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Normale Version: Ostturm - Sonnengemach Gabinia Clara
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Das Haus hatte zwei Türme mit rechteckigem Grundriss, die Eckrisaliten. Die obersten Zimmer mit dem meisten Licht waren der Hausfrau vorbehalten, die dort mit ihren Mägden spann und webte.
Außerdem konnte man von da oben jeden sich nahenden Besucher erblicken, ohne sich selbst sofort zeigen zu müssen.

Sonnengemach hieß daher das oberste Geschoss oder Frauengemach. Von unseren keltischen Nachbarn hatten wir Chatten sogar das Wort dafür übernommen: Grianach. 

Gerwinas Grianach
Das Apfelfest war vorüber, die Gäste gegangen, die Asche der Feuer erkaltete. Auch mein Herz war wie Asche, denn heute hatte ich höchsten Triumph und tiefe Niederlage gleich hintereinander erlebt. Das was ich erringen wollte, war mir gegeben worden: Das Ja meiner Fridila. Aber ihr Vormund fand mich ihrer nicht würdig: Weggenommen hatte er sie mir, entführt, einsperren wollte er sie, als sei sie eine Gefangene und keine freie Römerin. 

Im Auge spricht die Träne:
Wie ich nach dir mich sehne!
Mein Wollen, Denken, Sinnen,
Es will in deins verrinnen.
So webt in stummen Zeichen
Sich Botschaft sondergleichen;
Von Herz zu Herzen geht sie,
Doch nur wer liebt, versteht sie. *


Ich war zu Clara gegangen, die sich bisher um Villica Furianas Kinder gekümmert hatte, und nun stand ich bei ihr in der Tür, nachdem ich angeklopft hatte.
Wie ungeduldig war ich, die Stimme von Gerwina zu hören.

"Schwester, ich brauche deinen Rat", sagte ich ohne Umschweife: "Und deine Hilfe vermutlich auch"
In ihrem schönen Grianach saß Gerwina in ihrem Korbsessel und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit. Sie war immer noch von den Ereignissen, die sich im Garten abspielten zutiefst betrübt. Sie dachte an Stella, die ihr Cousin sie, wie eine Verbrecherin gefangen nahm und sie zwang nach Iscalis zu fahren, nur weil sie und Sonnwin sich liebten, aber sich nicht  mehr wiedersehen dürften. Es war brutal und einem Patrizier nicht würdig.

Sie dachte an ihren Bruder, dem seine Elfe weggenommen wurde. Und gerade in diesem Moment klopfte es an der Tür und er kam rein, unglücklich und ratlos...

Gerwina kam ihm entgegen und nahm ihn tröstend in den Arm. Dann erzählte sie, dass Villica zurück ist und die Kinder abgeholt hat. Die sagte auch, dass Furia Stella sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hat und mehr wusste diese Frau auch nicht. Gerwina seufzte, sah Sonnwin an und sagte leise,

"...Was kann ich dir raten, lieber Bruder,... tue einfach, was dir dein Herz sagt...", das kam ganz spontan und Gerwina lächelte ihn aufmuntern an, "Und ich werde alles Mögliche tun, um dir zu helfen... Aber das weißt du ja...".
Ich nahm die Umarmung meiner Schwester gerne an, und auch ich umarmte sie fest  und setzte mich ihr gegenüber:
"Ich werde von Stella nicht lassen", sagte ich: 
"Auch Segestes wollte seine Tochter Thusnelda nicht dem Cheruskerfürsten Arminius geben. Da raubte er sie, oder besser gesagt: Sie lief mit ihm davon. Ich werde meine Braut also rauben müssen und mich mit ihr so lange verstecken, bis ihr Cousin nachgibt oder bis die Folgen unserer Ehe nicht mehr zu übersehen sind", 
meine Miene wurde düster: 
" Bald kommt jedoch die schlechte Jahreszeit. Seelenstärke besitzt sie, meine Fridila, doch sie ist zart und fein. Ich weiß nicht, ob sie das unstete Dasein einer Flucht erträgt. Ich liebe Stella mehr als mein Leben, Gerwina. Sollte sie wieder zurück wollen oder gar krank werden, so gelobe ich bei den Tränen der Frija, dass ich sie eigenhändig in ihr Haus zurück bringe und mich dem Urteil des Furius unterwerfe. Das werde ich ihr sagen", 
ja, ich war entschlossen, Stella keiner Gefahr auszusetzen. Aber ich sprach von Brautraub - wenn auch mit dem Einverständnis der Geraubten:
"Was brauche ich also? Ein schnelles, ausdauerndes Pferd. Etwas Geld. Und einen Knecht, der uns beschützt. Ich werde Durs mitnehmen. Und deinen Beistand und  guten Segen", 
ich überlegte:
"In drei Tagen, Gerwina. Doch wie kann ich Stella Bescheid sagen, die unter ihrem eigenen Dach gefangen gehalten wird?"
Nach schwesterlicher Umarmung setzten sich Gerwina und Sonnwin gegenüber. Sonnwins Laune hat sich merklich verbessert, als er sich entschieden hat, Stella zu entführen, wie Arminius seine Liebe Thusnelda geraubt hat, weil ihr Vater sie dem Cheruskerfürsten nicht geben wollte. Gerwina hat dagegen nichts einzuwenden, wenn seine Elfe damit einverstanden war.

Es war natürlich ein gefährliches Unterfangen, aber das Risiko müssten die beiden auf sich nehmen, denn sie liebten sich und wollten nur glücklich werden... Das waren Gerwinas Gedanken, sie sah dann ihren Bruder an und nickte, "Ja, ich denke du sollst es machen, sie noch mal retten und sie aus dieser grausamen Situation befreien ...", und als Sonnwin auf einmal seine Befürchtung angesprochen hat, dass seine zarte Stella die Flucht eventuell nicht ertragen könnte, schüttelte seine Schwester den Kopf, "Ach, darüber mach dir keine Gedanken, lieber Bruder, wenn sie dich liebt, wird sie alles ertragen ...", sie lächelte ihn sanft an und fügte leise hinzu, "Es gibt kein zurück mehr...".

Dann überlegte sie kurz, "Also, die Einzige, die uns helfen könnte ist Sylvana. Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich morgen Früh nach Iscalis und versuche sie zu sehen, mich kennt ja niemand in der Villa Furia und ich kann dann ihr deine Nachricht für Stella übergeben, aber am besten, du wirst es mir sagen, nicht aufschreiben, nur mündlich...", Gerwina machte eine Pause,

"Das Pferd musst du aber selbst beschaffen und ich habe noch etwas Geld, das mir unsere Mutter für den Notfall gegeben hat und, ich glaube, es ist ein Notfall!"
Ja, es war ein Notfall. Ich drückte Claras Hand. Ich wusste, dass es für sie nicht einfach werden würde, hier auf dem Hof zurückzubleiben und das ohne mich. Ich wusste, was sie konnte und wer sie war, aber nicht alle würden eine alleinstehende Bäuerin respektieren. Allerdings war Gerwina so stark wie unsere Mutter Gerlinda. Und sie hatte Elfried und Rango:

"Ich muss dein Geld leider annehmen, um das Pferd zu kaufen", sagte ich: 
"Und ja, du hast Recht: niemand kennt dich in der Villa Furia. Wie stehst du selbst mit Furius Saturninus? Meinst du, dass er dich in die Villa eintreten lassen würde? Zumindest hatte ich den Eindruck, dass er Dich gerne ansah", aber so waren sie, die Patrizier, für Liebeleien wäre meine Schwester gut genug gewesen, aber nicht zum Heiraten:

" Ich habe für meine Fridila ein Dunkelgedicht verfasst, ein Gedicht mit einer geheimen Botschaft, so nennt man es bei uns Sängern"
Ich sagte Gerwina meinen Vers auf, den ich schon längst auswendig wusste und betonte dabei die Worte, auf die es ankam:

" Der König auf der Flucht

In drei Tagen ging ein Reich verloren,
Das Land vor der Mauer war weit
in drei Tagen wurde ein Volk befreit
In drei Tagen der Mond neu geboren
Die Schwäne flogen zu zweit
Ein Pferd hat den Reiter erkoren", 


ich hatte alles auf eine Wachstafel geschrieben:
"Ich hoffe nur, dass sich auch meine Fridila mit Dunkelgedichten auskennt", sagte ich.
Gerwina stand auf und holte ihre Börse mit dem Geld, "Ich hoffe, es reicht für ein schönes Pferd, lieber Bruder... ", seine Schwester lächelte ihn fröhlich an. Dann wunderte sie sich aber, als Sonnwin sie über Furius Saturninus fragte, "Nachdem er dich so gekränkt und Stella gefangen genommen hat, möchte ich ihn nicht mehr sehen, denn er ist gefährlich... und es ist mir egal, wie er mich ansah, ich kann ihn nicht leiden...", empört zuckte sie die Schultern, "Außerdem habe ich nicht vor, die Villa zu betreten, ich werde nur nach Sylvana fragen, ich hoffe, es wird klappen und ihr dann deine Nachricht für Stella übergeben".

Gerwina hörte wie Sonnwin seinen Vers rezitierte und sah ihn verträumt an, "Es ist sehr schön, ich denke, Stella wird dein Dunkelgedicht verstehen und auf dich in drei Tagen warten...". Es war inzwischen sehr spät geworden und sie war sehr müde nach diesem anstrengenden Tag geworden.

"Sonnwin, ich möchte mich jetzt schlafen legen, muss ja morgen Früh aufstehen und mich auf den Weg nach Iscalis machen, ich nehme dann Rango mit...".
Ich hatte ein Pferd erworben, einen Vorratsbeutel gepackt und war fertig. Ich wartete einzig noch auf Gerwina , um zu erfahren, ob sie mit Sylvana, Stellas Sklavin, oder gar mit Stella selbst hatte sprechen können. Ein paar Schlingen hatte ich für die Jagd dabei, und eine Frame, das war ein kurzer Speer, den man zum Werfen , aber auch zum Stechen und als Hiebwaffe benutzen konnte und der aus Holz leicht herzustellen war. Nur die Speerspitze war aus Eisen und geformt wie ein Lorbeerblatt.

Bernjan, der neuerworbene Hengst, war gestriegelt und gesattelt und stand vor dem Tor.  Links und rechts des Sattels hing eingerollt je ein warmer Kaputzenmäntel in jenen bunten Mustern, die bei uns Chatten so beliebt waren. Durs, einen Wanderstock in der klobigen Hand, wartete bei meinem Pferd.

Wo blieb Gerwina? Wie ging es Stella? Ich schaute vom Grianach aus über das Land, dort musste ich meine Schwester und Rango zurückkommen sehen.

Es dämmerte bereits. Es würde eine Neumondnacht  sein.
Den ganzen Weg nach Iscalis und zurück gingen Gerwina und Rango zu Fuß und unterhielten sich lebhaft über ihr neues Leben hier und erinnerten sich an ihr altes... . Gerwina war sehr zufrieden mit ihrer Mission und hoffte nun, dass Furia Stella die Nachricht erhalten hatte.

Langsam näherten sie sich dem Gutshof und erblickten vor dem Tor ein schönes Pferd! Gerwina lächelte in sich hinein und ging gleich ins Cubiculum, sie wollte sich umziehen und frisch machen und dann sich auf die Suche nach ihrem Bruder begeben. Als sie aber das Zimmer betrat erblickte sie Sonnwin, der am Fenster stand.

"Sonnwin, freue mich, dich hier zu treffen! Hast du schon das Pferd gekauft?", sie lächelte ihren Bruder lieb an und setzte sich auf ihren Sessel. Dann holte sie tief Luft und erzählte über ihre Begegnung mit Sylvana, "Ich stand schon vor der Porta, traute mich aber nicht anzuklopfen, nur mein Herz klopfte wie  verrückt...", Gerwina goss sich aus der Kanne einen Becher Wasser ein und trank es leer. "Und da war auf einmal Sylvana da, sie war auf dem Markt und kam gerade wieder zurück. Sie erkannte mich und wir gingen ein Stück weiter, damit uns niemand sieht, denn sie erzählte mir, dass Stella bewacht wurde, und außer Sylvana niemand zu ihr kommen dürfte...".

Gerwina machte eine Pause und sah Sonnwin besorgt an, "Es geht ihr nicht gut, deiner Elfe ..., aber Sylvana wollte uns helfen und ich gab ihr deine Wachstafel, die sie gut versteckt hatte ...", Gerwina nickte und fügte zuversichtlich hinzu, "Stella wird deine Botschaft bekommen, lieber Bruder, ich fand Sylvana sehr vertrauenswürdig"... , Gerwina trank noch einen Becher Wasser leer.

"Und dann marschierten wir wieder nach Hause!"
Manchmal will man das Böse nicht, und trotzdem geschieht es. Ich hatte Stella ihrer Familie entzweit, und sie litt wegen mir. Sie litt, weil sie mich liebte. Ich schwor bei Frijas Tränen, dass sie ihre Liebe zu mir niemals bereuen sollte, und dass sie immer für mich sein sollte, was sie jetzt war: Meine Fridila, meine Geliebte.
Mein Herz war schon bei Stella. Gerwina wusste das, denn sie kannte mich gut. Und da stand sie,  meine Schwester, und erzählte mir, wie es ihr gelungen war, meinem Albenmädchen den Brief zuzustellen:
"Sylvana ist Stellas Leibsklavin", erwiderte ich: "Meine Tafel ist in besten Händen, denn sie ist ihrer Herrin sehr ergeben" 

Die Abschiedsstunde war gekommen. Ich nahm Gerwinas Hände sachte in meine:
"Gerwina Gerlindatochter, mein Schwesterherz", sagte ich ernst: "Du weißt, dass ich nun fort muss, und dass nur die liebliche Frija, die die Liebenden beschützt, weiß, wann wir uns wieder sehen. Ich hoffe, es sind glücklichere Zeiten. Bessere Zeiten sage ich nicht, denn keine Zeit ist besser als die, in der die Schwester dem Bruder die Treue hält. Ich danke dir für alles", 
ich küsste Gerwinas Stirn, und ihr Haar roch nach Gerwina, ein wenig nach frischem Moos und einer klaren Quelle im Frühling. Ich umarmte sie. Wie sehr würde ich sie vermissen. Wir waren nie getrennt gewesen, und nun würde ich auf der Flucht sein, weil ich mir eine römische Braut "raubte":
"Pass auf dich auf" 
Ich würde Stella alleine holen, und Durs vor der Stadt auf uns warten. Wir ritten nicht, sondern führten Bernjan am Zügel, um seine Kräfte zu schonen. Die Nacht war finster, aber die Sterne leuchteten, und nach einer Weile hatten sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt.
Noch einmal schaute ich mich um zum Grianach, als ich unser gerade gewonnenes Zuhause verließ.
Ich hoffte, Gerwina würde uns winken.
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