zu urteilen aus einem wohlhabenden Haus. Allerdings konnte ich ihn nicht auf Anhieb zuordnen, war ihm wahrscheinlich noch nicht begegnet. “Ja?“ fragte ich einfach kurz, um ihn aufzufordern, den Grund seines Klopfens auszuführen. Ich war noch nie ein Mann großer Worte gewesen.
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