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Normale Version: Behandlungszimmer (Iatreion)
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Ein Raum dessen Einrichtung und Nutzung dem Medicus überlassen war.
>>> Pytheas brachte eine  Mutter und ihr Kind, das immer noch etwas fieberte, aber auf dem Weg der Besserung war, zur Tür, als Paetus mit einem Fremden - einem großen Kelten - beinahe zusammenstieß. Pytheas kratzte sich am Kopf und wollte gerade bemerken, dass es der Reihe nach ging und dass der Große nicht nach Notfall aussah, da sagte Paetus schon:
"Medicus, das ist kein Patient, sondern ein Bewerber als mein Nachfolger" Pytheas wusste, wie sehr Paetus seine Enkelkinder vermisste. Eigentlich war er nur geblieben, weil sich niemand auf die Stelle beworben hatte. Daher lächelte er nun:
"Gut, er darf bleiben. Bitte gehe du an die Haustür zurück"
Paetus zögerte: " Ich bleibe lieber hier vor der Tür", sagte er und kniff die Brauen zusammen: " Ich war früher Soldat", sagte er zu niemandem Bestimmten: "Ich weiß immer noch, wie man mit solchen Kerls fertig wird"
"Aber ja. Mir tut niemand etwas", Pytheas lächelte und musste hochgucken - Louarn war viel größer als er:
"Salve. Ich bin Flavianus Pytheas Medicus. Nimm bitte Platz. Wie ist dein Name? Und möchtest du etwas trinken?"
Pytheas hatte einen Krug Posca auf dem Tisch, allerdings sehr mild gewürzt, denn da die Qualität des hiesigen Trinkwassers gut war, brauchte man nicht Unmengen Essig, um es genießbar zu machen:
"Du möchtest also die Stelle als Türsteher haben?" 
 Pytheas sprach langsam, da er nicht wusste, wie gut der Andere Latein sprach. Aber Latein musste er schon können, wegen den römischen Patienten. Auf den ersten Blick war der Medicus von Louarns Erscheinung  beeindruckt. Er hatte noch nie jemanden aus der Nähe gesehen, der ihm so einen Eindruck des alten, wilden Keltentums gab wie diesen Besucher. Er war neugierig, mehr zu erfahren. Anderseits machte es ihn froh, denn wenn die Angehörigen der Stämme jetzt nach Iscalis kamen, um hier zu arbeiten, wurde die Provinz immer mehr befriedet.
Ich hätte wirklich auch warten können.
Der Mann erklärte mir, dass Patienten also ein hochtrabendes Wort für kranke Leute war und führte mich zu einem Zimmer, wo ich beinahe in eine Frau mit einem kranken Kind auf dem Arm rannte. “Entschuldige“ machte ich platz und sah den beiden hinterher. Das Kind hatte rote Wangen. Fieber. Ich überlegte noch, ob ich ihr einen Rat geben sollte, aber sie ging schon schnell und ich wurde von dem Mann an der Türe mehr oder weniger in den Raum geschoben, wo ein dünner, junger Mann wartete und mich fragend anschaute. Aber gut, ich schaute wohl nicht weniger fragend zurück.
Es entspann sich ein kleines Gespräch zwischen dem Mann von der Tür und diesem Mann jetzt, an dessen Ende der Typ von der Tür mir indirekt drohte. Ich schaute zu ihm und das unausgesprochene Ach ja? war wohl deutlich in meinem Gesicht abzulesen. Ich wusste zwar alte Krieger durchaus zu würdigen, da in diesem Gewerbe die Leute die Tendenz hatten, jung zu sterben. Aber ich hielt nicht so viel von den Römern als Kämpfern. Sie verließen sich zu sehr auf ihre Formation, die auch wirklich nur schwer zu durchbrechen war. Aber ein einzelner von ihnen? Der kleiner war? Ich sah da nur ein bedingtes Problem.
Aber ich wollte ja im Moment gar niemanden umhauen oder töten, und in der Stadt sollte ich mich sowieso zurückhalten, also beließ ich es bei dem kurzen, fragenden Blick und setzte mich dann da hin, wo mir Platz angeboten worden war.

Der Raum sah seltsam aus. Diese massiven Wände, auf die seltsame, unbekannte Muster gemalt waren. Ich sah mich kurz gewohnheitsmäßig um und fragte mich, wie Römer ernsthaft so leben konnten auf Dauer. Hier atmeten und lebten keine Geister, die ich benennen könnte. Der Mann stellte sich vor mit einem irre komplizierten Namen und sprach seltsam langsam. Wahrscheinlich hielt er mich für blöd. “Nein, danke, ich habe keinen Durst. Mein Name ist Louarn.“ Was sehr viel kürzer war als Flavianus Pü-irgendwas. Wahrscheinlich hätte ich es mir merken sollen.
Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder dem Mann vor mir, da hier ohnehin keine Elfen wohnten, und versuchte, meine Gedanken in Worte zu fassen, die er verstehen würde. “Ich suche Arbeit und habe deine Tafel auf dem Platz gefunden.“ Ich gab sie ihm, denn sie gehörte ihm ja, und damit er wusste, um was es ging. “Und um ehrlich zu sein weiß ich nicht wirklich, was ein Türsteher ist. Der Mann draußen ist jetzt gerade Türsteher? Das ist also so eine Art Wächter, richtig?“ Mit dem Wort konnte ich in meiner Vorstellung viel mehr verbinden als jemand, der, nunja, an einer Tür herumsteht. “Wofür brauchst du einen Wächter? Die Leute draußen sahen jetzt nicht wirklich gefährlich aus. Bist du so eine Art Fürst?“ Die hatten auch dann Wächter, wenn sie eigentlich keine brauchten. Einfach zur Sicherheit und aus Prestigegründen. Aber besonders fürstlich sah der Mann eigentlich nicht aus. Er hatte zumindest keinerlei Standesabzeichen. Und klar, Cathbad hatte uns alles mögliche über die Römer beigebracht, unter anderem deren Sprache, in der ich ja grade auch sehr flüssig redete. Aber ich hatte nicht immer so aufmerksam zugehört, und ich kapierte gerade wirklich nicht, warum ein einfacher Kerl einen Wächter an der Tür brauchte.
Pytheas nahm die Tafel mit der Stellenanzeige, schaute sie an und legte sie vor sich hin:
"Danke“, sagte er ein wenig überrascht, dass er die Tafel jetzt wieder hatte:

"Ich bin alles andere als ein Fürst, Louarn. Ich bin nur ein Medicus, ein Heiler. Der Ianitor war auch gar nicht meine Idee, doch mein Vermieter, der Centurio Octavius, hat darauf bestanden, dass ich einen einstelle. Richtig: Paetus ist mein Türsteher. Seine Aufgabe besteht vor allen Dingen darin, Patienten zu empfangen und sie ins Atrium, welches mir als  Wartezimmer dient, zu setzen. Auch gibt er Auskunft, wo ich zu finden bin, wenn ich außer Haus arbeite. Sollte einmal jemand Ärger machen, ist es seine Aufgabe,  ihn..äh.. nach draußen zu geleiten. Das ist bisher aber noch nicht vorgekommen.“, er schüttelte leicht den Kopf:

„Aber erzähle mir bitte etwas von dir. Du sprichst unsere Spache gut. Lebst du schon lange in Iscalis? Was hast du bisher gemacht? Paetus Lohn  beträgt sechs Denare in der Woche plus freie Verpflegung. Wärst du auch damit damit zufrieden?"
Der Kerl schien ganz nett zu sein, und er erklärte mir einige Dinge zu der Arbeit, die er anzubieten hatte. Ich grinste leicht schief. “In meinem Volk gehören die Heiler mit zu den am meisten Geehrten von höchstem Stand“, meinte ich. Und es stimmte, weil die Heilkundigen in meinem Volk üblicherweise Druiden oder Priesterinnen waren. “Die Römer schätzen Heiler weniger?“ Ich fragte es, auch wenn ich die Antwort wusste. Cathbad hatte uns viel lernen lassen über unseren Feind. Und die Dinge, die wir verehrten: Heilkunst, Dichtung, Schmiedekunst, die Geister der Natur – all diese Dinge schätzten sie recht gering.

So ganz verstand ich aber noch immer nicht, wofür er mich bezahlen wollte. “Du willst mir 6 Denare dafür zahlen, dass ich einfach nur die Tür aufmache und den ganzen Tag rumstehe?“ Nein, das verstand ich wirklich nicht. Ja, Leute hereinbeten, Auskunft geben… aber das war doch keine Arbeit für einen Krieger!

Er fragte mich nach mir, und natürlich wusste ich, was ich sagen sollte. Die Geschichte hatte ich so oft geübt, dass die Lüge ganz leicht über meine Lippen kam, insbesondere, da sie nah genug an der Wahrheit war, dass ich mich nicht verplappern konnte. “Mein Vater bestand darauf, dass ich und meine Geschwister deine Sprache lernen, als ich noch ein Kind war. Aber jetzt hat er mich losgeschickt, für mich selber zu sorgen. In Iscalis bin ich noch nicht lange. Ich war im Winter einmal hier, bin dann ein wenig herumgereist und schließlich wieder hierher gekommen. Im Moment helfe ich Alan im Mietstall, aber das wirft nicht genug für zwei Menschen ab und ich will seine Gutmütigkeit nicht ausnutzen. Deshalb suche ich jetzt grade eine andere Stelle.“
Ich setzte mich leicht nach vorne und legte meine Arme locker auf die Knie. Ich schaute den Heiler an. “Ich will mich nicht beschweren, wenn die Arbeit leicht ist. Aber meinst du nicht, dass du dafür auch irgendwen anstellen kannst und nicht unbedingt einen Kämpfer?“ Ja, besonders clever war das nicht, wenn ich die Arbeit haben wollte. Und ich wollte Alan wirklich unterstützen. Aber ich fühlte mich unwohl damit, Geld fürs Nichtstun zu kriegen. “Und ich muss an einigen Tagen Alan im Stall helfen. Die schweren Sachen kann er nicht mehr so gut.“
"Die Heiler sind tatsächlich so angesehen bei euch?", fragte Pytheas: 
"Nun, bei den Römern sind sie eher von niedrigem Stand. Erstens werden wir als eine Art Handwerker betrachtet  - nichts was mit den Händen arbeitet, ist vornehm. Und zweitens sind die meisten Medici Ausländer, Freigelassene wie ich selbst oder sogar Sklaven. Die Militärärzte nehme ich hiervon aus. 
Doch mancher Römer glaubt sogar, dass sich die griechischen Ärzte alle verschworen haben, sie umzubringen", er lachte ein wenig:

"Aber ich habe ein gutes Auskommen. Gut genug, einem unterbeschäftigten Türsteher einen Denar pro Arbeitstag zu zahlen"
Er hätte dem Kelten weniger anbieten können als dem Veteranen, hinter dem immerhin zwanzig Jahre militärische Erfahrung lagen, doch das war nicht Pytheas Art. Er entlohnte gerne großzügig.

Die Frage, ob man für diese Arbeit wirklich einen Krieger brauchte, brachte ihn zum Nachdenken. Er zweifelte nicht an Louarns Befähigung - der Kelte faszinierte ihn, und er wollte gerne die Chance haben, ihn alles zu fragen, was er schon längst wissen wollte. Doch Louarns Argument war nicht von der Hand zu weisen: Brauchte es für die Praxis einen Krieger? Brauchte es überhaupt noch Krieger? Oder waren sie wandelnde Anachronismen, etwas dass mit der Zeit so verschwinden würde wie die römischen Könige oder die alten Menschenopfer?

"Weißt du, Louarn, ich denke, dass nicht nur ich einen Krieger, sondern auch ein Krieger eine andere Arbeit benötigt. Denn jetzt ist ja Rom hier. Wir bringen Recht und Gesetz, und unsere Legionen erhalten den Frieden.
Für wen möchtest du da noch in den Kampf ziehen? Selbst Achilles, das war der größte Krieger der Griechen, der je gelebt hat, wäre so ziemlich aus der Zeit gefallen, wenn er jetzt die Tür herein käme", Pytheas winkte ab:
"Verzeih. Manchmal spreche ich laut mit mir wie ein alter Mann. Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu verwirren", sagte er, denn er ging davon aus, dass Louarn noch nie von Achilles gehört hatte: 

" Ich wäre sehr erfreut, wenn du in meine Dienste treten könntest. Montag, Mittwoch und Freitag bräuchte ich dich hier den ganzen Tag. Die restlichen Tage kannst du dir frei einteilen. Und habe ich recht verstanden, dass du bei diesem Alan auch wohnen bleiben wirst?"
Pyheas wusste, dass der Veteran lieber heute als morgen abreisen würde:
"Wenn alles für dich passend sein sollte, würde ich es per Handschlag besiegeln. Und dann verkünde ich Paetus die frohe Botschaft, dass er bald täglich seine Enkelkinder sehen darf"
Die Art, wie er über die Römer sprach, war seltsam. Irgendwie so, als gehöre er nicht dazu. Aber er war ziemlich eindeutig ein Römer. Der Name, die Wohnung, die komischen Gebräuche, all das kam mir schon verdammt römisch vor. Ich war mir nicht sicher, ob seine frage ernst gemeint war, ob bei uns die Heiler wirklich so angesehen waren, aber ich beantwortete sie trotzdem. “Die Götter haben allein die Macht, zu erschaffen. Die höchste Macht darunter ist es, Leben zu erschaffen. Die Menschen, die dieser Macht am nächsten kommen, sind Frauen, wenn sie ein Kind tragen, und Heiler, wobei die Heiler für diese Kraft ein großes Wissen und Jahre der Erfahrung benötigen. Also ja, alle Kelten schätzen Heiler hoch.“ Die mystischen Feinheiten ließ ich weg, zum einen, weil ich die selber nie so richtig verstanden hatte, zum anderen, weil Flavianus Pü eben ein Römer war, den die tieferen Kenntnisse somit nichts angingen. Wahrscheinlich sollte ich nicht mal für ihn arbeiten, aber ich brauchte das Geld und ich brauchte eine Tarnung. Ich hasste es, solche Spielchen zu spielen, aber es war nunmal notwendig. Auch wenn mir Lügen nicht lag.

Seine anderen Worte klangen zynisch in meinen Ohren. Die Legionen erhielten den Frieden? Er glaubte das wahrscheinlich wirklich, aber seine Art von Frieden war wohl eine andere als die keltische. Das, was die Römer nach Mona gebracht hatten, war sicher kein Frieden. Und sie taten es immer noch an vielen Orten. Es war wie eines von Ciarans Giften, das langsam überall hindurchsickerte und eine Weile brauchte, bis es wirkte. Ich war da zwar bei weitem nicht so fanatisch wie Dun… verdammt, ich wollte nicht an ihn denken.
“Die meisten Leute verwirren mich. Ich bin daran gewöhnt“, meinte ich stattdessen freundlich lächelnd. “Aber wenn du es mir erlaubst: Krieger werden immer gebraucht werden. Ein weiser Mann hat es einmal so ausgedrückt: Zu fragen, warum wir kämpfen, ist zu fragen, warum im Herbst die Blätter fallen. Es liegt einfach in der Natur.“
Ich stand mit ihm auf, weil er nach draußen gehen wollte um diesem Veteran bescheid zu geben, wenn ich ihn richtig verstanden hatte. Ich wusste zwar nicht, warum er mich einstellen wollte, aber ich würde dieses Geschenk nicht hinterfragen. Zumindest nicht jetzt. “Also drei Tage, drei Denare, und ansonsten ein Denar pro Tag, an dem du mich benötigst?“ fasste ich zusammen, was ich jetzt verstanden zu haben glaubte. Wenn er einen Handschlag wollte, gut. Ich zögerte kurz, einem Römer die Hand zu reichen, aber gut, das war nur recht, es mit einem Handschlag zu besiegeln. Ich würde schon nicht gleich unser Schicksal verweben. Also hielt ich ihm meine Pranke hin. “Aber ich glaube nicht, dass dieser Paetus sich darüber so freuen wird.“
Nein, der Kerl hatte gedroht, mich umbringen zu wollen, auch wenn das wohl eine sehr leere Drohung gewesen war. “Und ja, ich denke, wenn Alan mich lässt, wohne ich weiter da. Ich hab kein Haus hier.“
"So haben wir ganz früher vor Jahrhunderten auch gedacht. Aber dann haben unsere Götter den Menschen offenbart, dass die Mutter nur ein Gefäß ist, in dem der männliche Samen wächst. Und dass nur der Vater die Macht besitzt, Leben zu erzeugen“, erwiderte Pytheas, der weder das, was Louarn sagte, noch das, was er sagte, glaubte. Seiner Erfahrung nach lagen Kinder von ihren Anlagen entweder in der Mitte ihrer Eltern, oder sie kamen nach dem Vater oder sie kamen nach der Mutter. Um das festzustellen, brauchte man kein Medicus sein. Man brauchte nur Augen im Kopf zu haben:

"Ich entnehme deinen Worten, dass du ein frommer Mann bist“, sagte er:
"Vielleicht erzählst du mir bei Gelegenheit ein wenig über die britannischen Götter“,

Bei Louarns Bemerkung über die Natur des Menschen, wiegte er den Kopf hin- und her: 
"Das ist ja philosophisch“, bemerkte er: 
"Ich merke schon, dass du dir um einiges deine Gedanken machst. Aber hinsichtlich des Krieges hoffe ich eigentlich, dass du Unrecht hast“, jetzt lachte er und gab Louarn einen Handschlag. 
Er war nicht so groß wie der Kelte, aber sein Handschlag war fest. Wer chirurgische Eingriffe durchführen konnte, brauchte eine gewisse Körperkraft, und Pytheas hatte mehr Kraft, als man ihm ansah:

Wenn es nicht mit Alan klappt, könntest du auch hier ein Cubiculum beziehen“, sagte er: 

"Nun erkläre ich dir einiges über diesen Haushalt. Außer mir lebt noch Wicho hier, das ist mein Gehilfe. Die Haushälterin Pegi kommt nur stundenweise und lebt wie du am Ort. Im Garten ist mein Reittier, eine Eselin, untergebracht. 
In einem Teil des Gartens kultiviere ich Pflanzen für medizinische Zwecke. Wenn du dich damit nicht sehr gut auskennst, bitte ich dich, sie nicht zu berühren. Manche sind auch schon giftig bei Hautkontakt.
Du kannst alle Räume betreten, nur mein Schlafzimmer nehme ich aus, und Wicho soll dir selbst sagen, was er wünscht. Und ach ja...“

Der Medicus richtete seinen hellen Sperberblick auf Louarn. Was er dann sagte, sagte er nicht, weil er den Kelten beleidigen wollte. Er sagte es aus Vorsicht und mit aller Sachlichkeit:

"Falls dir jemand gesagt hat, dass ich über einiges Vermögen verfüge: Das entspricht der Wahrheit. Es sind Münzen und zwar Silber und Gold im Haus. Aber auch hier möchte ich dich bitten, die Säcke in der Truhe nicht zu berühren, wenn du nicht eines grausamen Todes sterben möchtest. Mein Geld bewacht sich sozusagen selbst. Nur ich besitze das Antidotum, das Gegenmittel“, er lächelte etwas traurig. Er würde nicht einmal gerne einen Dieb sterben lassen.

Pytheas nickte freundlich, stand dann auf und ging zur Tür, die er öffnete:
 "Fadius Paetus, ich habe gerade doch noch einen Nachfolger für den Posten des Türstehers gefunden“, sagte er: "Ich weiß doch, dass du schon lange wegziehen wolltest und nur aus Treue geblieben bist“

Paetus musterte Louarn: „Äh….ich bleibe gerne noch länger, bis du jemanden wirklich Geeigneten gefunden hast, Flavianus“, sagte er.

Das habe ich bereits. Ich bin mir sicher, dass Louarn hervorragend geeignet ist. Grüße deinen Sohn und die Kinder“, er nahm einen kleinen Lederbeutel, in dem es klimperte: "Hier dürften zwanzig Denare zum Abschied drin sein. Vielleicht solltest du ein Mitbrinsel für die Schwiegertochter besorgen“

Paetus Gesicht glänzte vor Freude wie eine Speckschwarte. Bei der Erwähnung der Schwiegertochter grinste er: "Ich danke dir sehr. Da sagst du was, Medicus Flavianus, über die Schwiegermieze. Und wenn ich doch zurück kommen soll“, wieder ein misstrauischer Blick zu Louarn:
„Brauchst nur einen Boten schicken“ Es war ihm anzusehen, dass es ihm nicht wohl dabei war, seinen Posten zugunsten eines Barbaren zu räumen.

Der Medicus wandte sich wieder an Louarn:
"Jetzt werde ich weiter arbeiten. Du kannst dir aber das Haus ansehen, wenn du magst. Und zur Vesperzeit wäre es schön, wenn du mit Wicho und mir zu Abend essen würdest. 
Nichts Besonderes: Nur Brot, Käse und ein wenig eingelegtes Gemüse. Aber dann lernst du meinen Helfer kennen. Er ist Britannier wie du“
Meine Güte, musste ich mir auf die Zunge beißen, als Flavianus Pü sagte, dass Kinder ausschließlich aus den Vätern entstanden. Nicht nur, dass unsere Götter etwas ganz anderes lehrten und wir unsere Frauen definitiv sehr viel höher schätzten, als die Römer das taten; nein, ich weigerte mich, auch nur zu denken, dass ich das, was ich war, von meinem Vater haben könnte. Mit diesem Vergewaltiger hatte ich nur meine Augenfarbe gemein, sonst nichts. Und so sehr ich mir auch wünschte, ich hätte mehr seines Aussehens geerbt, um meinen Brüdern helfen zu können bei ihren Aufgaben, ich war doch irgendwie froh, dass ich wirklich so wenig von meinem Vater in mir trug.
“Ich weiß nicht, ob dir das wirklich gefallen würde“, versuchte ich eine diplomatische Antwort darauf, dass er mit mir über die Götter reden wollte. Wahrscheinlich würde er es nicht so gut aufnehmen, dass wir im Grunde Kinder der Dana waren und uns auf diese weibliche Linie beriefen. Nach dem, was ich gerade über römische Götter erfahren hatte, waren die zumindest ziemlich frauenfeindliche Idioten.

Das Angebot mit einem Cubiculum war sicher nett gemeint, aber ich glaubte wirklich nicht, dass ich in diesem Steinklotz schlafen wollen würde. Aber Alan würde mich weiter bei sich übernachten lassen, da war ich sicher. “Mein Pferd steht sowieso bei Alan. Aber danke für das Angebot“, meinte ich daher freundlich und hörte zu, was er sonst noch zu erzählen hatte. Ein gewisser Wicho war also noch hier und eine Pegi kam manchmal vorbei. Und er hatte wohl Giftpflanzen, bei denen Ciaran wohl hellhörig werden würde. Nicht, dass irgendjemand den Zwilling hier reinlassen würde. Ich stellte mir gerade ein Zusammentreffen zwischen dem Römer von der Tür und Ciaran vor. Das wäre interessant – und wahrscheinlich recht tödlich. Besser nicht.
“Ich fasse nichts an“ sagte ich also und erhob mich mit dem Medicus, als der mich noch vor Diebstahl warnte. Mein Blick wurde sehr ernst, denn ja, natürlich fühlte ich mich beleidigt, aber ich blieb ruhig. “Wie gesagt: Ich fasse nichts an.“ Als ob ich ein Dieb wäre! Ich wurde ja schon vieles genannt, aber Dieb nicht! Und ja, es wurmte mich, da ich ihm gerade erst die Hand gegeben hatte. Aber vielleicht bedeutete diese Geste unter Römern einfach weit weniger als unter Kelten.
"Hast du für die Eselin jemand, der sich kümmert?" Dann war die Arbeit hier vielleicht wenigstens etwas abwechslungsreicher.

Wir gingen also nach draußen, wo Flavianus Pü mit seinem Türsteher sprach und ihn sagte, dass ich das jetzt machen sollte. Und so, wie es sich anhörte, auch ab sofort. So schnell hatte ich nicht damit gerechnet, aber gut, mein erster Denar, wie es aussah. Und ein Abendessen, wenn ich das richtig verstand.
“Dann öffne ich dann auch ab jetzt die Tür?“ fragte ich sicherheitshalber nochmal nach, da mir nicht ganz klar war, ob das heute nur ein kennenlernen war oder schon mein erster, unverhoffter Arbeitstag. Aber das konnte man ja durch eine einfache Frage klären. Sprechenden Menschen wurde geholfen.
Die garstigen Blicke des Römers ignorierte ich auch wie schon zuvor. Solange er mich nicht angriff, hatte ich nicht vor, ihm etwas zu tun. Außerdem war ich die Blicke von den Römern ja gewohnt.
Louarn schien ungern über seine Götter sprechen zu wollen. Vielleicht war die Religion der Kelten so etwas wie ein Mysterienkult, und nur Eingeweihte durften Bescheid wissen. Pytheas beschloss, keinesfalls auf Informationen zu drängen:

"Ich wollte es nur erwähnt haben", sagte er mit Gleichmut, als sein neuer Türwächter gleich zweimal darauf bestand, nichts anzufassen. Es war möglich, dass er den Mann brüskiert hatte. Doch wenn er nicht warnte und jemand zu neugierig war und umkommen würde, wäre das Geschrei groß.

Als die Rede auf Leukophaia kam, lächelte Pytheas wieder: 
"Nein, ich habe niemanden, der sich speziell um Leukophaia, so habe ich die Eselin genannt, kümmert.  Das tun Wicho und ich und Pegi manchmal je nachdem. Wenn du mit Tieren umgehen kannst, dann gerne"
Er betonte das Können. Viele Menschen glaubten, dass der richtige Umgang mit Arbeitstieren die Peitsche wäre. Doch das glaubten sie bei Sklaven genauso. Dabei ließen sich Esel wie Menschen mehr durch Belohnungen als durch Strafen leiten. 

Es war Pytheas sehr Recht, dass Louarn gleich als Ianitor anfangen wollte:
"Die Praxis ist noch etwa eine Stunde geöffnet. Es wäre mir eine große Hilfe, wenn du deine Arbeitsstelle sofort antreten könntest, Louarn"

"Ich könnte ja heute noch mal nach dem Rechten sehen", warf Paetus mit einem Gesicht, als würde er erwarten,  bei seiner Rückkehr sämtliche Hauseinwohner inklusive dem Esel mit durchgeschnittenen Kehlen auf dem Fußboden zu finden, ein.
"Aber nein, mache deine Besorgungen und komme noch einmal vorbei, wenn du Iscalis verläßt, um mir Lebewohl zu sagen, Fadius Paetus. Das würde mich freuen"

Der Medicus warf jetzt einen Blick in das Atrium. Dort standen die Stühle für die Wartenden. Drei waren noch besetzt.
"Der Nächste bitte", sagte er, und damit waren Paetus als auch Louarn erst einmal Nebensache. 


Sim off: Hier lernt Louarn in Ausübung seines neuen Jobs gleich Wicho kennen  Shy   

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