Nach dem Debakel von Samhain und dem Umstand, dass Caradoc nicht zurück gekehrt ist, beschloss ich mich hier heimisch zu machen. Die Schwangerschaft und das kalte Wetter machten es mir unmöglich, mich zurück nach Hibernia durchzuschlagen. An der Quelle zu überwintern war meine einzige Option, wenn ich nicht mutterseelenalleine in der Wildnis zusammen mit meinem ungeborenen Kind sterben wollte. Ein Teil von mir wollte daran glauben, dass Caradoc zusammen mit den Falken und Cathbad noch irgendwo weilen würden...aber das war nur ein Traum.
Caradoc war ein guter Druide gewesen und man sagte den guten Druiden und Priesterinnen nach, dass sie den Tag ihres Endes kennen. Aber immerhin konnte ich abends mit Gilda zusammen sitzen, die mir auch tatkräftig half das Dach der Hütte auszubessern. Da wir aber nicht so viel Feuerholz hatten, beheizten wir meist nur eine der beiden Hütten abends und teilten uns das Feuer zum Kochen, Heizen und für Licht. Ich hatte das Feuer für heute bereits geschürt und wartete nur noch auf Gilda, die gleich mit dem Gemüse kommen würde, damit wir eine Suppe aufsetzen konnten im Kessel, ehe wir uns den wichtigen Dingen widmen konnten.
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Heute war Imbolc und ich kam mit meinem Stoffbeutel, der das Gemüse und das Brett und Messer für das Gemüseschnippeln enthielt in die wohlig warme Hütte von Morran, die nun von Dierna bewohnt wurde. Es war noch Vormittag, aber weiterhin frostig und eisig und der kalte Wind pfiff um die Hütten. Ich begrüßte die junge Frau und reichte ihr die Sachen, damit sie schon einmal mit dem Gemüse anfangen konnte während ich zum Wasser holen aufbrach. Dierna war schon so kugelrund und es konnte jetzt jeden Tag so weit sein, also kümmerte ich mich darum, dass immer genug Wasser zur Hand war.
Als ich zurückkam war alles für die Suppe vorbereitet und ich schüttete das Wasser in den Kessel zusammen mit den Kräutern und dem Gemüse. "Du musst dir keine Gedanken um die Quelle machen. Ich habe das Reinigungsritual für Imbolc bereits erledigt zum Morgengrauen. Du hattest so tief geschlafen und ich wollte dich nicht wecken." sagte ich gutmütig, während ich im Kessel rührte. Imbolc war das Fest der Brigid und wenn hier noch mehr Priesterinnen leben würden, dann würden wir heute ein großes Fest feiern. So würde es nur Gemüsesuppe und ein wenig Käse und Brot später dazu geben.
Während ich mich um das Gemüse kümmerte, spürte ich bereits einen starken Schmerz im Unterleib und Rücken. Ich biss aber die Zähne zusammen und beendete meine Aufgabe gerade als Gilda vom Wasser holen zurückkehrte. "Danke, dass du mich hast schlafen lassen. Die letzten Tage habe ich nur wenig geschlafen." Ich hatte ständig das Gefühl, dass das Kind in meinem Leib herumturnte und erst seit gestern hatte das endlich aufgehört. Ich war wie alle Priesterinnen in der Geburtshilfe bewandert und wusste, dass dies ein Zeichen dafür war, dass es bald soweit war.
Ein weiterer scharfer Schmerz ließ mich zusammen zucken und Gilda erfasste sofort, was Sache war. Ich legte mich auf das Lager und schälte mich aus einigen Schichten, während Gilda das Feuer anfachte und einen zweiten Kessel für Wasser aus ihrer Hütte holte. Nach einiger Zeit brach das Wasser und der Schmerz wurde intensiver und es erschien mir recht schnell zu gehen, dafür dass es mein erstes Kind war. Aber wirklich viel darüber nachdenken konnte ich nicht mehr. Ich war aber froh, dass Gilda an meiner Seite war und mit ihrer Hilfe brachte ich nach einigen Stunden ein gesundes Mädchen zur Welt.
Vollkommen erschöpft lag ich auf meinem Lager mit dem ebenfalls erschöpften Baby an mich gepresst, während Gilda routiniert die Nachgeburt kontrollierte und dann nach draußen brachte um sie zu vergraben. "Willkommen, mein kleines Lämmchen...Úna" raunte ich dem Baby zu, ehe mir die Augen schon halb zufielen. Das Kind schlief bereits nach der Anstrengung der Geburt.
Es waren eine Woche seit der Geburt vergangen und alles heilte gut. Die Milch war auch schon gekommen und das Stillen klappte mehr oder weniger wie es sollte. Úna hatte bereits ein wenig zugenommen und mit Gildas Hilfe konnte ich durch saubere Bandagen auch eine Infektion vermeiden. So viele Frauen erhoben sich nicht mehr vom Geburtslager, weil sie dahinsiechten, aber ich war jung und stark und Gilda war eine ausgezeichnete Heilerin und Hebamme. Ich konnte das kleine Geschenk der Göttin stundenlang einfach nur anstarren, während sie schlief oder ich sie stillte.
Heute würde ich sie das erste Mal im Wasser der Quelle baden und sie mit der Göttin bekannt machen. Ich hatte mich in meine blaue Priesterinnenrobe gehüllt, mein Haar geflochten und das kleine Kind warm eingepackt. Ich wartete nur noch auf Gilda, die noch Wasser holen beim Fluss war, bevor wir aufbrechen konnten. Ich trug Úna in einem Tuch an meine Brust gebunden vor mir und wiegte sie ein wenig, während ich in der warmen Hütte auf und ab ging, als ich plötzlich von draußen Stimmen hörte - auf Latein.
Die Anspannung war fast greifbar, als ich kurz darauf Gildas schlechtes Latein hörte und die Stimme einer weiteren Frau. Zumindest schien es keine direkte Gefahr zu geben, auch wenn ich die Worte nicht wirklich ausmachen konnte. So verließ ich also auch meine Hütte, um Gilda beizustehen.
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>>> Ich hatte darauf geachtet, in welcher der Hütten die Priesterin lebte. Also blieb ich stehen und pochte an die Tür:
"Weise Frau Dierna, bist du zuhause? Ich bin es, Sonnwin. Kann ich mit dir sprechen?", rief ich.
Úna lag in einer kleinen Krippe und schlief friedlich, während ich die Kräuter verarbeitete, die ich heute morgen nach dem Wasserholen gesammelt hatte. Gilda würde einen Nachschub an frischen Heilkräutern für Stella brauchen und ich selbst brauchte auch einen stärkenden Kräutertrunk. Draußen war es heute stürmisch und ich hatte bereits genug trockenes Holz für die kommenden Tage in einer Ecke in der Hütte aufgeschichtet, damit es nicht vollkommen nass wurde.
Plötzlich klopfte es an der Tür und der blonde Sonnwin stand davor. Ich öffnete die Tür so leise wie möglich und ging vor die Tür, die ich wieder so leise wie möglich schloss. "Úna schläft gerade. Wie kann ich dir denn helfen, Sonnwin?" fragte ich ihn.
"Weise Frau Dierna, ich muss mit dir etwas besprechen", sagte ich und eröffnete damit, dass ich ihren Rat brauchte, so wie die Leute früher auch immer zu meiner Mutter Gerlinda gekommen waren:
"Ich habe mich dazu entschlossen, dir unsere wahre Geschichte zu erzählen. Denn nur so kannst du urteilen, ob du uns weiter schickst oder ob wir längerbleiben dürfen...", ich machte eine kleine Pause und sah auf die Keltin vor mir herunter:
"...wenn der Winter kommt. Ich hoffe, du hast Zeit, mich anzuhören, im Namen der Göttin Frija, im Namen der göttlichen Iuno...",
ich lächelte, aber ich war mir sicher, dass Dierna die Traurigkeit in meinen Augen lesen konnte. Ich machte mir Sorgen um Stella. Vielleicht war es doch nicht das Richtige gewesen, sie aus ihrem Zuhause herauszureißen. Sie war zart. Würde sie mir ernstlich erkranken, würde ich mir das nie verzeihen. Wie sehr brauchte ich Gewissheit, dass die Göttin unsere Verbindung segnete, und dass sie uns zu Friudel und Fridila bestimmt hatte:
"Ich weiß nicht, welchen Namen bei euch die Gütige Göttin trägt, aber auch in ihrem Namen bitte ich dich"
Mein Gesicht wurde ein wenig besorgter, aber ich hatte nach wie vor nicht das Gefühl, dass uns diese Fremden etwas Böses wollten. Was diese ganze Geschichte wohl sein würde? Sollte ich später einen Blick in die Quelle wagen?
So lauschte ich aufmerksam seinen Worten und musste dann doch ein wenig schmunzeln. "Dieses Heiligtum ist der Göttin Brigid geweiht. Sie ist die Göttin der Heilkunst und Fruchtbarkeit, aber auch der Dichtkunst und Prophezeiung. Brigids Gastfreundschaft ist heilig und wir würden euch nie verraten. Es gibt keinen Grund etwas vor uns zu verbergen, Sonnwin" sagte ich leise und wartete dann darauf, dass er sprach.
"Dann auch im Namen von Brigid", sagte ich: " Ich danke nochmals für eure Gastfreundschaft und dafür, dass ihr euch um Stella kümmert. Sie ist vielleicht allzu zart für das unstete Leben. Du musst wissen, weise Frau Dierna, Stella ist eine Römerin von hoher Geburt, aus einer patrizischen Familie. Ich bin auch ein römischer Bürger, aber erst vom Vater her, und auf jeden Fall ohne Rang. Ihr Vormund will mir Stella nicht geben, und so sind wir gemeinsam geflohen, denn wir lieben uns. Ich bin mir sicher, dass ihre Familie uns nicht in Ruhe lassen wird. Und das ist auch ein Grund, warum wir bald weiter nach Norden ziehen wollen",
ich lächelte Dierna traurig an: "Ich würde es mir nicht verzeihen, euch hochherzigen Weisen Frauen wegen uns in Gefahr zu bringen. Und schon gar nicht dein kleines Mädchen"
Nein, das würden Stella und ich wirklich nicht wollen. Wer wusste schon, welche Hebel Furius in Bewegung setzte. Am Ende Soldaten, die alle, die uns geholfen hatten, in die Minen steckten. Die Situation war verfahren. Also sobald Stella wieder gesund war, mussten wir weiter. Ein Jahr und einen Tag mussten wir uns vor Stellas Vormund verbergen, falls es uns nicht gelang, ihn vorher zu versöhnen. Ich flehte im Geist zu Frija, dann sagte ich:
"Meinst du, Brigid könnte unsere Verbindung segnen? Und... offenbart sie dir vielleicht etwas über unser Schicksal?"
Für die Weisen Frauen der Chatten hob die Göttin manchmal den Schleier der Zeit und gewährte einen Blick in die Zukunft. Ob ihre keltischen Priesterinnen diese Gabe auch pflegten, wusste ich schlicht nicht.
Ich hatte mir schon so etwas gedacht, da Stella vor allem auf das wilde Land hier unvorbereitet war. Die Kälte hatte ihr stark zu schaffen gemacht, was für Menschen aus südlicheren Ländern oft schwerer war. Aber eine mächtige römische Familie, die sie nicht an Sonnwin verheiraten wollte, war natürlich ein großes Problem. Ich konnte mir einen sorgenvollen Blick nicht verkneifen, aber winkte doch ab. Unser Schicksal war ohnehin in der Hand der Göttin...da hatte Angst ohnehin keinen Platz.
"Es wäre mir eine Ehre eure Verbindung zu segnen und ich kann auch gerne einen Blick in die Wasser für dich - oder euch beide - werfen. Aber ich muss dich warnen, Sonnwin...die Wasser sind oft kryptisch und zeigen uns nicht immer das, was wir gerne wissen wollen. Wenn du den Blick wagen willst, dann bringe einen lebendigen Hasen zur Quelle an Mitternacht. Heute ist Vollmond und die Gelegenheit günstig und der Blick auf das Wasser klar. Ich werde dort auf dich warten. Komm auf jeden Fall allein."
Die Wahrheit der Göttin war immer nur für die Ohren des Bittstellers bestimmt und niemanden sonst. Aber ehe ich noch mehr erklären konnte, wachte das Baby in der Hütte auf und begann zu schreien. Es war höchste Zeit, dass ich Úna fütterte und so lächelte ich Sonnwin entschuldigend zu und begab mich wieder zurück in die Hütte um meine Tochter zu versorgen.