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Normale Version: Garten
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Eine große Fläche, mit wild wuchernden Pflanzen und Sträuchern. Hier muss noch viel Arbeitszeit und Kraft investiert werden. 
Pytheas hatte einige Setzlinge - manche, die man auf dem Markt erwerben konnte, aber auch einige, die schwieriger zu bekommen waren. Unter den letzeren waren Bilsenkraut, Nieswurz, Schierling, Fingerhut und Doryknion, und als er die Pflanzen erwarb, sagte er den Kräuterfrauen auch, dass er ein Medicus war, nicht, dass sie dächten, er sei ein Massenmörder. Aber immer noch nicht war er seinem Ziel näher gekommen, sich mit einem keltischen Heilkundigen über die hierzulande eingesetzten Kräuter auszutauschen und von ihm Neues zu lernen.

Im Garten gab es auch einen Verschlag für Pytheas neues Reittier:Eine Eselin, ein gutmütiges und genügsames Tier. Esel passten sich überall an, selbst an das feuchtere Klima Britanniens.
Er hatte sie wegen ihres weißlichgrauen Fells Leukophaia genannt. Es war selten, dass sie störrisch wurde und dann redete er ihr gut zu und meistens ging es weiter.

Leukophaia
[Bild: Esel-von-Pytheas.jpg]
>>> Der Medicus war vorausgegangen und wies auf den Garten: "Hier in dieser Ecke gibt es eine veritable Anzahl giftiger Pflanzen. Manchmal ist es der Tod, manchmal ist es aber auch ein Heilmittel. Es kommt auf die Dosis und die Anwendung an. So ist es mit vielem im Leben, meinst du nicht auch?", er warf Atreus einen raschen Blick zu:
"Heute werde ich ernten, was ich gesät habe.Setze dich doch bitte"
Es gab zwei Gartenklappstühle aus Metall, von denen er einem seinen Besucher hin schob. Dann lächelte er ihn an. Atreus war ein ausnehmend gutaussehender Jüngling:
"Ich freue mich, dass du gekommen bist"
Giftige Pflanzen, in der Tat. Calum war beeindruckt, was sich hier so alles fand. Damit konnte man ne kleine Feiergesellschaft umbringen, wenn man wollte. Aber der Medicus hatte schon nicht Unrecht. Alle hatten sie ihren Nutzen und konnten sicher auch zur Heilung verwendet werden.
"Ich kenne ein paar von denen", sagte er vorsichtig. Eigentlich sogar die meisten. Als Schüler Cathbads hatte ihn immer mehr interessiert, wie man Menschen heilen konnte, statt ihnen zu schaden. "Ich könnte dir ein paar Stellen im Wald zeigen, wo sie wachsen... Naja, irgendwann mal."
Calum verfiel wieder in Schweigen und sah sich den Garten an, ehe er die Worte seines Gastgebers vernahm.
"Danke... Danke, dass ich kommen durfte...", murmelte er bekümmert. Doch was er nun sagen sollte, wusste er wirklich nicht.
"Wenn du mir einen Platz mit hiesigen Heilpflanzen zeigen kannst,  würde das mich sehr freuen und interessieren, Atreus", erwiderte Pytheas ehrlich beeindruckt: "Ich habe versucht, einen keltischen Heiler kennen zu lernen, um mich mit ihm auszutauschen. Es ist mir nicht gelungen. Sie gehen mir anscheinend aus dem Weg. Nun ja, ich bin auch Konkurrenz. Nur die Hebammen sind etwas offener"

Er kniete sich hin, umwickelte seine Hände mit Lappen und nahm nun die kleine Sichel zur Hand. Rasch durchtrennte er den Halm einer Schierlingspflanze und legte sie vor sich:
"Du kannst immer herkommen", antwortete er und hob den Kopf: 
"Und wenn du was auf dem Herzen hast: Lass dir einen Ratschlag von einem alten Mann erteilen", er grinste. Er schätzte, dass er sieben, acht Jahre älter war als Atreus:
"Fange von vorne an und höre hinten auf. Ich höre Dir zu, Atreus. Und ich sage nichts weiter. Wir Medici leisten einen Eid, weißt du, der nach Hippokrates, dem Berühmtesten unseres Standes, benannt ist: 
- Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich verschweigen und als ein Geheimnis bewahren - Das heißt, was es auch sei, Atreus, du kannst es mir erzählen, und es wird diesen Garten nicht verlassen"
Calum lächelte matt. Obwohl seine Augen nicht mitlächelten, freute ihn das ehrliche Interesse. Natürlich wollte niemand dem römischen Medicus helfen, denn die Leute fürchteten schließlich, dass ihre Geheimnisse den Römern zugute kommen würden. Aber vielleicht wollten sie auch nur nicht für Druiden gehalten und getötet werden.

Calum schnaubte, gegen seinen Willen amüsiert und schüttelte den Kopf.
"Wie ein alter Mann wirkst du doch gar nicht." Oh je. Falsche Aussage zum falschen Zeitpunkt. Vor allem, weil er immer noch mit sich rang. Er fuhr sich durch das Haar, denn die Geheimnisse in seinem Inneren kochten über und Flavianus war derzeit sein einziger Freund auf der Welt.
"Ich wollte nur... Ich weiß auch nicht...Es ist nur so viel passiert und ich... ich..."
Calum holte tief Luft.
"Auf dem Rennen gestern, da hat mich wer angesprochen. E-Es war dieser dicke Plautier."
Jetzt lächelte Pytheas. Vielleicht zählten nicht die Jahre, sondern das, was man schon gesehen hat, dachte er. Ich fühle mich zuweilen, als hätte ich schon alles gesehen. 
Er hörte auf, Giftpflanzen zu schneiden und wickelte die Sichel, die mit dem Gift in Berührung gekommen war, in ein Tuch. Nicht dass Wicho oder ein anderer da aus Versehen hinfasste. 
Dann setzte er sich auf den anderen Klappstuhl und ließ das, was Atreus ihm mitteilte, sacken. Atreus war ein Schmiedgehilfe, und - er hatte dick gesagt, wodurch der andere Plautier, der Rechtsgelehrte, ausschied -  Plautius Montanus Herr über den Weißen Rennstall und beträchtlichen Reichtum. Zwischen ihnen gab es keine offensichtliche Verbindung, außer dass Atreus vielleicht seine Rennpferde beschlagen könnte. Aber der Junge schien ihm dafür zu aufgewühlt:

"Du bist ein freier römischer Jüngling", sagte Flavianus Pytheas schließlich: "Du musst nichts tun, was Du nicht tun willst. Doch ich denke, dass Du das selber weißt. Was hat Plautius Montanus denn von dir wollen?"
"Er hat mich zu einer Cena eingeladen", antwortete Calum leise und überhörte dabei ganz geflissentlich die Andeutung, die Flavianus in seine Worte packte.
Als er den Kopf hob und in die Augen seines Gegenübers sah, das inzwischen ebenfalls am Tisch saß, lag darin etwas Flehentliches, als ob er darum bitten würde, ihm doch bitte zu glauben:
"Er... Er sagt, sein Bruder sei mein Vater gewesen... Dass ich genauso aussehe wie er. Er behauptet, er... Er sei mein Onkel."
So etwas kam in den besten Familien vor. Es gab Liebschaften, und es gab illegitime Nachkommenschaft. Die gehörte dann zur Gens der Mutter, doch ab und zu wurde auch jemand, besonders wenn er gute Anlagen zeigte, noch nachträglich vom Vater anerkannt. Soweit nichts Außergewöhnliches. Dennoch schwang da noch etwas anderes, etwas Dunkles mit, was Atreus so aufwühlte. 
Er hatte gesagt: Sein Bruder sei sein Vater gewesen. Bedeutete das, dass der Vater nicht mehr am Leben war? Dann konnte er kein Kind mehr anerkennen. Trotzdem konnte sich der Onkel um ihn kümmern wollen. Und dennoch: Etwas stimmte ganz und gar nicht. 

"Atreus, ich weiß natürlich nicht, wie deine Mutter zu deinem Vater gestanden hat. Deinen Worten entnehme ich, dass dein Vater schon verstorben ist . Ich entnehme auch deinen Worten,  dass deine Eltern nicht in einer gültigen Ehe verheiratet waren. Ich kann mir vorstellen, dass du große Vorbehalte gegen deine Familie väterlicherseits  hast", sagte Pytheas vorsichtig:

"Doch warum hat Plautius Montanus dich überhaupt eingeladen und mit dir sprechen wollen? Er ist dir ja zu nichts verpflichtet"
"Ich weiß nicht", gab Calum zu, der den Blicken seines Gesprächspartners erneut auswich. "Er hat... Er hat mir das nur gesagt und dann wollte er mich in seiner Familie willkommen heißen... Aber... Ich konnte das nicht. Ich bin einfach weggelaufen. Dieser... Dieser Bastard!"
Calum kümmerte es nicht, dass ihm inzwischen Tränen über die Wangen liefen. Der Gedanke an den arroganten widerwärtigen Mann vereinnahmte ihn.
"W-Weißt du, was er gesagt hat? Wie ich aussehe, müsste meine Mutter eine wunderbare Römerin sein. N-N-Nie im Leben käme sein Bruder auf die Idee, eine aus dem Keltenpack zu schwängern!"
Inzwischen hatte er seinen Kopf auf die Hand gebettet, die sich in sein Haar krallte. Es schüttelte ihn, als seine Gefühle sich Luft machten.
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